Die Zucht von Pinzgauern und Arabern in Grassau
Pferdezucht hatte im Achental schon immer einen hohen Stellenwert











Die große Bedeutung der Pferde in der Landwirtschaft zeigten die traditionellen Leonhardi-Ritte in Rottau und Grassau, über welche am 10. November 1928 die Achentaler Nachrichten berichteten:
»Rottau. Gut eingebürgert hat sich hier der Leonhardiritt, der heuer zum fünften Male mit der betenden Gemeinde zur Sägerkapelle an der Hauptstraße beim Gasthaus Hütter sich bewegte. Hochw. Expositus Sturm erteilte 37 Pferden die Benediktion.
Weiher bei Grassau. 82 Pferde hat man zum altherkömmlichen Leonhardisegen an die bescheidene Leonhardskapelle gebracht, welche Votivtafeln bis 1655 aufweist. Ein Gottesdienst in Mietenkam ging der Benediktion voraus.«
Wie wichtig die Pferde auch im täglichen Leben waren, zeigte der kurze Bericht vom 19. Januar 1929:
»Grassau. Wer heute noch nicht 20 Jahre alt ist, konnte gestern etwas neues sehen. Der außerordentliche Schneefall machte die Freimachung der Straßen notwendig, was mit 8 Pferden bespannten Schneepflug geschah. Ein imposanter Eindruck unter den tanzenden Schneeflocken dieses Gespann dem die Schneemassen weichen musste. Ein Winterbild, das wir schon lange nicht mehr gesehen.«
Insbesondere die Zucht von Pinzgauern oder Norikern wurde über viele Jahrzehnte intensiv betrieben. Diese auch als Süddeutsches Kaltblut bezeichnete Rasse zeichnete sich durch tonnenförmigen Rumpf, stabile Beine mit großen Gelenken, steiler Schulter, breiter tiefer Brust, leichtem Kopf mit mittelgroßen Augen und mit großen Nüstern, runder gespaltener Kruppe mit dichtem gewellten Langhaar aus. Die Charaktereigenschaften – zuverlässig, intelligent, freundlich, ausgeglichen, robust und trittsicher – zeigen deutlich, wie ideal diese Rasse für die Ansprüche in der Forst- und Landwirtschaft geeignet waren.
Der Name Noriker deutet lediglich auf das Verbreitungsgebiet der Pferderasse im Alpenraum hin, aber nicht auf eine römische Zucht. Noricum war ein keltisches Königreich und später eine nördliche Provinz des römischen Reiches, welche das Gebiet des heutigen Österreichs, Sloweniens und Teilen von Bayern, insbesondere des Chiemgaus, umfasste.
Die Bezeichnung Pinzgauer oder Pinzger leitet sich aus einer der Zuchtlinien der Noriker ab, der Vulkan-Linie, welche mit dem Hengst Vulkan 1887 im Pinzgau begründet wurde.
Die züchterischen Erfolge der Pferdefreunde aus dem Achental zeigten sich besonders bei den Prämierungen, bei denen immer wieder Landwirte aus Grassau und Mietenkam für ihre Zuchtleistungen ausgezeichnet wurden. Die Wertschätzung der Zucht zeigte aber auch die Vielfalt der Veranstaltungen. Grassau bot sich dabei als Veranstaltungsort an, da einerseits die verschiedenen Viehmärkte am Ort regelmäßig stattfanden, sowohl der Michaeli- und Georgimarkt, aber auch der Faschings- und Adventsmarkt. Dabei wurde neben den Rindern immer auch eine größere Zahl an Pferden aufgetrieben. Dazu hatte die schon 1897 gegründete Pferdezuchtgenossenschaft Traunstein bereits im Jahre 1911 mit Unterstützung des bayrischen Staates die Hefteralm oberhalb von Grassau zur Aufzucht von Jungpferden (Stuten sowie Junghengste) erworben. Zusammen mit einigen umliegenden Pferdezuchtgenossenschaften widmete sich der Verband insbesondere der Zucht des Pinzgauer (Norischen) Pferdes.
Am 20. April 1929 fand eine zentrale Veranstaltung der Genossenschaft statt, von der die Achentaler Zeitung am 24. April berichtete:
»Grassau. Am Samstag, den 20. April fand im Gasthaus Sperrer in Grassau eine Versammlung der Pferdezuchtgenossenschaft Traunstein statt. Obwohl die Vorstandschaft den Züchtern gerade in der Weise entgegenkommen wollte, daß die Versammlung in den Mittelpunkt des Zuchtgebietes gelegt wurde, zeigte sich dafür durch die geringe Beteiligung herzhaft wenig Verständnis. Vertreten waren nur die Orte Grassau, Egerndach, Rottau und Bergen und doch wären die Verhandlungspunkte wichtig genug gewesen für die gesamte pferdezuchttreibende Bevölkerung. Die Ausrede, daß die Zeit für landwirtschaftliche Arbeiten sehr drängend und günstig war, kann hier nicht gelten, wenn es sich nur um 3-4 Stunden Versäumnis handelt, keine weiten Fahrten in Frage kommen und doch gerade die brennendsten Fragen in einem Haupterwerbszweig zur Aussprache kommen. Die Vorstandschaft, vertreten durch Herrn Bezirkstierarzt Dr. Pschorr und Herrn Pferdezuchtdir. Dr. Hofmann eröffnete die Versammlung mit der Entschuldigung des Fernbleibens des Vorstandes Herrn Oberregierungsrat Ufer wegen Unpäßlichkeit und mit der Begrüßung des Herrn Landstallmeisters Groll, der auf einer Durchfahrt der Versammlung beiwohnte. Hierauf folgte Rechnungsablage der Genossenschaft und der Hefteralm, die beide mit einem guten Überschuß abschlossen. Nun folgte das Thema: Maßnahmen für einen günstigen Fohlenabsatz, erläutert in vorzüglichen und ausgiebigen Ausführungen der drei Sachverständigen. Insbesondere versprach Herr Landesstallmeister Groll den Absatz zu fördern durch Vorstellungen bei der Staatsregierung, die Käufer in der Weise zu unterstützen, daß sie das Kaufkapital für Pinzgauer Fohlen zu verbilligten Zinssätzen und gegen ratenweise Rückzahlung als Vorschuß ausgehändigt bekämen. Man ersieht daraus, daß der Staat in jeder Weise die Zuchtbestrebungen zu fördern geneigt ist, jedoch gehört dazu auch selbstverständlich der gute Wille der Züchter, von dem unter anderem auch auf das Dringendste gefordert werden muß, daß er Reklame macht für seine Zuchtprodukte. Diese kann aber auf das Wirksamste gefördert werden, wenn alle, auch die besten und frühesten Fohlen auf den ersten Fohlenmarkt am 2. Juli in Übersee aufgetrieben werden. Dieser Markt soll die Heerschau für die Pinzgauer Fohlenzucht darstellen, dort sollen die Fohlen mit ihren Müttern alle zur Schau und zum Verkauf kommen, dorthin werden alle Interessenten gebracht werden, dort soll die Zuchtfohlenprämierung und die Körung der Mutterstuten abgehalten werden, dort wird auch das Landgestüt seinen Bedarf an erstklassigen Fohlen decken. Bei einem solchen Anreiz darf kein Züchter mit seinem Fohlen fehlen jeder muß seinen Ehrgeiz dareinsetzen, die Zucht durch diese schönste Art der Anpreisung zu heben. Also Pferdezüchter, seid in diesem Punkt einig, wahrt eure eigensten Interessen, verkauft nicht die guten Fohlen vorher, wartet auf gesteigerte Nachfrage und gebt durch euer Erscheinen ein vollständiges Bild der Pinzgauer Pferdezucht am 2. Juli. Die Tiere sollen aber auch nach den Ausführungen des Herrn Dir. Dr. Hofmann in einem Gewand erscheinen, daß sie volle Ehre einlegen für die Zucht. Gewiß müssen unsere Muttertiere neben der Zucht auch noch schwere Arbeit leisten, dafür gebührt ihnen aber auch eine entsprechende Kraftfutterzulage und mit einer Mischung aus zwei Drittel Erdnußkuchenmehl und ein Drittel Leinsamenmehl werden bei einer Auslage von ca. 20 Mark Wunder gewirkt im Aussehen der Stuten, wie namentlich im Aussehen der Fohlen, die durch diese Art der Fütterung reichlich Milch bekommen. Aber auch äußerlich in der Haar- und namentlich in der Hufpflege darf noch manches geschehen, um bei einem derartigen Propagandamarkt würdig neben anderen Zuchten bestehen zu können. Herr Landstallmeister Groll kündigte dann auch noch eine Ermäßigung der Deckgelder für Genossenschaftsmitglieder mit eingetragenen Stuten an, wieder ein Beweis, daß sich der Beitritt zur Genossenschaft wohl lohnt, die in jeder Form und mit allen Mitteln die Zucht zu heben bestrebt ist. Nach fast drei stündlicher Dauer der Ausführungen wurde die Versammlung, die trotz ihres geringen Besuches durch eine seltene Übereinstimmung sich auszeichnete, nach Vorführung der Staatshengste, welche noch einen vielversprechenden Ausblick für die Zukunft der Zucht gaben, geschlossen, mit dem Wunsch, daß die Züchter alle bei der Tagung gemachten Vorschläge, insbesondere den Fohlenmarkt betreffend, erfüllen möchten zum Gedeihen und zum Segen für die Pinzgauer Fohlenzucht.«
Zeugnis von den züchterischen Leistungen gaben auch die regelmäßigen Veranstaltungen am Kirchweihtag. Dies zeigt deutlich ein Bericht der Achentaler Nachrichten vom 22. Oktober 1930:
»Grassau. Die Kirchweihtage sind in Grassau durchweg nicht nur der Erholung und dem Vergnügen gewidmet, sondern alle 2 Jahre ist am Kirchweihmontag hier ein Überblick über einen der wichtigsten, landwirtschaftlichen Erwerbszweige geboten in Form der Staatspreiseverteilung des Landgestüts. … Die Züchter stellten ihr bestes Material zur Schau, die Gemeinden und staatlichen Körperschaften unterstützten die Schau durch namhafte Geld- und Ehrenpreise. ...
Unser Achental bildet den Hauptsitz der bayerischen Pinzgauer Pferdezucht und darum ist die Landesgestütspreisverteilung, die einen Überblick über die Erfolge und Fortschritte der Zucht geben und ein Ansporn zu erhöhtem Zuchtbetrieb sein soll, ein Ereignis: Nun wird gar mancher erstaunt gewesen sein über die geringe Zahl der Tiere, die zur Vorführung kam. War man doch von früheren Jahren her gewöhnt, 50 bis 60 Pferde im Bewerbungskampfe stehen zu sehen. Doch gleich erklärlich wird diese Reduzierung, wenn man erfährt, dass die ganze pinzgauer Zucht durch allerstrengste Bedingungen auf ein viel höheres, züchterisches Niveau wie bisher gestellt werden soll. Bisher wurde auf die Abstammung von der mütterlichen Seite nicht allzu viel Gewicht gelegt, wenn nur die Mutterstute in Formen und Gebäude dem pinzgauer Schlag entsprach. Ab heuer gelangten nur Tiere zur Prämierung, deren pinzgauer Blut väterlicher- wie mütterlicherseits einwandfrei belegt werden konnte. Durch diese Forderung soll der pinzgauer Typ gefestigt und jede Abweichung von ihm unterbunden werden, freilich lässt sie sich nicht in einem oder zwei Jahren durchführen und verallgemeinern. Darum ist es um so höher anzuschlagen, wenn heuer schon 38 hochgezüchtete Tiere zur Prämierung kamen. ...
Immerhin bot die Schau einen nicht gerade ungünstigen Ausblick auf die pinzger Zucht, die eine der wertvollsten Richtungen in der Landespferdezucht darstellt, weil sie dasjenige Pferd produziert, das nie durch Motoren ersetzt werden kann. Mögen die Züchter stets eingedenk sein, dass ihnen dadurch nie eine Konkurrenz erwachsen, dass das Verbreitungsgebiet des Pinzgauers immer mehr zunehmen wird. Dieser Gedanke möge die Züchter bewegen, die Anforderungen, die an eine gute Zuchtrichtung gestellt werden müssen, freudig zu erfüllen, zum Wohle ihrer Zucht, zu ihrem eigenen Nutzen.«
Nach dem zweiten Weltkrieg ging durch die zunehmende Motorisierung der Pferdebestand im Achental deutlich zurück. Die Pferdezuchtgenossenschaft Traunstein erreichte hingegen in dieser Zeit 1949 den Höhepunkt an Mitgliedern sowie an eingetragenen Stuten.
Durch den steigenden Einsatz im Sport- und Freizeitbereich hat der Pinzgauer oder Noriker in den letzten Jahren wieder neu an Bedeutung gewonnen und ist dank der ländlichen Reitergruppen nicht ausgestorben. Heute erfreut sich diese starke Rasse gerade bei Brauchtumsveranstaltungen und im Reit- und Fahrsport größter Beliebtheit.
Bei dem jährlichen Leonhardiritt von Grassau nach Weiher oder auch bei den Trachtenfesten kann man den ansehnlichen Pferdebestand in Grassau und den angrenzenden Gemeinden immer noch bewundern.
Arabergestüt Achental in Grassau Ausgangspunkt der Araberzucht in Deutschland
Im Jahre 1932 wurde das Bauernanwesen 85 ½ im Grassauer Ortsteil Brandstätt an Frau Martha Bretzfeld, der Ehefrau des Kommerzienrats Bretzfeld aus München, verkauft. Sie übergab den Hof mit dem gut erhaltenen 1874 erneuerten Wohnhaus an ihre Tochter Gertraude. Diese war mit dem Porzellanfabrikanten J. Griesbach in Cortendorf Kreis Coburg verheiratet. So zog sie auch nach Grassau um und baute dort neben der Achental- Keramik auch ein Gestüt auf, das noch heute in Fachkreisen als Arabergestüt Achental als Ausgangspunkt der privaten Araberzucht in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg anerkannt ist.
Gertraude Griesbach war eine passionierte Reiterin und 'Pferdenärrin', deren ganzes Streben darin bestand, in dem alten Hof eine Pferdezucht aufzubauen. Die Betriebsgebäude bestanden aus einem großen hölzernen Schuppen und einem langgestreckten steinernen ehemaligen Werkstattgebäude. Die Werkstatt hatte die erforderliche Raumhöhe und auch große Fenster und eignete sich deshalb für die Verwendung als Pferdestall.
Im Jahre 1943, mitten im Krieg, begann Gertraude Griesbach mit einigen Araberstuten den Aufbau einer Araberzucht im Achental, denn den Königen der Pferde, den Vollblutarabern, galt ihre ganze Liebe. Die Stuten waren in den Kriegswirren aus ihrer ungarischen Heimat Bibeln nach Westen geraten und standen nun auf den hofnahen Wiesen in Brandstätt nördlich von Grassau.
Kurz nach Kriegsende bescherte ihr eine leidenschaftliche Freundin der Araberzucht, Frau Liselotte Tarakus, einen 1943 geborenen Zuchthengst aus edelstem Geblüt, den diese zufällig in einem Zirkus entdeckt hatte, und der von dem exquisiten Kenner arabischer Vollblutpferde, Landstallmeister Ernst Bilke, nach Grassau gebracht wurde: Wisznu aus dem Gestüt Mlynow in Ostpolen, Sohn des Vollblutarabers Witez II a.d. Stute Malaga.
Er wurde der Hauptbeschäler des Gestüts und einer der Ausgangspunkte der erfolgreichen Araberzucht in Deutschland und Mitteleuropa.
Eine weitere, ganz wesentliche Bereicherung erfuhr das Gestüt, als im Jahre 1948 der Vollblut-Araberhengst Towarzysz Pancerny, ein Sohn von Enwer Bey aus der Kasztelanka v. Koheilan, vom Gestüt Janow Podlaski, unter dem Namen Halef als zweiter Beschäler nach Grassau kam.
Die abenteuerliche Flucht dieses edlen Vollblutes mit seinem Betreuer Eberhard Schultz vom Osten Polens bis zum Gestüt Dippoldiswalde bei Dresden und die weitere Flucht vor den russischen Truppen und der tschechischen Miliz in das von Amerikanern besetzte Gebiet liest sich wie ein Abenteuerroman. Eberhard Schultz konnte mit seinem tapferen kleinen Araberhengst Halef 1950 noch einmal 5 Monate im Gestüt Griesbach zusammen sein.
Zusammen mit ihrer ersten Zuchtstute Roska aus Bábolna und anderen jungen Stuten begründete Frau Griesbach in Grassau das bedeutendste private Arabergestüt in Deutschland nach dem Krieg.
1953 hatte Frau Griesbach bereits über 20 edle Vollblut-Araber in der Zucht. Unterstützt wurde sie von ihrer Tochter Irmelin, genannt Amsel, einer promovierten Tierärztin, die die gleiche, restlose Hingabe ihrer Mutter an den Arabern teilte.
Die Schulkinder aus Mietenkam konnten auf dem Weg zur Schule in Grassau immer die vielen Stuten und Fohlen auf den Wiesen am Wegesrande bewundern. Oft wurde auch der Fünferzug mit 5 weißen Schimmeln eingespannt, dem man auf der noch sehr schmalen Mietenkamer Straße begegnen konnte. Manchmal war hier auch Alex Osann aus der Au mit seinem Ponygespann unterwegs, der auf Kurgäste für seine Rundfahrten wartete.
Besucher aus ganz Deutschland und den europäischen Staaten besuchten das Gestüt auf der Suche nach Stuten und Hengste für die weitere Zucht. So plante z. B. der Schah von Persien seinen Besuch, sagte ihn aber nach einigen Protesten in München ab. Ein anderer zu seiner Zeit sehr bekannter Besucher war der Sänger und Entertainer Vico Torriani aus der Schweiz.
Irmelin Griesbach heiratete später den Generalvertreter des Volkswagenwerkes in Buenos Aires, Herrn Fennet, und zog nach Argentinien. Als Gertraude Griesbach das Gestüt 1964 auflöste, weil in der eigenen Familie kein Nachfolger da war, holte Irmelin Fennet die meisten der inzwischen auf über 40 Stück angewachsenen Zuchtpferde zuerst auf ihren eigenen Hof im Allgäu, später nach Argentinien, wo ihr Mann in der Nähe von Buenos Aires die Hazienda Oro Verde gekauft hatte und sie das Gestüt Achental unter gleichem Namen dort weiterführen konnten. Aus der dortigen Zucht fanden dann auch wieder einige Araber ihren Weg nach Deutschland zurück. Mit dem Tode von Irmelin Griesbach-Fennet endete aber auch dieses Unternehmen.
Auch wenn das Arabergestüt Achental weniger als 20 Jahre in Grassau existierte, hinterließ diese Zucht entscheidende Spuren in der deutschen Zuchtgeschichte der Araber nach dem Kriege.
Im Jahre 1960 hatte Gertraude Griesbach ihren Besitz in Grassau an ihren Sohn Friedrich weitergegeben. Der verpachtete nach dem Verkauf der noch vorhandenen Pferde das Gestüt drei Jahre an den Metzgermeister und Hotelier Stumbeck aus Unterwössen. Dieser brachte in den Stallungen vorübergehend Kühe und Kälber unter, die er direkt im eigenen Hotel und in der Metzgerei vermarktete. So tummelten sich also statt der gewohnten edlen Pferde rotbunte Rinder auf den hofnahen Wiesen.
1967 verkaufte Friedrich Griesbach das ganze Anwesen an E. Steger aus Grassau, der nach umfangreichen Um- und Neubauten im Jahre 1969 das eröffnete. Das mit Hallenbad und Reithalle ausgestattete Projekt startete zwar mit großen Hoffnungen, musste aber bereits nach wenigen Jahren seinen Betrieb einstellen.
An gleicher Stelle entstand dann 1980 das Sporthotel Achental, in welchem nur noch ein Reiterzimmer an die vormalige Funktion des Gebäudes erinnert.
Eine bescheidene Fortsetzung fand aber das Arabergestüt auch in Grassau, denn eine der Beschäftigten des Gestüts hatte in der Arbeit mit den Pferden ihre große Erfüllung gefunden. Anfänglich arbeitete sie dort als Haushälterin und pflegte und ritt die Araber in ihrer Freizeit. 1956 heiratete Zenta den Nebenerwerbslandwirt Karl Raab. In den folgenden Jahren betreute sie den kleinen Betrieb und zog vier Kinder groß.
Die ersten eigenen Pferde wurden 1972 gekauft, noch keine Araber. Aber bereits im folgenden Jahr begann das Ehepaar Raab mit einem kleinen Reitbetrieb auf dem Hofe, der Ausritte anbot. Nach jahrelanger Arbeit war es der Familie Raab 1980 endlich auch möglich, sich ein eigenes arabisches Pferd zu kaufen, die Stute »Louise Ann«. Sie wurde eigentlich als Reitpferd gekauft, aber da sie schon zwei schöne Fohlen hatte, versuchte man, mit ihr eine eigene Zucht zu beginnen. 1984 folgte eine Vergrößerung des Reiterhofes Raab durch den Bau der Reithalle und des Privatstalles. 1988 entschloss man sich die Araberzucht mit einem eigenen Hengst weiter auszubauen und kaufte bei der Gräfin Arco von Zinneberg den damals dreijährigen Vollblutaraberhengst »Gaziri«. In den kommenden Jahren erweiterte man den Betrieb Stück für Stück.
Im Jahre 1991 ging ein weiterer großer Traum für Frau Raab in Erfüllung. Denn man bot ihr den Enkelsohn von Wisznu an, den sie in ihren Jugendjahren geritten und gepflegt hatte. Nachdem schon zwei schöne Wisznu Ibn Sawih Fohlen da waren, konnte man das Angebot, diesen Hengst zu kaufen nicht ausschlagen. Der Kauf dieses Hengstes brachte die ursprüngliche Achental-Blutlinie in den Süddeutschen Raum zurück. Im gleichen Jahr wurde das erste rein arabische Turnier durchgeführt.
1993 entschlossen sich die Eheleute Raab, nach langjährigen schweren Aufbauarbeiten den Reitbetrieb an ihre Tochter und deren Ehemann zu verpachten. Auch unter ihrer Leitung wurde die Araberzucht noch einige Jahre weitergeführt und dabei versucht, das bisherige Zuchtziel, einen typvollen und gut zu reitenden Araber weiter zu verbessern.
Olaf Gruß
Danksagung: Mein Dank gilt dem Ehepaar Zenta und Karl Raab sowie Hans-Eckhard Lewerentz für die vielfältigen Informationen und das Bildmaterial zum Arabergestüt Achental.
33/2013