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Toni Wegscheider mit Bavaria. (Foto: Archiv Pfeiffer)

Schwierige Futtersuche für Bartgeier des Nationalparks – Mühsame Zeiten für Knochenfresser

Den im Nationalpark Berchtesgaden ausgewilderten Bartgeiern stehen »die forderndsten Wochen des Jahres bevor«, sagt Toni Wegscheider, Vorsitzender der Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) im Berchtesgadener Land. Seitdem die drei Bartgeierdamen in Freiheit leben, sei das öffentliche Interesse ungebrochen.


Der Aussichtspunkt bei der Halsalm mit Blick auf die Freilassungsnische und auf das Hauptaufenthaltsgebiet der Geier »wurde heuer phasenweise überrannt«, erzählt Wegscheider.

Bis auf den Unfalltod von Wally durch Steinschlag im April vergangenen Jahres im Wettersteingebiet könnte der bisherige Projektverlauf kaum besser sein, sagt Toni Wegscheider. Bavaria und Wally waren die ersten beiden Bartgeier, die im Nationalpark Berchtesgaden im Klausbachtal ausgewildert worden waren. Schnell entwickelte sich eine große Fangemeinde rund um die Greifvögel, die ausgewachsen knapp drei Meter Flügelspannweite erreichen können. Die Live-Kameras in der Auswilderungsnische wurden häufig genutzt, haben mittlerweile Hunderttausende Klicks und das dazugehörige Bartgeier-Forum zählt Zehntausende Kommentare.

Den Bartgeiern in den Alpen stehen die mühsamsten Wochen des Jahres bevor. Im Frühwinter ist durch erste leichte Schneefälle die vorhandene Nahrung, hauptsächlich Kadaver von Gämsen und Steinböcken, kaum noch zu entdecken, weiß Bartgeierexperte Wegscheider. Die Schneemenge reicht nicht aus, um Lawinen zu erzeugen, die wiederum Wildtiere mitreißen und zu frischem Futter führen. Nur durch die enorme Mobilität der jungen Bartgeier können sie unter schwierigen Bedingungen Nahrung finden. Hunderte Flugkilometer pro Tag sind keine Seltenheit, sagt Wegscheider. Dass die Vögel fleißig in der Luft sind, erkennen die Experten an den unterschiedlichen Bewegungsmustern der getrackten GPS-Signale. Zu Beginn des Winters halten sich die Vögel nur noch in eng begrenzten Bereichen auf und verwerten ein totes Tier teils wochenlang. »Eine einzelne Gams bietet einem Bartgeier Nahrung für etwa drei Wochen.«

Dagmar und Recka, Bartgeier Nummer drei und vier im Nationalpark, hatten im vergangenen Juli die Auswilderungsnische verlassen. In den folgenden Wochen übten beide Vögel »immer längere Gleitstrecken, punktgenaue Landungen, aber auch den Umgang mit Thermik und Aufwinden sowie die Abwehr der lokalen Steinadler«, berichtet Wegscheider. Das örtliche Adlerpaar aus dem Klausbachtal traktierte Dagmar und Recka gelegentlich mit Attacken, wie schon zuvor Wally und Bavaria. »Das richtige Verhalten gegenüber Steinadlern ist eine wichtige Lektion für die Jungvögel. Sie werden auf ihren Flügen durch die Ostalpen täglich mit dieser Art konfrontiert.«

Dagmar hatte den Nationalpark Mitte September verlassen. »Aktuell befliegt sie hauptsächlich das westliche Großglocknergebiet«, informiert der LBV-Vorsitzende. Recka verblieb zunächst in der Region, verbrachte Zeit im Umfeld des Wilden Kaisers und erschloss für sich das Salzkammergut. Immer wieder hält sie sich für einige Tage im Nationalpark Berchtesgaden auf. Die bereits im vergangenen Jahr ausgewilderte Bavaria befliegt momentan, nach monatelangem Aufenthalt in den Hohen Tauern, das südliche Nationalparkgebiet rund um Königssee und Steinernem Meer und nutzt vor allem Salzachtal und Tennengebirge zur Nahrungssuche. GPS-Sender überwachen die Bartgeier. Hin und wieder beobachten Projektmitarbeiter die Vögel direkt. Bartgeier-Fans verfolgen über die Webseiten von Nationalpark und LBV die Karten mit den Flugbewegungen. »Von den Fans wird das massiv genutzt«, freut sich Toni Wegscheider.

kp