Jahrgang 2002 Nummer 29

Symbol der Weisheit und Hexenvogel

Vorurteile bestimmen unser Verhältnis zur Eule

Alle Eulenvögel stehen ganzjährig unter Naturschutz

Alle Eulenvögel stehen ganzjährig unter Naturschutz
Für den Waldkauz sind Eichhörnchen eine begehrte Beute

Für den Waldkauz sind Eichhörnchen eine begehrte Beute
Attischer Trinkbecher aus dem 5. Jahrhundert

Attischer Trinkbecher aus dem 5. Jahrhundert
Eulen gelten seit jeher als Vögel der besonderen Art. Durch ihre nächtliche Lebensweise, ihren lautlosen Flug und ihre merkwürdigen Rufe erscheinen sie den Menschen unheimlich. In der Antike galten fliegende Eulen als Glücksboten, sitzende dagegen als Unheilsverkünder. Bei den Griechen betrachtete man Eulen, vor allem den Uhu, als Symbol der Weisheit. Das geht wohl auf sein Verhalten am Tage zurück. Sobald Singvögel einen am hellen Tag dösenden Uhu erblicken, fallen sie scharenweise über ihn her und schlagen entsetzlichen Lärm. Den Uhu lässt das kalt – er lässt das Spektakel einfach über sich ergehen wie ein weiser Philosoph, den nichts erschüttern und aus seiner Ruhe bringen kann.

Die Lebensweise und das oft wenig bekannte Verhalten der Eulenvögel, aber auch ihre Rolle in der menschlichen Kultur und im Volksglauben sind die Themen der Ausstellung »Eule und Mensch«, die bis 25. August im Jura-Museum auf der Willibaldsburg in Eichstätt gezeigt wird. Der Besucher erfährt viel Interessantes über die Natur der Eulen, ihre verschiedenen Arten und ihre Entwicklungsgeschichte. Mit einem interaktiven Multimedia-Programm kann man Informationen abrufen und die für jede Eule typischen Rufe erschallen lassen.

Gemeinsame Kennzeichen aller Eulen sind das sehr weiche Gefieder, der große Kopf und die großen, von einem Schleier umrahmten Augen, der gekrümmte Schnabel und scharfe Krallen. Ihre Größe schwankt vom spatzengroßen Sperlingskauz bis zum Uhu mit einer Flügelspannweite von 150 Zentimetern. Alle Eulen jagen im Fluge ihre Beute, sei es am Boden, sei es in der Luft. Im Gegensatz zu den übrigen Vögeln sind die Augen nach vorne gerichtet, der Kopf ist nach jeder Seite um 270 Grad drehbar. Mit Ausnahme der Sumpfohreule bauen sie keine eigenen Nester, sondern legen ihre weißen Eier auf den nackten Boden in Baumhöhlen oder in verlassene Nester anderer Vögel.

Eulen sind in erster Linie Mäusefresser; aber auch Wiesel, Maulwürfe, Ratten, Vögel und Käfer stehen auf ihrer Speisekarte. Beim Jagen sitzen die Eulen, beobachten genau und stoßen dann lautlos auf die Beute herab, oder sie lassen sich beim Fliegen in niedriger Höhe auf ihre Opfer fallen. Das erbeutete Tier wird mit den kräftigen Zehen gepackt und mit den spitzigen, gebogenen Krallen erdolcht – und dann als Ganzes verschlungen. Rupfungen gibt es bei den Eulen nicht. Die unverdaulichen Reste werden nach einiger Zeit als Gewölle wieder emporgewürgt, es besteht aus Knochen, Haaren, Federn, Hornteilen und Chitin der Insekten.

Wenn die anderen Vögel schlafen, machen sich die Eulen auf die Nahrungssuche und verteidigen ihr Revier gegen Konkurrenten. Ebenso erfolgt im Schutz der Dunkelheit die Fütterung der Jungvögel und einmal im Jahr die Werbung der Eulenmännchen um die Weibchen. Uhus legen nur zwei bis drei Eier, kleine Eulenarten weitaus mehr. Gewöhnlich brüten nur die Weibchen, und zwar sobald das erste Ei gelegt ist, in dieser Zeit wird es vom Männchen versorgt. Die Brutzeit dauert vier bis fünf Wochen. Da die Eier in größeren Abständen gelegt wurden, schlüpfen auch die Jungen zu verschiedenen Zeiten aus. Wenn das letzte Ei aufbricht, kann das älteste Küken bereits zwei Wochen alt sein. Es liegt natürlich am entsprechenden Nahrungsangebot, ob die Eltern den Bedarf mehrerer Jungen decken können. In schlechten Zeiten beansprucht das älteste und stärkste Küken das gesamte Futter und die jüngeren Geschwister müssen sterben.

Nachtjäger wie die Eulen brauchen hervorragende Sinnesorgane. Das gilt vor allem für ihre Augen und ihre Ohren. Zwar können sie bei völliger Dunkelheit auch nichts sehen, aber der geringe Lichtschein der Sterne und des Mondes genügt ihnen, um sich im Flug zu orientieren und Beute zu finden. Ihre Sehfähigkeit übertrifft die des Menschen um das fünfzig- bis hundertfache. Durch die sehr große Hornhaut kann viel Licht auf die Netzhaut gelangen. Nachts ist die Iris der Eulen weit geöffnet, um viel Licht auf die Netzhaut zu bringen, tagsüber ist sie geschlossen, so dass nur durch eine winzige Öffnung Licht eindringen kann.

Auch der Gehörsinn der Eulen ist ganz hervorragend. Als eine Art Schalltrichter dient der spreizbare Federkranz, der als sogenannter Schleier ihre Augen umgibt und die Töne zu den Ohröffnungen weiterleitet. Durch Experimente hat man festgestellt, dass Waldkauz und Waldohreule sogar um zehn Mal leisere Töne als die Menschen hören können. Sie sind deshalb in der Lage, sogar bei absoluter Dunkelheit Mäuse und andere Kleintiere zielsicher zu fangen, vorausgesetzt dass die Beute sich durch Geräusche verrät, die beim Laufen über den Waldboden entstehen.

Bei der nächtlichen Lebensweise wäre es für die Eule schwer, Angehörige der gleichen Art einwandfrei zu erkennen. Die charakteristischen Körperumrisse machen das aber möglich. Diese arttypischen Silhouetten werden oft noch in ihrer Wirkung verstärkt durch eine Reihe kürzerer oder längerer Federbüschel (»Federohren«), die vom Kopf abstehen und als markante Erkennungszeichen dienen.

In der Volksmeinung sind Eulen meist mit negativen Vorzeichen verbunden. Wir empfinden Wesen, die erst in der Dunkelheit lebendig werden, als unheimlich und verdächtig, seien es Fledermäuse, Kröten oder Eulen. In Märchen und Sagen erscheinen sie als Unglücks- und Todesboten. In manchen Gegenden gab man ihnen den Namen Toten- oder Trauervogel, Leichenhuhn oder Klagemutter. Bei Schwerkranken, bei denen nachts gewacht wurde, erschien zuweilen ein Kauz am Fenster, angezogen durch das Licht, das ihm Insekten als Nahrung verhieß. Aber die Menschen verstanden sein Auftauchen als schlimmes Vorzeichen und deuteten seinen »Kiwitt«-Ruf als »Komm’ mit, komm’ mit!« In den Dramen Shakespeares wird der Ruf der Eule mehrfach als schlimmes Omen gedeutet. »Schon bei meiner Geburt hat eine Eule geschrien – welch ein böses Vorzeichen!« lässt der Dichter den unglücklichen König Heinrich VI. sagen.

Im Mittelalter erblickte man in den aufgestellten Federbüscheln des Uhus Hörner des Teufels, und schon seit der Antike verbreitete sich der Volksglaube, dass sich Hexen in Eulen verwandeln können, um den Menschen zu schaden. In den Märchen treten Hexen oft in Begleitung einer Eule auf, ebenso hat der Zauberer Merlin in der keltischen Artussage immer eine Eule als Begleiter.

Die schädliche Wirkung des Hexen- und Teufelsvogels suchte man seit alters her durch einen Gegenzauber zu entkräften, indem man eine tote Eule mit gespreizten Flügeln an Stalltüren und Scheunentore nagelte. Ausgestopfte Eulen sollten gegen Feuer und Blitz, gegen Verhexung und alles mögliche Unglück schützen. So wurde ein harmloser Vogel allein wegen seines ungewohnten Aussehens und seiner Lebensweise vom Menschen gebrandmarkt und geächtet – ein Beispiel dafür, wie wir unsere eigenen Ängste und Vorurteile auf Unschuldige übertragen.

JB



29/2002