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Vor der großen Tafel mit den Wünschen, Hoffnungen und Träumen (v.l.): Diakon Bernhard Hennecke, Pfarrer Dr. Florian Herrmann und Raphael Koller von der Telefonseelsorge. (Foto: privat)

»Bevor ich sterbe…«

Bad Reichenhall – »Einen Vorwärtssalto lernen«, »Mit meiner Familie und Freunden in Frieden leben«, »Travel to NYC«, »Ärztin werden«, »Meine Enkel aufwachsen sehen«, »Den Franziskus-Weg gehen« – diese Wünsche standen auf einer großen Tafel, die der Arbeitskreis zur Suizidprävention in Bad Reichenhall aufgestellt hat. »Before I die« – »Bevor ich sterbe« – stand in großen Lettern auf der Tafel und die Passanten konnten ihre Wünsche, Hoffnungen und Träume darunter schreiben.


Mit der Tafelaktion wollte Raphael Koller von der Telefonseelsorge gemeinsam mit dem Dekanat und den Stadtkirchen Bad Reichenhall vor der Kirche St. Ägidius das Thema Leben und die eigene Sterblichkeit sichtbar machen. Anlass dazu waren die diesjährigen Aktionswochen zur Suizidprävention, die erstmals aus dem Arbeitskreis zur Suizidprävention entstanden waren.

Die Passantinnen und Passanten notierten ihre persönlich wichtigen Wünsche, Hoffnungen und Träume. »Die Aktion machte deutlich, wie klein scheinende Sehnsüchte – vom Vorwärtssalto bis zur Weltreise – existenzielle Bedeutung haben und wie wichtig es ist, über Gefühle und Lebensziele zu sprechen«, berichten die Veranstalter.

Schon in den ersten Stunden sammelten sich auf den Tafeln bunte Einträge. Die kurzen Sätze wirken auf den ersten Blick harmlos, doch zusammen bildeten sie ein lautes Statement gegen das Schweigen rund um Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. »Menschen teilen, was ihnen im Leben wichtig ist – und machen damit sichtbar, was es zu schützen lohnt«, so die Veranstalter.

Die Tafelaktion war bewusst niederschwellig angelegt: an zentraler Stelle aufgestellt, mit Kreide ausgestattet, konnten Menschen anonym ihre Gedanken hinterlassen. Organisator Raphael Koller erklärte die Aktion als Gesprächsanstoß: »Viele Passanten waren interessiert, wollten erst mal darüber nachdenken oder schrieben spontan Wünsche und Sehnsüchte auf. Die Auseinandersetzung damit lud zum Nachdenken über sein Leben und den Tod ein und es ergaben sich verschiedene intensive Gespräche.« Neben den Tafeln stand Informationsmaterial mit Hinweisen auf Beratungsangebote und Telefonnummern bereit. »Weil Gespräche wichtig sind, aber bei akuter Not fachliche Hilfe notwendig sein kann«, hebt Koller hervor.

Initiiert wurde das Projekt »Before I die« ursprünglich von der amerikanischen Künstlerin Candy Chang 2011 in New Orleans, nachdem sie einen engen Freund verloren hatte. Es versteht sich als ein globales Kunstprojekt, das dazu einlädt, die eigene Sterblichkeit zu reflektieren und über die Dinge nachzudenken, die uns am Wichtigsten sind.

Koller ist sich sicher, Suizidprävention funktioniert nicht allein durch Informationen; sie brauche Orte und Anlässe, die das Thema enttabuisieren. Öffentliche Aktionen wie die »Bevor ich sterbe…«-Tafeln brächten Menschen dazu, sich mit ihrem Leben auseinanderzusetzen – oft entstünden daraus Gespräche zwischen Freundinnen, Nachbarinnen oder Fremden, die andernfalls nicht geführt worden wären. Fachstellen betonen, dass ein offener Umgang mit Gefühlen, frühzeitige Unterstützung und sichtbare Hilfeoptionen Leben retten können.

Zum Start der Tafelaktion wurde eine ökumenische Andacht in der Fußgängerzone vor der St. Ägidius-Kirche mit Diakon Bernhard Hennecke und Pfarrer Dr. Florian Herrmann gefeiert. Mit einem Gottesdienst aus der Reihe »Sonntag auf d'Nacht«, den Katharina Burgstaller mit ihrem Team vorbereitet hatte, endete die Aktion in der St. Nikolaus-Kirche.

Die Veranstalter sorgten dafür, dass die Aktion nicht nur symbolisch blieb: Flyer und Moderationsangebote wiesen zudem auf lokale Beratungsstellen hin. fb