Für die meisten jungen Zugewanderten war das Thema neu. Sie waren aber hochinteressiert. Ihnen wurden Vokabular und Bedeutungen erklärt. Auch Parallelen zur Gegenwart wurden gezogen. Besonders interessant war der Besuch des Bunkers mit seinen Gängen, Räumen und historischen Spuren. Für Fragen und Meinungen räumten die Bildungsreferentinnen genügend Zeit ein.
Rechtsextreme Schmierereien in der Öffentlichkeit – wegsehen oder handeln? Was genau bedeuten Euthanasie, Nazi oder KZ? Woran erkenne ich rechtsextreme Strömungen? Wie kann und darf ich reagieren, wenn ich im Internet mit rechten Ideologien konfrontiert werde? Gibt es Unterstützung für aktive Gegenargumentationen? Die Workshop-Leiterinnen lieferten auf diese Fragen professionelle Antworten und versuchten, ein Bewusstsein für rechtsextreme Trends in Jugendkultur, Mode, Musik und im Internet zu schaffen. So erfuhren die Teilnehmenden, dass der »Hitlergruß« nicht nur eine verbotene Geste ist, sondern auch die Zahl 88 für diesen stehen kann. Darüber hinaus lernten sie, dass Emojis im Internet von Rechtsextremen genutzt werden, um sich zu vernetzen und menschenverachtende Botschaften subtil auszutauschen.
»Das Interesse und die Mitarbeit waren großartig«, freuten sich die Workshop-Leiterinnen. Zwei junge Frauen aus Syrien und Myanmar äußerten sich so dazu: »Die Aufarbeitung dieser schrecklichen Themen ist wichtig und für uns hochinteressant. Wir dürfen hier offen damit umgehen, das ist neu für uns – Demokratie eben. Die Erinnerung aufrechtzuerhalten und Zeichen gegen Unterdrückung zu setzen, ist sehr wichtig.«
Im Anschluss an den Workshop besichtigten die Lernenden die im Herbst 2023 eröffnete Dauerausstellung »Idyll und Verbrechen«. Sonja Herzl-Förster und Lena Thurnhausstatter führten die jungen Frauen und Männer durch die Ausstellung und diese aufwühlende Zeit. Sie beschrieben, wie der Obersalzberg nationalsozialistisches Machtzentrum war. Er ist ein historischer Ort, an dem Hitler über ein Viertel seiner Amtszeit verbrachte. In seinem Berghof entschied der Diktator in einem Kreis enger Vertrauter über Verfolgung, Krieg und Völkermord.
Interessiert lauschten die geflüchteten jungen Erwachsenen den Ausführungen, betrachteten die Bilder und stellten im Anschluss ihre Fragen. Ein junger Mann aus Eritrea wollte wissen, warum diese wunderbare Gegend, in dieser Stille hier in den Bergen, ein Ort des Schreckens wurde. Der Diktator habe die Gegebenheiten in der vertrauenserweckenden Kulisse genutzt, um als angeblicher sympathischer »Volkskanzler« zu gelten, so die Antwort der beiden Bildungsreferentinnen.
Abschließend unternahmen die Lernenden einen Rundgang durch die Bunkeranlage. Zahllose Wandinschriften und Graffitis erzählen die Geschichte des Bauwerks. Infotafeln und Installationen informieren über die Themen Zwangsarbeit und Luftkrieg. Ein Mann aus der Ukraine wandte sich am Ende an die Bildungsreferentinnen: »Vielen Dank. Hochinteressant und gut aufbereitet, ich würde gerne noch mehr vom Bunker sehen.«
Die Leiterin des Bildungszentrums, Gabriele Bauer-Stadler, ist überzeugt: »Unterricht im Klassenzimmer mit Grammatik und Rechtschreibung allein reichen nicht aus für eine gute Integration. Zum ›Dazugehören‹ in der Gesellschaft gehörten auch die Menschen, deren Geschichte, das Leben und der Alltag, in den wir die Lernenden miteinbinden und sie daran teilhaben lassen wollen und müssen.« Daher werde das Lehrkonzept aus Deutschkursen und dem externen Mittelschulprogramm ergänzt um Praxis-Lerntage.
Die Bildungsreferentinnen zogen folgendes Fazit: Der Obersalzberg sei ein Ort der interkulturellen Begegnungen, hier würden Barrieren abgebaut, der Lern- und Erinnerungsort am Obersalzberg soll ein Ort für alle sein. »Sprachliches und historisches Lernen verbinden sowie landeskundliche Aspekte von Vergangenheit und Gegenwart miteinbeziehen sind ein Schlüssel zu gelebter Integration.«
Das Max Aicher Bildungszentrum will die Dokumentation Obersalzberg nun jährlich besuchen. Die beiden Einrichtungen wollen gemeinsam einen Beitrag zu einer guten Integration der Geflüchteten leisten. fb