Ruhpoldinger Bärenjagd 1822
Kgl. Revierförster Michael Reisberger erlegte vor 200 Jahren einen Braunbär






Vor 200 Jahren wurde in den Ruhpoldinger Salinenwaldungen ein Braunbär erlegt, obwohl seit Anfang des 19. Jahrhunderts Bären im Alpenraum fast ausgerottet waren.
Im Speiseplan dieser großen Allesfresser finden sich vielfach Pflanzen und Früchte, aber auch allerlei Wild und Fallwild. Für den Menschen galten Bär, Luchs undWolf als Nahrungskonkurrenten und gefährliche Bedrohung für sein Vieh, deshalb wurden sie zu allen Zeiten verfolgt und bejagt. So war im Isarwinkel der letzte Bär 1807 erlegt, in Tegernsee 1828 und in Grossarl im Pongau 1825.
Die verbliebenen Bären zogen sich zurück in dichte einsame Wälder, steile unzugängliche Felstäler und dunkle Schluchten. All dies bot das Ruhpoldinger Tal zur Genüge. Seit 1810 hielt sich wieder ein Bär um Ruhpolding auf und sorgte für Unruhe. Als er im Bereich der Schwarzachen vermutet wurde sollte er am 7.12.1822 gestellt und erlegt werden. Dass sich um diese Jahreszeit noch ein Bär zeigte, war ungewöhnlich – immerhin war bereits Dezember. Doch es herrschten noch warme Temperaturen und Schnee lag nur auf den höheren Berggipfeln.
Salinenforstmeister Joseph Dillis, in dessen Zuständigkeitsbereich diese Gegend fiel, hatte sich Forstpersonal der Reviere Ruhpolding und Zell für die Jagd ausgewählt. Mit diesen Männern war er gut bekannt, teilweise verwandt oder verschwägert. Dabei war auch sein jüngerer Bruder Cantius, Hofmaler und Hofkupferstecher. Er wohnte in München bei seinem älteren Bruder Johann Georg Dillis, dem berühmten Maler und königlichen Kunstberater. Ihn begleitete er oft auf dessen langen Reisen. Zur Erholung hielten sich die beiden immer wieder in Ruhpolding auf. Etliche Bilder zeugen davon. Aus dem Jahr 1792 eine wertvolle Ansicht der Salinenstadt Traunstein mit rauchender Saline, ein Blick auf das winterliche Ruhpolding 1823 oder eine Darstellung von Zell mit Saurüssel. Die Geschwister Dillis stammten aus einer seit Generationen geprägten Familie von Jägern und Förstern. So dürfte auch Cantius schon öfter bei Jagdgängen dabei und sicher im Umgang mit dem Jagdgewehr gewesen sein.
Weiters gehörten zum Jagdtrupp der kgl. Forstwart Josef Kirchmaier aus Siegsdorf, Sohn von Josephs Schwester AnnaMaria, ein Neffe des Forstmeisters, kgl. Revierförster Michael Reisberger aus Ruhpolding, Sohn von Josephs Schwester Theresia, ebenfalls ein Neffe des Forstmeisters sowie ein Helfer namens Raindl.
Michael Reisberger hatte für seine Dienststelle, das Forstamt Ruhpolding, einen gewissenhaften »Jagdrapport« erstellt, der nicht nur erhalten blieb, sondern auch mehrfach veröffentlicht wurde. Auf ihn wird in folgender Schilderung zurückgegriffen.
Die Jagd auf Großtiere erwies sich immer als gefährlich. Sicherer Verlass auf die üblichen Vorderladergewehre bestand nicht. Sie waren einschüssig, umständlich in der Handhabe und wetterabhängig. Feuchtigkeit und Wind konnten durchaus deren Gebrauch verhindern. Dann war es gut, wenn Spieße oder lange Hirschfänger zur Verfügung standen. Für die Forstmeister gehörten Hirschfänger sogar bis ins 20. Jahrhundert zum Bestandteil der Uniform.
In aller Früh begab sich die Jagdgesellschaft auf den Weg zur Schwarzachen. Kirchmaier und Raindl fungierten mit ihren Hunden als Treiber und jagten das Tier vom Danzinger Rücken Richtung Wirtskaser. Reisberger, Cantius und Joseph besetzten den Wechsel vom Wirtskaser bei den Wimven bis zur Lanzelecker Klause. Am höchsten Punkt stand der Forstmeister, auf dem rechten Flügel bei der Klause hatte Reisberger seinen Platz.
Hundegebell und Lärm stöberten den Bären auf. Er kam einen Graben herunter, Reisberger fasste allen Mut zusammen – visierte – und schoss. Nach kurzer Flucht hangaufwärts brach das Tier nach 60 Schritt bei einer großen Fichte tödlich zusammen. Alle Beteiligten waren froh, dass die gefährliche Jagd ein erfolgreiches Ende fand.
Nun musste der vier Zentner schwere Bär zu Tal gebracht werden. Josef Kirchmaier machte sich deshalb auf den Weg und besorgte zur Unterstützung sechs Soldaten, vermutlich der Bürgerwehr, und ein Fuhrwerk. Zunächst musste das Tier mühselig auf den Fußweg transportiert werden, das dürfte der Triftsteig entlang des Danzinger- und Hinteren Kraxenbachs gewesen sein. Dann wurde es auf einen Ziehschlitten umgeladen und bis zum Ramsler Kaser gezogen. Dort im Bereich der heutigen Schwarzachenalm konnte auf den zweispännigen Wagen umgeladen und entlang des nun breiteren Triftwegs bis zum Fritzen (heute Fritz am Sand) gefahren werden. Für den letzten Teil der Strecke stellte man einen wahren Festzug zusammen. Zuerst wurde der Wagen mit Tannenzweigen geschmückt und der Bär stehend aufgerichtet, dann ging es unter Musikbegleitung auf den weiten Weg durch den Ort bis zum Forstamt im Schloss. Die vier Musikanten führten den Zug an, gefolgt von Jägern, Treibern, Hunden und dem von zwei Pferden gezogenen Wagen mit dem erlegten Jagdwild. Jedermann konnte am Jagderfolg teilhaben und die mutige Tat der Jäger bewundern. Einen Eindruck dieses triumphalen Jagdeinzugs nach dem Bärenfang kann das später entstandene Gemälde Heinrich Bürkels vermitteln.
Andenken an die große Jagd beherbergt das Ruhpoldinger Heimatmuseum:
• Die circa 5 cm lange silbergefasste Bärenkralle, die wohl einige Zeit ein Charivari oder eine Uhrkette schmückte. Bei genauem Hinsehen erkennt man die Gravur »letzter Bär 7.12.1822«. Man war wohl der Ansicht, dass es sich um den letzten Bären im Königreich Bayern handelte. Eine Ansicht, die sich 1835 als falsch erwies.
• Eine naturnaheZeichnung des in Gras und Gebüsch liegenden, toten Tieres. Als Radierung wurde diese Darstellung vervielfältigt und mit folgendem Text versehen: »Der Land Baer – geschossen vom Königl. forstamt Ruhpolding d. 7. Dez. 1822 – von Michael Reisberger«. Sie trägt die Signatur »Reichl 1826«. Dieser Reichl dürfte der Grafiker gewesen sein, der das vorhandene Bild 1826 auf Platte übertrug und
• Das Foto des kgl. Revierförsters Michael Reisberger.
Reisberger
Michael ist als drittes der vier Kinder in Großhelfendorf, einem Ortsteil von Aying, am 29.9.1799 geboren. Sein Vater Domenikus hatte 1792 Therese Dillis geheiratet, eine ältere Schwester des Salinenförsters Joseph Dillis. Beide Familien waren seit Generationen Jäger und Förster. Möglicherweise waren die Gebrüder Dillis mit ihren Beziehungen zum Hof und zur regierenden Familie beim Weg in die berufliche Zukunft behilflich. Auf alle Fälle schlug Michael die familienübliche Laufbahn ein, kam zur Saline Traunstein in königlichen Dienst und wurde Revierförster in Ruhpolding. Gut zwei Jahrzehnte verbrachte er gemeinsam mit seinem Onkel Joseph im Salinendienst.
In Ruhpolding lernte er Maria Elisabeth (geboren 9.2.1806) kennen, Tochter des Bauernsohns Stephan Schmaus und der Maria Pichler vom Pichlerbauern. Das Paar heiratete am 14.1.1831 in Ruhpolding. Unter den Trauzeugen befand sich u. a. sein Schwager Wolfgang Anderl, kgl. Revierförster aus Hohenlinden.
Bald stellte sich mit Sohn Peter Nachwuchs ein. Bei der am gleichen Tag, dem 12.6.1832, erfolgten Taufe übernahm der Ruhpoldinger Wirt Peter Hornig die Patenschaft.
Nach weiteren drei Jahrenkamam 30.4.1835 Sohn Karl zur Welt, später kgl. Förster in Urschlau. Ein halbes Jahr nach dessen Geburt konnte Reisberger nochmals unter Führung von Joseph Dillis an einer erfolgreichen Bärenjagd teilnehmen. Abermals wurde im Gebiet der Schwarzachen ein letzter Bär in Bayerns freier Wildbahn erlegt.
Michael Reisberger gehörte ebenso wie Dillis der Ruhpoldinger Nationalgarde an. Als Oberleutnant übernahm er zusätzlich bei Bedarf die Stellvertretung seines Hauptmanns und gleichzeitigen Onkels Joseph.
Zeit seines Lebens war Oberförster Michael Reisberger ein treuer Staatsdiener, der sich durch Rechtschaffenheit und Fleiß auszeichnete. Dafür erhielt er gegen Ende seines Lebens die aus purem Gold gefertigte Ehrenmünze des König- Ludwig-Ordens für 50 Jahre treuen Staatsdienst.
Im Alter von 72 Jahren verstarb Reisberger am 27.10.1871 nach längerer Krankheit in Ruhpolding. Seine Ehefrau wohnte zuletzt im HausNr. 79½inBrand, das seit 1861 als Försterhaus der Saline Traunstein gehörte. Maria verstarb am 30.9.1879 in Ruhpolding.
Walter Staller
49/2022