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Der stellvertretende Soko-Leiter Christian Heckl und Priens PI-Leiterin Karin Walter gaben Einblick in ihre Arbeit. (Foto: Kas)

Sondervernehmungstage im Fall Hanna: Einblick in die Soko-Arbeit

Prien – Während der dringend tatverdächtige Heranwachsende nach wie vor in U-Haft sitzt und auf Anraten seines Anwalts Harald Baumgärtl aus Rosenheim schweigt, laufen die Ermittlungen im Aschauer Mordfall Hanna weiter auf Hochtouren. »Es kann noch Monate dauern, bis wir unsere Ermittlungen beendet haben, nach wie vor arbeiten 50 Kollegen an dem Fall«, sagte Christian Heckl, stellvertretender Leiter der Soko »Club« am Samstag in Prien.


Hier, in der Polizeiinspektion (PI), stand an diesem Tag ein weiterer Sondervernehmungstag an. In Traunstein, Grassau und Rosenheim hatten ähnliche Tage bereits stattgefunden. Die Besucher des Clubs Eiskeller von Aschau wurden und werden als Zeugen vernommen. 600 bis 800 zumeist junge Leute hielten sich an jenem Abend in dem Lokal auf.

Die Polizei will in ihrem Vernehmungsmarathon vor allem die Nacht vom 2. auf 3. Oktober lückenlos nachverfolgen, vor allem die Stunde zwischen 2 und 3 Uhr morgens, in der die Medizinstudentin zum letzten Mal lebend gesehen wurde. Zusammen mit Stefan Sonntag, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, und Karin Walter, Leiterin der PI Prien, stand Heckl dem Traunsteiner Tagblatt Rede und Antwort und gab ausführliche Einblicke in die Polizeiarbeit. Die wichtigsten Fakten:

Der Fall: Hanna (23) aus Hohenaschau war nach ihrem Besuch im nur einen Kilometer von ihrem Wohnort entfernten Club Eiskeller nicht nach Hause gekommen. Sie hatte dort mit Freundinnen gefeiert und war alleine heimgegangen. Stunden später entdeckte ein Passant ihre Leiche rund zehn Kilometer flussabwärts im Hochwasser führenden Fluss Prien, der durch Aschau fließt. Die junge Frau war, laut Polizei, durch ein Gewaltverbrechen zu Tode gekommen. Im Rahmen der Zeugenbefragung stieß die Polizei auf einen Jogger, der zunächst selbst nur Zeuge war, später aber dringend tatverdächtig wurde. Am 18. November erfolgte die Festnahme.

Die Ermittlungen: »Ein Licht am Ende des Tunnels ist noch weit entfernt, der Aufwand ist außergewöhnlich hoch«, erklärt Stefan Sonntag. Die Soko müsse alle Hinweise abarbeiten, um Beweise zu finden, »damit die Täterschaft bewiesen, oder aber auch der dringend Tatverdächtige entlastet werden kann«. Insgesamt seien rund um den Fall 1800 Personen erfasst worden. Die Polizei wolle mit allen sprechen. Knapp 1000 Vernehmungen hätten bereits stattgefunden, allein 500 stünden in Bezug zum Eiskeller. »Der heutige Tag in Prien war wieder ein wichtiger Schritt, die Puzzleteile zu verfestigen«, erklärt Heckl.

Das Upload-Portal: Die Ermittler baten alle Besucher des Eiskellers aus jener Nacht, sich aktiv bei der Polizei zu melden. Dazu steht eigens ein Medien-Upload-Portal zur Verfügung, das nach wie vor genutzt wird und auch offen bleibt. Laut Heckl hatten sich hier 230 Personen gemeldet. Man habe rund 500 Gigabite an Aufnahmen erhalten, ergänzt Sonntag. Nicht nur Bilder und Videos aus dem Eiskeller, auch andere Umfelder würden genutzt. Und eben diese Abarbeitung benötige viel Aufwand und Zeit.

Bilder und Videos: Heckl bestätigte, dass Hanna auf mehreren Bildaufnahmen und privaten Videos aus dem Eiskeller zu sehen sei. Noch nicht gefunden habe man ihr Handy, keine Aussagen gebe es aus ermittlungstechnischen Gründen auch zum Tatwerkzeug und zur Beschlagnahmung der Gegenstände bei der Hausdurchsuchung des Tatverdächtigen, der noch bei seinen Eltern lebt. Auch nähere Angaben zu ihm werden nicht gemacht. »Es ist ein Heranwachsender und er genießt besonderen Schutz«, so Sonntag.

Opfer-Familie: Die Betreuung spielt laut Sonntag eine große Rolle. Täglich hätten Beamte Kontakt zur Familie. »Es sind speziell geschulte Kollegen, das ist uns sehr wichtig«, sagt der Pressesprecher. Die Familie bekomme aus erster Quelle Informationen, werde stets vor der Presse informiert.

Vernehmungen: Um leichter identifiziert zu werden, werden alle Zeugen gebeten, mit der gleichen Oberbekleidung jenes Abends bei der Polizei zu erscheinen. Sie werden dann zunächst im »LiBi-DNA«-Raum (LiBi = Lichtbild) fotografiert, geben eine Speichelprobe ab, ehe sie die Aussage tätigen. »Das ist wichtig, damit wir sie schneller zuordnen können«, erklärt Sonntag. Fast alle würden das akzeptieren und die Arbeit der Polizei unterstützen.

Super-Recognizer: Immer wieder sucht die Polizei Menschen, die die besondere Eigenschaft besitzen, sich Gesichter einzuprägen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass etwa ein bis zwei Prozent diese Fähigkeit besitzen. »Bei uns sind solche Beamte sehr gefragt, helfen mit, Personen auf vorhandenem Bildmaterial zu identifizieren«, sagt Heckl. Sie seien in diesem Fall ständig im Einsatz.

Operative Fallanalyse: Die Ermittler hatten sich bei der Suche nach dem Täter auch Experten zur Seite geholt. An erster Stelle stand Alexander Horn, Super-Profiler mit eigener kleiner Dienststelle in München, der den Blick von außen gibt und ein Profil des Täters erstellt. Auch ein privater Profiler aus Württemberg hatte sich gemeldet, namens Klaus Fejsa, und auch der Hobby-Profiler Michael Schneider aus Bonn, der sich selbst als Hellseher bezeichnet. »Seine Hinweise waren aber alle falsch«, klärt Sonntag auf.

Sendung Aktenzeichen XY ungelöst: Sonntag spricht von einem wichtigen Baustein. 50 Hinweise seien am selben Abend noch eingegangen, 40 weitere danach. Konzentriert habe man sich auf die gefundene Holzuhr, die aus Österreich stammt. 1700 Stück dieses Models seien hergestellt und speziell in Oberbayern und Tirol über Stores, in Geschäften und im Internet vertrieben worden. »Aber wir wissen nicht, wem sie gehört und ob sie überhaupt eine Rolle spielt«, betont der Pressesprecher.

kk