Jahrgang 2006 Nummer 19

Die Mühle St. Johann

500 Jahre Mühlenbetrieb an der Roten Traun – Teil II

Die Mühle in St. Johann ist heute eine Getreidemühle, in der vor allem Weizen, Dinkel und Roggen gemahlen wird.

Die Mühle in St. Johann ist heute eine Getreidemühle, in der vor allem Weizen, Dinkel und Roggen gemahlen wird.
Historische Postkarte

Historische Postkarte
Die Müllnerfamilie Berger (1751 bis 1843)

Schon sieben Jahre nach der Verehelichung der verwitweten Müllnerin mit Hörmann heiratete 1751 die Müllertochter Maria Maderin den Philipp Berger. Nach fünfzehnjähriger Ehe verstarb Maria Berger. Philipp und Maria Berger hatten sechs Kinder. Nun vermählte sich der Witwer Philipp Berger 1767 mit Salome Fuxin aus Siegsdorf.

Am 26. März 1782 übergab Salome Berger nach dem Tod ihres Ehemannes Philipp die Mühle »mit Einrichtung, Fahrnis, Rechten und Verbindlichkeiten« ihrem Sohn Michael Berger, der damit das Mühlrecht mit vier Gängen und das Ölstampfrecht übernahm. Die Witwe bekam als Austrag u.v.a. »in dem ganzen Haus den ohngehindert freyen Ein- und Ausgang, dan den warmen Winkhl in der Wohnstuben, zu deren ruhigen Wohnung und Ligerstatt aber des hintern Stübls zu bedienen«. Erst 1791 ehelichte Michael Berger die Maria Hellmingerin.

Von den großen Veränderungen durch den so genannten Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 war auch die Mühle St. Johann betroffen. Die Grundherrschaft Domkapitel Salzburg hatte nun aufgehört zu bestehen. Die bisherigen Steuern musste der Müllner von St. Johann nun dem Rentamt Traunstein zahlen. Das »Häuser- und Rustical-Steuer-Kataster des Districts Vogling« von 1810 verrät, dass das 3/16-Müllnergütl zum kgl. Landgericht Traunstein gerichtsbar war, der Müllner jährlich zehn Klafter Brenn- und Bauholz zur Notdurft aus der kgl. Salinenwaldung Pechschnait holen konnte und die reale Mühlgerechtigkeit für eine Mühle mit vier Gängen mit Ölstampf besaß. Maria Berger mehrte in den Jahren 1818 und 1822 durch Zukäufe von Wiesen den Grundbesitz der Mühle. Ihr am 24. November 1807 geborener Sohn Philipp Berger übernahm am 14. September 1830 die Mühle St. Johann und heiratete am 26. September 1831 Monika Wurzer. 1831 erwarb der junge Müllner einen Teil der Meßnerleiten zu Vogling. Schon am 5. Februar 1843 starb Philipp Berger.

Die Müllnerfamilie Steiner (1843 bis 1897)

Die Witwe Monika Berger († 19.09.1857) vermählte sich am 25. September 1843 mit dem Müllner Joseph Steiner (geboren am 29. April 1810). Damit erwarb Joseph Steiner den Besitz »mit Ein- und Zugehörungen, Vieh und Fahrniß«. Der Müllner zu St. Johann verkaufte 1853 circa sechs Tagwerk in der Pechschnait. Das Grundsteuerkataster der Gemeinde Vogling von 1855 weist für die Mühle 42,24 Tagwerk Gesamtbesitz auf.

Das Müllergut Sankt Johann wurde darin bestehend aus Wohnhaus mit Mahlmühle, Stadel und Stallungen, Ölstampf mit Wohnung, Stadel mit Wagenhütte, Wasch- und Backhaus, Hofraum und Wurzgärtl beschrieben. Dazu gehörten der Anger am Haus mit der Sauleiten, der Mühlbach, das Unter- und Obergries mit Brechhaus, das Wagnerfleckl oder die Roßötz, die Deichenbeizwiese mit Deichenbeiz (für die Rohre der Soleleitung), der Fuß- oder Brunnweg entlang der Soleleitung, die Margarethenwiese im Moos mit Deichenbeiz, die Meßnerleiten, das Pointl, die Schmidfleckwiese, die Schneeweißenwiese und Wald- und Filzenanteile in der Pechschnait. Joseph Steiner starb am 24. August 1868.

Sein Sohn Joseph Steiner, geboren am 6. Mai 1846, übernahm die Mühle am 1. Juni 1872 und heiratete am 15. Juni 1872 Maria Punz, geboren am 6. April 1847. Aus der Ehe gingen 12 Kinder hervor. Davon starben vier Kinder schon innerhalb des ersten Lebensjahres, zwei starben bevor sie fünf Jahre alt wurden.

Eine Zeichnung vom Jahre 1880 zeigt von der Mühle St. Johann besonders schön das Wohnhaus. Im Vordergrund ist die hölzerne Wasserzuführung zum Mühlrad anschaulich dargestellt. (Traunsteiner Wochenblatt 26. Jahrgang, 4. Jänner 1880).

Bis zum Jahre 1895 war in einem kleinen Gebäude im heutigen Verbindungsbau der beiden Hauptgebäude der Mühle eine Ölstampf eingebaut. Unter Nutzung der Wasserkraft wurde damit das Leinöl aus Flachssamen gestampft, das besonders gerne zur Beleuchtung verwendet wurde. Der erste Dynamo – ein Modell von 1885 – wurde um 1896 eingebaut. Damals diente der Generator zunächst nur zur Lichtstromerzeugung für die Mühle.

Am 25. Februar 1897 verkauften Joseph und Maria Steiner die Mühle St. Johann mit einem in der Gemeinde Hochberg liegenden Grundstück um 12 000 Mark an Anton Knerr, Neffe des Joseph Knerr, Gründers eines Unternehmens in Heutau. Noch Ende des selben Jahres begann Anton Knerr mit der Vergrößerung der Kunstmühle St. Johann und der Stallungen.

Das Traunsteiner Wochenblatt berichtete am 3. Februar 1898, dass die »Kunst- und Kundenmühle Sankt Johann« durch Anton Knerr neu erbaut wurde. Damals erhielt die Mühle im wesentlichen die heutige Gestalt. Im Grundsteuerkataster wurde die Mühle nun bestehend aus Wohnhaus mit Wasch- und Backhaus, Stall und Stadel, Kunstmühle mit Radstube und Mehlmagazin, Hofraum mit laufendem Brunnen und Wurzgärtchen, Anger am Haus mit der Sauleiten und dem Unter- und Obergries mit Brechhaus beschrieben.

Nach dem großen Hochwasser von 1899 wurden nochmals, vor allem am vorderen Bereich des Mühlentraktes, Neubauten durchgeführt. Im Jahre 1900 wurde ein Maschinenraum zur Elektrizitätsgewinnung angebaut, das Brechhaus auf dem Unter- und Obergries abgebrochen und im November 1901 ein Heustadl neu errichtet. Daher wurde im Grundsteuerkataster die Beschreibung der Mühle erneut geändert: Wohnhaus mit Wasch- und Backhaus, Stall und Stadel, Kunstmühle mit Elektrizitätswerk und Turbine, Radstube mit Mehlkammer, Hofraum und Wurzgärtchen sowie Unter- und Obergries mit Heustadel. Im Jahre 1900 wurde auch eine elektrische Leitung von der Mühle nach Heutau gelegt, um Heutau mit Strom zu versorgen. 1906 verkaufte Anton Knerr zwei Grundstücke in der Pechschnait zu insgesamt 3,612 ha. Der Restbesitz des Mühlenanwesens betrug um diese Zeit 10,399 ha. Am 1. Januar 1907 kam aus München Hans Petermüller mit seiner Frau Maria geborene Unfried als Mühlenpächter nach St. Johann. Die Familie blieb bis zum 1. Juli 1936 auf der Mühle.

Eine Postkarte aus der Zeit um 1910 zeigt als Besitz des Anton Knerr das Mühlengebäude der »Kunstmühle und Thonwerk St. Johann«, das Sägewerk mit Brauerei in Heutau und die Filiale Maiermühle in Inzell (als Filialsäge bezeichnet).

Als Besitzer unternahm vor allem in den zwanziger Jahren der sehr rührige Lorenz Knerr, der auf Grund des Testaments vom 19. April 1913 zur Erbfolge bestimmt worden war, zahlreiche bauliche Veränderungen.

Es gibt Pläne für den »Schützenzug für Grundablass« vom 5. Februar 1915. Die Pläne über die »Anordnung der Wehr- und Kanaleinlaßschützen« wurden von der Firma Voith, Heidenheim, angefertigt und von Lorenz Knerr am 15. Juli 1916 anerkannt. 1922 wurde ein großer Generator eingebaut. Der alte Generator war noch kurze Zeit in Heutau eingestellt und steht nun als frühes technisches Fabrikat (Modell 1885) im deutschen Museum in München, dem größten technischen Museum der Welt. 1923 wurde ein neuer Kanal und ein neues Wehr erstellt, wodurch ein größeres Gefälle erzielt werden konnte. Ein alter Stadel vor dem Mühlengebäude wurde 1924 abgebrochen und der heute noch stehende Stadel am Südwesteck des Mühlengebäudes errichtet. Nach diesen Neubaumaßnahmen wurde die Beschreibung der Mühle im Grundsteuerkataser wieder einmal geändert: Wohnhaus, Mühle, Stadel, Transformatorenhaus, Hofraum, Garten sowie Unter- und Obergries.

Rund zehn Jahre dauerten die Planung und Genehmigung zum Einbau einer Turbinenanlage, die das alte Wasserrad ersetzen sollte. Die ersten Pläne wurden am 1. Mai 1915 von der Firma Voith, Heidenheim, und am 8. September 1915 von der Firma Langhammer, Bamberg, gefertigt. Der Plan von der Firma Voith wurde am 15. Juli 1916 von Lorenz Knerr anerkannt. Zum selben Tag datiert das Ersuchen des Anton Knerr an das Königliche Bezirksamt Traunstein um Genehmigung zum Einbau der Turbinen. Am 7. August 1916 richtete das Königliche Bezirksamt Traunstein eine Rückfrage an Knerr. Am 12. Oktober 1922 wurde von der Firma Voith ein neuer Plan vorgelegt. Am 9. April 1923 erging von Lorenz Knerr ein neuerliches Ansuchen um Baugenehmigung an das Bezirksamt Traunstein zum Einbau der Hochwasserschütze, zur Reparatur der Einlassschütze und zum Einbau einer kompletten Turbinenanlage. Die Turbinenanlage wurde schließlich durch rechtskräftigen Beschluss des Bezirksamtes Traunstein vom 17. November 1926 genehmigt und daraufhin gebaut.

Am 1. Juli 1936 nahm der Müller Michael Baur die Mühle in Pacht. Die Mühle wurde damals als Zweigbetrieb der Walzmühle in Traunstein geführt. Zwei Müllner, Obermüller Buchner und ein Geselle, bedienten die Mühle. Für die Handelsmühle in Vogling, die vor allem Roggen aus der Gegend nördlich von Trostberg mahlte, fuhr kein eigener Lastwagen. Zwei Lastwägen aus Traunstein führten die notwendigen Transporte durch. Die Pächter klagten damals über die unregelmäßige Wasserkraft. Vor allem die Sommerdürre behinderte den Mühlenbetrieb sehr.

Bevor Lorenz Knerr die Mühle St. Johann 1938 verkaufte, behielt er sich aus dem Gesamtbesitz von 10,5943 ha Grundstücke mit insgesamt 9,3212 ha zurück, und transferierte diese zum Anwesen Hausnummer 51 1/3 in Unterheutau, Gemeinde Obersiegsdorf.

Die Müllnerfamilie Salzeder (seit 1938)

Am 24. Februar 1938 erwarb Emil Salzeder laut Urkunde des Notars von Traunstein die Mühle (alte Hausnummer 64) mit 1,2731 ha um 80 000 Reichsmark. Es war damals um die Mühle recht schlecht bestellt. Noch im Jahre 1938 musste ein neuer Walzenstuhl im Auftrag des neuen Besitzers eingebaut werden, um die Mühle wieder richtig arbeitsfähig zu machen.

Am 5. August 1938 ergab sich nach einem Grundstückstausch mit der Gemeinde Vogling ein Zugang von insgesamt 0,0351 ha. Eine kleine Fläche von 0,0008 ha wurde mit dem Transformatorenhaus am selben Tag um 700 RM an die Elektrizitätsgenossenschaft Vogling verkauft.

Im Jahr 1940 riss ein gewaltiges Hochwasser das Wehr weg. Nachdem das neue Wehr fast fertiggestellt war, wurde es erneut weggespült. Das war ein harter Rückschlag für das aufblühende Unternehmen. Das damals neu erbaute Wehr besteht noch heute.

In der Nachbarschaft entstand 1941 durch Georg Eisenreich und dessen Ehefrau Maria geborene Hunklinger ein Neubau (alte Hausnummer 64 1/2); den Baugrund hatte das Ehepaar Eisenreich um 375 RM von Lorenz Knerr in Unterheutau Hausnummer 51 1/3 am 13. Januar 1941 erworben.

In der Mühle St. Johann wurde 1950 ein Dieselmotor aufgestellt, um die Schwankungen der Wasserkraft auszugleichen. Westlich des Mühlengebäudes errichtete Emil Salzeder 1949 einen Stadel zur Lagerung von Getreide, der 1961 zum modernen Getreidesilo umgebaut wurde. 1961 wurde auch ein neuer Dieselmotor gekauft. Im Oktober 1962 erfolgte der Aufbau eines neuen Stockwerks über den mittleren Teil des Mühlentraktes im Hinblick auf eine technische Erneuerung der Mühle. Diese Maßnahmen wurden 1963 durchgeführt und damit die Mühle auf den modernsten Stand gebracht. Die Mühle wurde damals von einer so genannten »Rückschüttmühle« auf eine Durchlaufmühle mit »pneumatischer Überhebung« umgebaut. 1963 übernahm Emil Salzeders gleichnamiger Sohn die Mühle St. Johann.

1984 wurden die Förder- und Sichtanlage sowie die Mahlleistung verbessert. Dafür wurden zwei große Plansichter mit einem Kran durch das Dach der Mühle in das Gebäude eingebracht. Die Mühle wurde durch den Einsatz zusätzlicher elektrischer Antriebe unabhängig von den Schwankungen des Wasserstandes der Roten Traun.

1991 nahm Emil Salzeder zusätzlich zur 1926 eingebauten Voithturbine eine größere moderne Franzisturbine in Betrieb. Zu Beginn des Jahres 2002 übergab Emil Salzeder die Mühle seinem Mitarbeiter Josef Bachmeier. Unvorhergesehene Einschränkungen des Betriebs bringt die Lage an der Roten Traun, die durchschnittlich alle fünf bis zehn Jahre Hochwasser führt. Zuletzt geschah dies im Juni 1995 und im August 2002.

Die Salzeder-Mühle in St. Johann ist heute eine Getreidemühle, in der vor allem Weizen, Dinkel und Roggen gemahlen wird. Täglich können 24 Tonnen Getreide verarbeitet und an Bäckereien in der Umgebung verkauft werden. Immer mehr Verbraucher kaufen ihr Mehl direkt in der Mühle. Viele gesunde Produkte werden im seit 1998 bestehenden Mühlenladen angeboten. In den Sommermonaten können Besucher jeden Mittwoch um 16 Uhr bei einer Mühlenführung teilnehmen.

1996 berichtet das Traunsteiner Wochenblatt über die kontinuierliche Verbesserung der Mühlentechnik in St. Johann, deren gesamter Betrieb inzwischen elektronisch gesteuert wird, und über den bevorstehenden Deutschen Mühlentag (Traunsteiner Wochenblatt vom 25.05.1996).

Deutscher Mühlentag

Seit 1994 wird jedes Jahr am Pfingstmontag der Deutsche Mühlentag veranstaltet. Die Mühle St. Johann nimmt daran seit 1996 teil. Am Mühlentag kann die Mühle von den Besuchern immer von 10 bis 18 Uhr besichtigt werden.

Die Mühle St. Johann erlebte bei ihrer ersten Teilnahme am Deutschen Mühlentag einen unerwartet zahlreichen Besuch. Emil Salzeder schätzte etwa 1500 Besucher. An Führungen war nicht mehr zu denken, da sich zeitweise bis zu 300 Leute durch die Mühle zwängten (Traunsteiner Wochenblatt vom 30.05.1996).

Das Mühlenfest in St. Johann war auch am Deutschen Mühlentag 1997 mit erneut über 1500 Besuchern ein Erfolg (Traunsteiner Wochenblatt vom 24.05.1997). Den Mühlentag am 1. Juni 1998 frequentierten in St. Johann sogar rund 3000 Gäste. An diesem Festtag wurde der neue Mühlenladen eröffnet. Für die Besucher konnte ein Humboldt-Deutz-Motor aus dem Jahr 1925 wieder in Betrieb genommen werden (Traunsteiner Wochenblatt vom 12.06.1998). Dieses Jahr nimmt die Mühle St. Johann am Pfingstmontag, dem 5. Juni wieder am Deutschen Mühlentag teil.

Meinrad Schroll

Teil 1 in den Chiemgau-Blättern Nr. 18/2006



19/2006