Die Gruppe führender Industrie- und Schwellenländer (G20) verurteilt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nur indirekt. Laut Gastgeber Südafrika nahm der G20-Gipfel schon in der ersten Arbeitssitzung in Johannesburg die »Erklärung der Staats- und Regierungschefs« an, die Russland oder Kremlchef Wladimir Putin nicht ausdrücklich erwähnt.
Bereits auf der ersten der 30 Seiten starken Erklärung, die auf dem bis Sonntag dauernden Gipfel ungewöhnlich früh angenommen wurde, finden sich aber unmissverständliche Hinweise auf den russischen Krieg gegen die Ukraine, der nun mehr als dreieinhalb Jahren andauert.
Der Gipfel war überschattet von der Diskussion über den 28-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump für einen Frieden in der Ukraine. Da die USA den Gipfel boykottieren, nahmen sie auch nicht an den Arbeiten der Abschlusserklärung teil.
Dennoch verbucht der Gastgeber, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, mit dem Konsens einen Erfolg. G20-Dokumente sind nicht rechtlich bindend, sondern Absichtserklärungen.
Gipfel: Auf Gewalt verzichten
Die G20-Runde unterstreicht, »dass alle Staaten gemäß der UN-Charta von der Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Erlangung von Gebietsansprüchen gegen die territoriale Integrität, Souveränität oder politische Unabhängigkeit eines Staates absehen müssen«. Ein klarer Hinweis auf den Angriffskrieg Putins. Staaten sollten freundschaftliche Beziehungen untereinander pflegen, unter anderem durch die Förderung und Stärkung der Achtung der Menschenrechte. Putin werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Vor dem Treffen war unklar gewesen, ob es wegen des US-Gipfelboykotts überhaupt eine gemeinsame Abschlusserklärung oder nur eine Erklärung des Gastgebers geben würde.
Trump fehlt, weil er der südafrikanischen Regierung schwere Repressionen gegen weiße Farmer vorwirft. Südafrika weist die Vorwürfe zurück. Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping nehmen ebenfalls nicht teil.
Südafrika: G20 können sich nicht von einem Land aufhalten lassen
Der Sprecher von Südafrikas Präsident, Vincent Magwenya, sagte: »Es wäre für Amerika sehr schwierig gewesen, sozusagen einen Boykott-Konsens zu organisieren, wenn die Länder sich ihrer individuellen Verantwortung gegenüber ihren Bürgern und dem Rest der Welt bewusst sind.« Ohne die USA zu nennen, sagte er: »Wir können die Regeln nicht für ein einzelnes Land beugen.«
Der Gruppe der G20 gehören 19 Staaten, die Europäische und die Afrikanische Union an. Für nächstes Jahr ist der G20-Gipfel in Miami geplant.
Weitere zentrale Punkte der Abschlusserklärung:
Wichtige Mineralien und seltene Erden
Um langfristiges Wirtschaftswachstum zu sichern, unterstützt die G20-Runde die verstärkte Erkundung von seltenen und für die Volkswirtschaften wichtigen Mineralien besonders in Entwicklungsländern. Transportwege, Märkte und Verarbeitungsstandorte sollen ausgebaut und die Wertschöpfung in mineralreichen Entwicklungsländern verbessert werden.
Hintergrund ist, dass Deutschland und Europa versuchen, unabhängiger von China zu werden, das viele der bekannten Vorkommen besitzt. Rohstoffe wie seltene Erden werden von der Hightech- und Rüstungsbranche benötigt, aber auch zur Batterieproduktion. Peking hat ihren Export beschränkt. Erwähnt wird die Rolle Pekings nicht.
UN-Sicherheitsrat
Das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen soll nach dem Willen der G20 grundlegend reformiert und so an Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Der Rat soll repräsentativer, effizienter, demokratischer und transparenter werden. Eine erweiterte Zusammensetzung soll sicherstellen, dass auch unter- oder nicht repräsentierte Regionen wie Afrika, Asien-Pazifik, Lateinamerika und die Karibik vertreten sind.
Klimawandel
Die G20-Staaten verpflichten sich, den Klimawandel durch eine verstärkte Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommen zu bekämpfen, um bis etwa 2050 weltweit Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Die Gruppe bekräftigt das in dem Abkommen vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Dafür wollen die Staaten auf nationaler Ebene Verpflichtungen vorlegen.
Globaler Süden
Die Gruppe beklagt die hohe Verschuldung, die in vielen Entwicklungsländern Wirtschaftswachstum einschränke und damit Investitionen in Infrastruktur, Katastrophenschutz, Gesundheitsversorgung, Bildung und andere Entwicklungsbereiche begrenze.
Zudem bekräftigen die Mitgliedsstaaten die Bedeutung von Energiesicherheit für wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität. Mehr als 600 Millionen Afrikaner haben noch immer keinen Zugang zu Elektrizität.
Die G20-Teilnehmer betonen die Wichtigkeit einer nachhaltigen Industriepolitik, die kein Land ausschließe, um wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu stärken, Wachstum zu unterstützen und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
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