Itakerhöfe, Bundwerkstadel und eine reizvolle Naturlandschaft
Die Waldsee der Hemhof-Eggstätter- Seenplatte

Itakerhof in Dirnsberg

Bundwerkstadel in Gachensolden.

Seerosen im Langbürgner See.
Im Norden des Chiemsees zwischen Eggstätt und Hemhof liegt eine Seenlandschaft von besonderem Reiz. Zusammen mit den Seen um den Klostersee von Seeon sind es etwa 30 kleine und kleinste Seen, die von Wiesen und bewaldeten Moränenhügeln umrahmt werden. Vielgliedrige Ufer dunkler Waldseen gehen in Moore über. Schattige Waldwege führen an grünen Wiesen entlang, die besonders im Frühjahr und Sommer von bunten Blütenteppichen bedeckt sind. Der Gegensatz ist auffällig: Am Chiemsee die unendlich groß erscheinende Wasserfläche und hier im Norden des Sees diese kleinräumige, geschlossene Landschaft mit ihren Seen, den Wäldern und den Moorwiesen.
Geologisch ist die Entstehung der Seenlandschft so zu erklären: In der Eiszeit schoben sich der Chiemsee- und der Inngletscher aus den Alpen nach Norden vor. Im Bereich der Hemhofer Seen stießen sie zusammen und hinterließen beim Abschmelzen Schuttmoränen, die noch heute die Landschaft prägen. In dem von den Gletschern mitgeführten Schuttgeröll waren gewaltige Eisblöcke eingeschlossen, die sich in den Boden eingruben und, vom Schutt überdeckt, allmählich schmolzen. So entstanden die geologisch als »Toteislöcher« bezeichneten Seen zwischen Hemhof und Eggstätt und um Seeon. Flache Seen sind später verlandet. So entstanden zwischen den Seen 13 Hochmoore. Abgestorbene Pflanzen konnte auf dem vom Toteis ausgeschobenem, wasserundurchlässigen Untergrund und in dem darauf angestauten Wasser nicht verrotten. Da sie zum nährenden Grundwasser keine Verbindung mehr hatten, mussten die Pflanzen ihre Nahrung aus der Luft beziehen. So ernährt sich der Sonnentau beispielsweise von Insekten, die er durch ein Sekret anlockt und aufweicht. Das Naturschutzgebiet der Hemhof-Eggstätter Seen wurde als eines der ersten in Bayern bereits 1939 ausgewiesen. 1985 wurde das Gebiet um den Seeoner See unter Naturschutz gestellt. Ein wirksamer Schutz der Flora und Fauna erschien aber nur möglich, wenn die beiden sechs Kilometer voneinander entfernten Gebiete gleichzeitig unter Naturschutz gestellt würden. Auch der zwischen den beiden Naturschutzgebieten gelegene Bereich musste als »Biotopbrücke« in den Schutzgedanken mit einbezogen werden. Es galt, die hier gelegenen Hochmoore zu schützen, bestehende Streuwiesen zu erhalten und die Landwirte in diesen Aufgabenberich mit einzubeziehen. Unter der Trägerschaft der Landkreise Traunstein und Rosenheim hat das bisher noch nicht abgeschlossene, staatlich und auf kommunaler Ebene geförderte Projekt zur Gestaltung des Biotopverbundes zwischen den beiden Naturschutzgebieten schon beachtliche Erfolge erkennen lassen. So wurde in diesem sensiblen Schutzebereich ein naturverträgliches Netz von Rad- und Wanderwegen angelegt, Badeplätze ausgewiesen und, wo es nötig war, die Landschaft auch vor den Menschen geschützt. Nur so ist eine Gewähr dafür gegeben, dass die Natur in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten bleibt.
Die Streuwiesen, die früher nur einmal im Jahr, im Herbst, gemäht wurden um Einstreu für das Vieh zu gewinnen, sind in der modernen Landwirtschaft in dieser Form nicht mehr nötig. Auf den im Seengebiet geschützten Streuwiesen gedeihen seltene Pflanzen, die besonders im Frühjahr eine außerordentlich bunte Blütenpracht entfalten. Die rosafarbene Mehlprimel und der tiefblau Schwalbenwurz-Enzian sind nur Beispiele für die der individuellen Entdeckung vorbehaltenen Artenvielfalt. In den Fließgewässern, die das Seenland durchziehen und die Seen teilweise miteinander verbinden, leben eingie vom Aussterben bedrohte Tierarten, wie die Bachmuschel und die als Spitzenfleck bekannte, seltene Libellenart. Im übrigen werden die meisten Seen durch Unterwasser-Quellen gespeist. Ein Quelltopf ist im Brunnensee zu sehen, der zu den Seeoner Seen gehört.
Jeder See und jedes Moor ist ein kleiner Lebensraum für sich. Der Wald scheint den Seen Platz gemacht zu haben. Nur wenige Wege berühren die Ufer, so dass dem Spaziergänger der Eindruck bleibt, Gast in einer beinahe unberührten Landschaft zu sein. Wenn in zeitiger Sommerfrühe die Nebel von den ersten Sonnenstrahlen sanft berührt werden, beginnt sich das Land mit Leben zu erfüllen. Das Konzert der Frösche am Wasser und am Ufer wird vom Gesang der Vögel im Wald ergänzt.
Ein Vorschlag für zwei Wanderungen: Vom Parkplatz am Nordufer des Langbürgner Sees zum Hartsee und nach Eggstätt. Weiter von der Ortsmitte Eggstätt, südlich des Rathauses auf einem Waldweg zum Hartsee und von hier aus wie am Hinweg über den Römerweg zum Langbürgner See zurück. Vom gleichen Parkplatz aus ist auch eine Umrundung des Langbürgner Sees möglich. Im Westen des Sees wandern wir auf der schmalen Fahrstraße durch den Wald. Auf mehreren Stichwegen ist von der Straße aus durch den Wald das Seeufer erreichbar. Am gegenüberliegenden Ufer führt vom Bauernhof oberhalb des Badegländes ein Wanderweg zurück zum See und damit zum Ausgangspunkt der Wanderung.
Ein Wegweiser am Südufer des Hartsees überrascht uns mit der Aufschrift »Römerstraße«. In Seebruck konnte durch Ausgrabungen eine römische Siedlung nachgewiesen werden. Das römische Bedaium lag als wehrhafte Festung an der Brücke über die Alz im Zuge der Römerstraße von Salzburg nach Augsburg. Offensichtlich war es vom Gelände her günstiger, die Straße über den tragfähigeren Untergrund im Wald nördlich des Sees zu führen. Römerstraßen waren mit Feldsteinen befestigt, die im Wald, wo der Boden nicht landwirtschaftlich genutzt wurde, noch erhalten sind. Der Wanderweg, der auch auf der Karte als »Römerstraße« bezeichnet ist, trifft nördlich von Natzing auf die nach Eggstätt führende Straße. An der Kreuzung mit der verkehrsreichen Straße von Bad Endorf nach Seebruck stehen zwei stattliche Bauernhöfe, die als Itakerhöfe einer näheren Betrachtung wert sind. Die Einheimischen haben diese Namen erfunden in Erinnerung an die italienische Herkunft der Bauleute, die im 19. Jahrhundert regelmäßig als Saisonarbeiter in den Chiemgau kamen. In ihrer Heimat, vorzüglich im Friaul, hatten sie beinahe künstlerische Fertigkeiten im Bauhandwerk entwickelt und waren an eine großzügige Formengebung gewohnt. Im Chiemgau konnten sich reiche Bauern, herrschaftliche Höfe leisten. Ihnen kamen die italienischen Bauleute gerade recht.
Die Itakerhöfe zeichnen sich durch eine Firstfront mit einer Vielzahl von Fenstern aus, die mehrere Geschossflächen im Hause vortäuschen. Die Fenster sind aber nicht auf einen großzügigen Wohnraum, sondern nur auf die Dekoration der Frontseite hin ausgerichtet. Im Deckengeschoß ist der Fußboden des riesigen Speichers auf der Höhe der Unterkante der Fensterreihe gelegen. Auch sonst sind Stall und Keller oft genug mit aufwändigen Kreuzgewölben verziert. Höfe mit rohen Ziegelwänden sind neben verputzten Itakerhöfen zu bewundern. Die Itakerhöfe sind so als kulturhistorisch beachtliche Zeugnisse für einen Bedeutung und Ansehen wahrenden Bauernstand zu betrachten. Höfe dieser Art stehen, wie bereits erwähnt, in Natzing, in Dirnsberg und in Alteiselfing. Der 1847 erbaute Möglhof in Rimsting ist einer der ältesten Itakerhöfe im Chiemgau.
In den Bundwerkstadeln finden sich weitere Zeugnisse eines auf seinen Besitz stolzen Bauernstandes. Im Bereich der Hemhof-Eggstätter Seenplatte sind in Gachensolden und Hemhof Bauerngehöfte mit hervorragend renoviertem Bundwerk zu bewundern. Bundwerk ist eine Zimmermannskunst, mit der Balken teilweise in Gitterform oder schräg über Kreuz verbunden, Front- oder Giebelseite bäuerlicher Wirtschaftsgebäude zieren. An den Vierseithöfen sind vorzüglich am Getreidestadel Bundwerkverzierungen, oft farbig mit Fabelwesen oder christlichen Symbolen zu finden. Hier verwahrte der Bauer das Saatgut, von dem seine Existenz abhing. Die Bundwerkstadeln entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, also in der gleichen Zeit, in der auch die Itakerhöfe gebaut wurden. So liegt es nahe, dass den reichen Bauern beide Zierformen gefielen. Ein Nachweis für die Herkunft des Bundwerks ist nicht zu finden. Nahe liegt die Vermutung, dass Zimmerer aus der Laune des Augenblicks eine gefällige Form für die Holzverschalung der Bauernhäuser suchten und fanden und dass das einmal gelungene Werk bald Nachahmer fand. Mit dem Bundwerk den Gedanken der Abwehr böser Mächte in Verbindung zu bringen, scheint auf dem ersten Blick etwas weit hergeholt. Allerdings könnten die oben auf dem Gebälk sitzenden Fabelwesen, Schlangen und Echsen, schon in diese Richtung deuten. Näher liegt es da schon, mit dem im romanischen Münster auf Frauenchiemsee gefundenen Flechtwerkstein eine, wenn auch nur gedanklich unterschwellige, Verbindung herzustellen. In der Tat war im frühen Mittelalter der Glaube lebendig, dass durch Flechtwerk böse Mächte besonders von heiligen Orten abgehalten werden könnten. Das Flechtwerk im Tympanon des Münsters von Frauenchiemsee ist in diesem Sinne zu deuten.
Auch wenn die Zimmerleute im 19. Jahrhundert vordergründig nicht daran dachten, so liegt doch die Vermutung nahe, dass der einmal vorgegebene Gedanke sich über die Zeiten erhalten haben könnte und vielleicht über die Schiene des Unbewussten die Handwerkskunst der Bundwerkstadel mit beeinflusst hat. Neben den bereits angesprochenen Bauernhäusern an der Hemhof-Eggstätter Seenplatte sind im Chiemgau noch einige, besonders reich verzierte Bundwerkstadel zu bewundern, zu denen auch der Stadel des Schmiedhuberhofes in Armutsham bei Trostberg gehört.
Wenn die Bauern mit den Bundwerkstadeln und den Itakerhöfen ihren Stolz zu demonstrieren wussten, so standen dem die Adelsherrn des Chiemgaus nicht nach. Der Chiemgau ist reich mit stattlichen Herrensitzen gesegnet, die schon aus strategischen Gründen meist auf Anhöhen gebaut wurden. Das trifft auch auf das auf einem schmalen Landstreifen zwischen dem Schloss- und dem Langbürgner See gelegenen Schloss Hartmannsberg zu. Das stattliche, in einem Park gelegene Schloss ist seit 1994 im Eigentum des Landkreises Rosenheim und wird als kulturelles Zentrum zu Ausstellungen und Konzerten genutzt.
Schloss Hartmannsberg hat eine reich bewegte Vergangenheit. Die schon erwähnte Römerstraße verlief über die Landzunge nahe dem Schloss und wurde wahrscheinlich hier durch eine befestigte Station bewacht. Urkundlich ist der Name »Hadamarsperch« überliefert, der mit dem Chiemgauer Adelsgeschlecht der Hadamar und einer Fluchtburg zur Zeit der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert in Verbindung zu bringen ist. Um 1150 ging der Burgstall in den Besitz der Grafen von Falkenstein über. Um 1160 wird in der Burg eine Jakobskapelle geweiht. Der Jakobspilgerweg nach Santiago de Compostella berührte den Chiemgau an einigen Orten. In Rabenden und in Urschalling sind Kirchen dem Schutzheiligen der Jakobspilger geweiht. Die Kapelle im Schloss Hartmannsberg liegt auf diesem Weg gerade zwischen den beiden Orten.
Im übrigen waren die Falkensteiner ein mächtiges Grafengeschlecht, dessen Grafschaft sich vom nördlichen Chiemgau bis weit ins Tirolische hinein erstreckte. Auch die zu Urschalling gehörende Wehrburg stand in ihrem Besitz. 1244 wurden die Falkensteiner mit den Wittelsbachern in eine kriegerischen Auseinandersetzung verwickelt. Dabei verlor Siboto VI., der letzte Falkensteiner, den Kampf und sein Leben. Die Wittelsbacher eroberten und zerstörten die Burg. Die Jakobskapelle wurde kurz darauf von den Wittelsbachern an alten Standort wieder aufgebaut. 1394 kam Hartmannsberg in den Lehensbesitz des im Mittelalter mächtigen Geschlechts der Pinzenauer, die das im Dreißigjährigen Krieg weitgehend zerstörte Schloss wieder aufbauten. Bis 1766 verblieb Hartmannsberg im Besitz der Pinzenauer. Danach ging das Schloss in private Hände über. Künstler nutzten es als Atelier, bis es 1957 von Carl Schäfer übernommen wurde und zur Aufbewahrung und zur Ausstellung der berühmten »Schäfer-Sammlung« mit Bildern des Leibl-Kreises und der Münchner Schule genutzt wurde.
Durch die Straße Bad Endorf-Seebruck getrennt, grenzt an den Schlosssee der Langbürgner See, in dessen Mitte eine mit Laubwald bewachsene Insel gelegen ist. Der Name des Sees deutet auf eine Burg hin, von der sich aber weder in den heimischen Sagen noch in historischen Quellen Spuren erhalten haben. Die Inseln im Chiemsee und im See von Kloster Seeon sind Beispiele dafür, dass Klöster die Sicherheit der Insellage zu schätzen wussten. So ist es naheliegend, auch auf der Insel im Langbürgner See einen mittelalterlichen Herrensitz oder eine klösterliche Niederlassung zu vermuten.
So bietet das Land um die Waldseen zwischen Hemhof und Eggstätt nicht nur ein Naturschutzgebiet mit einem beachtlichen Bestand seltener Pflanzen und einem Rückzugsgebiet geschützter Vogelarten. Dem Wanderer erschließt sich auch am Rande der Wege eine Reihe kultur- und kunstgeschichtlich interessanter Kostbarkeiten, die eine Wanderung zum Erlebnis werden lassen.
Anmerkung: Die Daten zur Geschichte von Schloss Hartmannsberg sind einem Aufsatz ohne Angabe des Verfassers im Bayerischen Sparkassenkalender 2002 entnommen. Quelle: DuMont Reiseführer »Der Chiemgau«
DD
21/2005
Geologisch ist die Entstehung der Seenlandschft so zu erklären: In der Eiszeit schoben sich der Chiemsee- und der Inngletscher aus den Alpen nach Norden vor. Im Bereich der Hemhofer Seen stießen sie zusammen und hinterließen beim Abschmelzen Schuttmoränen, die noch heute die Landschaft prägen. In dem von den Gletschern mitgeführten Schuttgeröll waren gewaltige Eisblöcke eingeschlossen, die sich in den Boden eingruben und, vom Schutt überdeckt, allmählich schmolzen. So entstanden die geologisch als »Toteislöcher« bezeichneten Seen zwischen Hemhof und Eggstätt und um Seeon. Flache Seen sind später verlandet. So entstanden zwischen den Seen 13 Hochmoore. Abgestorbene Pflanzen konnte auf dem vom Toteis ausgeschobenem, wasserundurchlässigen Untergrund und in dem darauf angestauten Wasser nicht verrotten. Da sie zum nährenden Grundwasser keine Verbindung mehr hatten, mussten die Pflanzen ihre Nahrung aus der Luft beziehen. So ernährt sich der Sonnentau beispielsweise von Insekten, die er durch ein Sekret anlockt und aufweicht. Das Naturschutzgebiet der Hemhof-Eggstätter Seen wurde als eines der ersten in Bayern bereits 1939 ausgewiesen. 1985 wurde das Gebiet um den Seeoner See unter Naturschutz gestellt. Ein wirksamer Schutz der Flora und Fauna erschien aber nur möglich, wenn die beiden sechs Kilometer voneinander entfernten Gebiete gleichzeitig unter Naturschutz gestellt würden. Auch der zwischen den beiden Naturschutzgebieten gelegene Bereich musste als »Biotopbrücke« in den Schutzgedanken mit einbezogen werden. Es galt, die hier gelegenen Hochmoore zu schützen, bestehende Streuwiesen zu erhalten und die Landwirte in diesen Aufgabenberich mit einzubeziehen. Unter der Trägerschaft der Landkreise Traunstein und Rosenheim hat das bisher noch nicht abgeschlossene, staatlich und auf kommunaler Ebene geförderte Projekt zur Gestaltung des Biotopverbundes zwischen den beiden Naturschutzgebieten schon beachtliche Erfolge erkennen lassen. So wurde in diesem sensiblen Schutzebereich ein naturverträgliches Netz von Rad- und Wanderwegen angelegt, Badeplätze ausgewiesen und, wo es nötig war, die Landschaft auch vor den Menschen geschützt. Nur so ist eine Gewähr dafür gegeben, dass die Natur in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten bleibt.
Die Streuwiesen, die früher nur einmal im Jahr, im Herbst, gemäht wurden um Einstreu für das Vieh zu gewinnen, sind in der modernen Landwirtschaft in dieser Form nicht mehr nötig. Auf den im Seengebiet geschützten Streuwiesen gedeihen seltene Pflanzen, die besonders im Frühjahr eine außerordentlich bunte Blütenpracht entfalten. Die rosafarbene Mehlprimel und der tiefblau Schwalbenwurz-Enzian sind nur Beispiele für die der individuellen Entdeckung vorbehaltenen Artenvielfalt. In den Fließgewässern, die das Seenland durchziehen und die Seen teilweise miteinander verbinden, leben eingie vom Aussterben bedrohte Tierarten, wie die Bachmuschel und die als Spitzenfleck bekannte, seltene Libellenart. Im übrigen werden die meisten Seen durch Unterwasser-Quellen gespeist. Ein Quelltopf ist im Brunnensee zu sehen, der zu den Seeoner Seen gehört.
Jeder See und jedes Moor ist ein kleiner Lebensraum für sich. Der Wald scheint den Seen Platz gemacht zu haben. Nur wenige Wege berühren die Ufer, so dass dem Spaziergänger der Eindruck bleibt, Gast in einer beinahe unberührten Landschaft zu sein. Wenn in zeitiger Sommerfrühe die Nebel von den ersten Sonnenstrahlen sanft berührt werden, beginnt sich das Land mit Leben zu erfüllen. Das Konzert der Frösche am Wasser und am Ufer wird vom Gesang der Vögel im Wald ergänzt.
Ein Vorschlag für zwei Wanderungen: Vom Parkplatz am Nordufer des Langbürgner Sees zum Hartsee und nach Eggstätt. Weiter von der Ortsmitte Eggstätt, südlich des Rathauses auf einem Waldweg zum Hartsee und von hier aus wie am Hinweg über den Römerweg zum Langbürgner See zurück. Vom gleichen Parkplatz aus ist auch eine Umrundung des Langbürgner Sees möglich. Im Westen des Sees wandern wir auf der schmalen Fahrstraße durch den Wald. Auf mehreren Stichwegen ist von der Straße aus durch den Wald das Seeufer erreichbar. Am gegenüberliegenden Ufer führt vom Bauernhof oberhalb des Badegländes ein Wanderweg zurück zum See und damit zum Ausgangspunkt der Wanderung.
Ein Wegweiser am Südufer des Hartsees überrascht uns mit der Aufschrift »Römerstraße«. In Seebruck konnte durch Ausgrabungen eine römische Siedlung nachgewiesen werden. Das römische Bedaium lag als wehrhafte Festung an der Brücke über die Alz im Zuge der Römerstraße von Salzburg nach Augsburg. Offensichtlich war es vom Gelände her günstiger, die Straße über den tragfähigeren Untergrund im Wald nördlich des Sees zu führen. Römerstraßen waren mit Feldsteinen befestigt, die im Wald, wo der Boden nicht landwirtschaftlich genutzt wurde, noch erhalten sind. Der Wanderweg, der auch auf der Karte als »Römerstraße« bezeichnet ist, trifft nördlich von Natzing auf die nach Eggstätt führende Straße. An der Kreuzung mit der verkehrsreichen Straße von Bad Endorf nach Seebruck stehen zwei stattliche Bauernhöfe, die als Itakerhöfe einer näheren Betrachtung wert sind. Die Einheimischen haben diese Namen erfunden in Erinnerung an die italienische Herkunft der Bauleute, die im 19. Jahrhundert regelmäßig als Saisonarbeiter in den Chiemgau kamen. In ihrer Heimat, vorzüglich im Friaul, hatten sie beinahe künstlerische Fertigkeiten im Bauhandwerk entwickelt und waren an eine großzügige Formengebung gewohnt. Im Chiemgau konnten sich reiche Bauern, herrschaftliche Höfe leisten. Ihnen kamen die italienischen Bauleute gerade recht.
Die Itakerhöfe zeichnen sich durch eine Firstfront mit einer Vielzahl von Fenstern aus, die mehrere Geschossflächen im Hause vortäuschen. Die Fenster sind aber nicht auf einen großzügigen Wohnraum, sondern nur auf die Dekoration der Frontseite hin ausgerichtet. Im Deckengeschoß ist der Fußboden des riesigen Speichers auf der Höhe der Unterkante der Fensterreihe gelegen. Auch sonst sind Stall und Keller oft genug mit aufwändigen Kreuzgewölben verziert. Höfe mit rohen Ziegelwänden sind neben verputzten Itakerhöfen zu bewundern. Die Itakerhöfe sind so als kulturhistorisch beachtliche Zeugnisse für einen Bedeutung und Ansehen wahrenden Bauernstand zu betrachten. Höfe dieser Art stehen, wie bereits erwähnt, in Natzing, in Dirnsberg und in Alteiselfing. Der 1847 erbaute Möglhof in Rimsting ist einer der ältesten Itakerhöfe im Chiemgau.
In den Bundwerkstadeln finden sich weitere Zeugnisse eines auf seinen Besitz stolzen Bauernstandes. Im Bereich der Hemhof-Eggstätter Seenplatte sind in Gachensolden und Hemhof Bauerngehöfte mit hervorragend renoviertem Bundwerk zu bewundern. Bundwerk ist eine Zimmermannskunst, mit der Balken teilweise in Gitterform oder schräg über Kreuz verbunden, Front- oder Giebelseite bäuerlicher Wirtschaftsgebäude zieren. An den Vierseithöfen sind vorzüglich am Getreidestadel Bundwerkverzierungen, oft farbig mit Fabelwesen oder christlichen Symbolen zu finden. Hier verwahrte der Bauer das Saatgut, von dem seine Existenz abhing. Die Bundwerkstadeln entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, also in der gleichen Zeit, in der auch die Itakerhöfe gebaut wurden. So liegt es nahe, dass den reichen Bauern beide Zierformen gefielen. Ein Nachweis für die Herkunft des Bundwerks ist nicht zu finden. Nahe liegt die Vermutung, dass Zimmerer aus der Laune des Augenblicks eine gefällige Form für die Holzverschalung der Bauernhäuser suchten und fanden und dass das einmal gelungene Werk bald Nachahmer fand. Mit dem Bundwerk den Gedanken der Abwehr böser Mächte in Verbindung zu bringen, scheint auf dem ersten Blick etwas weit hergeholt. Allerdings könnten die oben auf dem Gebälk sitzenden Fabelwesen, Schlangen und Echsen, schon in diese Richtung deuten. Näher liegt es da schon, mit dem im romanischen Münster auf Frauenchiemsee gefundenen Flechtwerkstein eine, wenn auch nur gedanklich unterschwellige, Verbindung herzustellen. In der Tat war im frühen Mittelalter der Glaube lebendig, dass durch Flechtwerk böse Mächte besonders von heiligen Orten abgehalten werden könnten. Das Flechtwerk im Tympanon des Münsters von Frauenchiemsee ist in diesem Sinne zu deuten.
Auch wenn die Zimmerleute im 19. Jahrhundert vordergründig nicht daran dachten, so liegt doch die Vermutung nahe, dass der einmal vorgegebene Gedanke sich über die Zeiten erhalten haben könnte und vielleicht über die Schiene des Unbewussten die Handwerkskunst der Bundwerkstadel mit beeinflusst hat. Neben den bereits angesprochenen Bauernhäusern an der Hemhof-Eggstätter Seenplatte sind im Chiemgau noch einige, besonders reich verzierte Bundwerkstadel zu bewundern, zu denen auch der Stadel des Schmiedhuberhofes in Armutsham bei Trostberg gehört.
Wenn die Bauern mit den Bundwerkstadeln und den Itakerhöfen ihren Stolz zu demonstrieren wussten, so standen dem die Adelsherrn des Chiemgaus nicht nach. Der Chiemgau ist reich mit stattlichen Herrensitzen gesegnet, die schon aus strategischen Gründen meist auf Anhöhen gebaut wurden. Das trifft auch auf das auf einem schmalen Landstreifen zwischen dem Schloss- und dem Langbürgner See gelegenen Schloss Hartmannsberg zu. Das stattliche, in einem Park gelegene Schloss ist seit 1994 im Eigentum des Landkreises Rosenheim und wird als kulturelles Zentrum zu Ausstellungen und Konzerten genutzt.
Schloss Hartmannsberg hat eine reich bewegte Vergangenheit. Die schon erwähnte Römerstraße verlief über die Landzunge nahe dem Schloss und wurde wahrscheinlich hier durch eine befestigte Station bewacht. Urkundlich ist der Name »Hadamarsperch« überliefert, der mit dem Chiemgauer Adelsgeschlecht der Hadamar und einer Fluchtburg zur Zeit der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert in Verbindung zu bringen ist. Um 1150 ging der Burgstall in den Besitz der Grafen von Falkenstein über. Um 1160 wird in der Burg eine Jakobskapelle geweiht. Der Jakobspilgerweg nach Santiago de Compostella berührte den Chiemgau an einigen Orten. In Rabenden und in Urschalling sind Kirchen dem Schutzheiligen der Jakobspilger geweiht. Die Kapelle im Schloss Hartmannsberg liegt auf diesem Weg gerade zwischen den beiden Orten.
Im übrigen waren die Falkensteiner ein mächtiges Grafengeschlecht, dessen Grafschaft sich vom nördlichen Chiemgau bis weit ins Tirolische hinein erstreckte. Auch die zu Urschalling gehörende Wehrburg stand in ihrem Besitz. 1244 wurden die Falkensteiner mit den Wittelsbachern in eine kriegerischen Auseinandersetzung verwickelt. Dabei verlor Siboto VI., der letzte Falkensteiner, den Kampf und sein Leben. Die Wittelsbacher eroberten und zerstörten die Burg. Die Jakobskapelle wurde kurz darauf von den Wittelsbachern an alten Standort wieder aufgebaut. 1394 kam Hartmannsberg in den Lehensbesitz des im Mittelalter mächtigen Geschlechts der Pinzenauer, die das im Dreißigjährigen Krieg weitgehend zerstörte Schloss wieder aufbauten. Bis 1766 verblieb Hartmannsberg im Besitz der Pinzenauer. Danach ging das Schloss in private Hände über. Künstler nutzten es als Atelier, bis es 1957 von Carl Schäfer übernommen wurde und zur Aufbewahrung und zur Ausstellung der berühmten »Schäfer-Sammlung« mit Bildern des Leibl-Kreises und der Münchner Schule genutzt wurde.
Durch die Straße Bad Endorf-Seebruck getrennt, grenzt an den Schlosssee der Langbürgner See, in dessen Mitte eine mit Laubwald bewachsene Insel gelegen ist. Der Name des Sees deutet auf eine Burg hin, von der sich aber weder in den heimischen Sagen noch in historischen Quellen Spuren erhalten haben. Die Inseln im Chiemsee und im See von Kloster Seeon sind Beispiele dafür, dass Klöster die Sicherheit der Insellage zu schätzen wussten. So ist es naheliegend, auch auf der Insel im Langbürgner See einen mittelalterlichen Herrensitz oder eine klösterliche Niederlassung zu vermuten.
So bietet das Land um die Waldseen zwischen Hemhof und Eggstätt nicht nur ein Naturschutzgebiet mit einem beachtlichen Bestand seltener Pflanzen und einem Rückzugsgebiet geschützter Vogelarten. Dem Wanderer erschließt sich auch am Rande der Wege eine Reihe kultur- und kunstgeschichtlich interessanter Kostbarkeiten, die eine Wanderung zum Erlebnis werden lassen.
Anmerkung: Die Daten zur Geschichte von Schloss Hartmannsberg sind einem Aufsatz ohne Angabe des Verfassers im Bayerischen Sparkassenkalender 2002 entnommen. Quelle: DuMont Reiseführer »Der Chiemgau«
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21/2005