Jahrgang 2006 Nummer 18

Die Mühle St. Johann

500 Jahre Mühlenbetrieb an der Roten Traun – Teil I

Die Mühle St. Johann – Ersterwähnung 1506

Die Mühle St. Johann – Ersterwähnung 1506
Zeichnung von St. Johann

Zeichnung von St. Johann
Stets galt für die Mühle St. Johann 1506 als das Jahr ihrer Ersterwähnung. Auf dieses Jahr ist bis zum heutigen Tag die Werbung der Mühle und deren Produkte bezogen. Das Logo der Mühle St. Johann mit der Jahreszahl 1506 befindet sich zum Beispiel an der Nordwand des Mühlenanbaus. Zum Deutschen Mühlentag 1997 wurde der Besitzer Emil Salzeder am 17. Mai im Traunsteiner Wochenblatt folgendermaßen zitiert: »1506 taucht die Mühle St. Johann erstmals in einer Urkunde auf. Möglich ist aber auch, dass die Mühle noch älter ist. Doch dafür gibt es keine Beweise«. Da war es für den Besitzer der Mühle schon eine große Überraschung, als er einer im Jahr 2004 verfassten Hofgeschichte des Fellnerhofes in Vogling entnehmen konnte, dass die Mühle schon im Urbar des Salzburger Domkapitels aus dem Jahr 1392 genannt wird. Der Wunsch um genauere Kenntnisse über die Geschichte der Mühle St. Johann und ihrer Bewohner führte zu weiteren Nachforschungen.

Mühlen an der Roten Traun

St. Johann war jahrhundertelang nicht die einzige Mühle an der Roten Traun. Entlang des Flusses reihten sich einst sieben Getreidemühlen, wovon heute nur noch die Mühle St. Johann in Betrieb ist.

In der Gemeinde Inzell existierten die Ödmühle (Kreuzfeldstraße 16), die Maiermühle bei Niederachen, die Hofmühle in Inzell und die Kaitlmühle, die alle schon 1532 erwähnt werden und ausnahmslos bis 1803 dem Grundherrn Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno in Bad Reichenhall gehört hatten. Die »Edmühle« war eine Mühle mit drei Gängen, einer Säge und einem Ölschlag und wurde 1963 eingestellt. Die Hofmühle gehörte stets zum Hofwirt und arbeitete mit drei Gängen, einer Säge und einem Ölschlag. 1931 ist diese Mühle abgebrannt. Die Maiermühle hatte drei Gänge und eine Säge; sie wurde schon 1874 eingestellt. Die Kaitlmühle wies nur zwei Gänge auf und wurde 1944 aufgegeben. In den ehemaligen Gemeinden Hammer und Vogling können drei Mühlen nachgewiesen werden. Im Steuerbuch des Pfleggerichts Traunstein von 1553 werden die Gamperlmühle, die Mühle Frauenstätt und die Mühle St. Johann erwähnt. Die Gamperlmühle hatte als Grundherrn das Augustiner-Chorherrenstift Baumburg und die Mühlen zu Frauenstätt und St. Johann das Domkapitel Salzburg. Die Gamperlmühle arbeitete mit drei Gängen und einer Säge. Die Mühle zu Frauenstätt wies vier Gänge, eine Säge und einen Ölschlag auf. Und die Mühle St. Johann wies ebenso vier Gänge und einen Ölschlag auf.

Diese Mühlen unterschieden sich also in der Anzahl ihrer Gänge, das heißt wie oft das Getreide beim Ausmahlen bearbeitet wurde. Der Mahlgang ist der Hauptbestandteil einer Getreidemühle. Durch das stufenweise Ausmahlen wurde eine bessere Qualität des Mehls erreicht. Beim ersten Gang wurde das Getreidekorn von der Kleie abgerieben, beim zweiten Gang geschrotet, beim dritten Gang erhielt man ordinäres Mehl und beim vierten Gang Mehl von mittlerer Qualität. Feines Mehl wäre erst bei einem fünften Gang erzielt worden, doch diesen Mahlgang besaßen die Mühlen an der Roten Traun nicht mehr.
Beim Ölschlag beziehungsweise Ölstampf, der sich stets in einem kleinen Nebengebäude einer Mühle befand, wurde durch Nutzung der Wasserkraft das Leinöl aus den Flachssamen gestampft. Dieses Leinöl brennt hell und fand daher für die Beleuchtung gerne Verwendung.

Ersterwähnung der Häuser von Vogling

Die Mühle St. Johann wird zum Ort Vogling gezählt. Im Urbar des bayerischen Herzogs Heinrich XIII. aus dem Jahre 1300 werden zwei Bauernhöfe in Vogling genannt (die ältere Schreibweise lautet »Voglern«): »Aber Voglern VI metzen, II huener, aber da selb VI metzen, II huener«. Im Vergleich mit jüngeren Quellen können darin die Höfe beim Fellner und beim Jelln erkannt werden. Das älteste erhaltene Urbar des Domkapitels Salzburg aus dem Jahre 1392 nennt die Mühle St. Johann und die Anwesen Fellner, Jelln und Niederleitner.

Das älteste Steuerbuch des Pfleggerichts Traunstein von 1553 enthält die kleine Kirche St. Johannes Baptist und alle damaligen Anwesen zu »Voglarn«: »Wolfgang Meßner vom Meßenhaus« (Mesnerhaus), »Martein« (Fellner), »Uell« (Jelln), »Christan« (Niederleitner) und »Cristan Mulner« (Mühle St. Johann).

Grundherrschaft Domkapitel Salzburg

Die Mühle St. Johann dürfte durchgehend von seiner Gründung, dessen Zeitpunkt leider unbekannt ist, bis zum Jahre 1803 zur Grundherrschaft Domkapitel Salzburg gehört haben. Das Domkapitel hatte also das Grund-obereigentum, das heißt es war Besitzer der Mühle und der dazugehörenden Grundstücke. Seit 1392 kann dies mittels der Urbarien des Domkapitels belegt werden. Das Domkapitel ließ seinen umfangreichen Chiemgauer Besitz von einem Amtmann, der in Grabenstätt saß, verwalten und »verpachtete« unter anderem die Mühle St. Johann stets auf Herrengnad, das den Begriffen Herrengunst oder Freistift entsprach. Dies war die schlechteste Form der Grundleihe. Einem Freistifter konnte im schlimmsten Fall schon nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres gekündigt werden. Umgekehrt besaß ein Bauer damit die Möglichkeit seinerseits nach einem Jahr zu kündigen.

Die Mühle St. Johann wird im Urbar von 1392 unter »Voglarn« mit dem Satz »It(em) idem michel de molendino d(e)n(arius)Lx«, das heißt ebenso zahlt dasselbe Michael der Müllner 60 Pfennige (jährliche Stift).

Im Urbar von 1463 sind zwei Anwesen zu »Voglarn« im Besitz eines Stefan Müllners mit den jährlichen Stiftreichnissen aufgelistet. Die Reichnisse des ersten Anwesens: »It(em) Steffan Muln(er) ibm. sil(igio)m0 (dius) j, ave(num) m0 (dius)iiij, dnr. xxx, hon. dn. viij« das heißt ebenso Stefan Müllner ebenda 1 Mut Weizen, 4 Mut Hafer, 30 Pfennige, Ehrung 8 Pfennige. Die Stift der Mühle: »Item Steffan de molendino ib. lx dnr., hon dnr. iiij«, das heißt ebenso Stefan von der Mühle ebenda 60 Pfennige, Ehrung 4 Pfennige.

Das nächste Urbar ist schon um einen beträchtlichen Zeitraum jünger und stammt aus den Jahren 1608 bis 1631. Es enthält wie 1463 beide Anwesen, die Stiftreichnisse von jeweils 45 Pfennigen und Ehrungen sowie ab 1592 die einzelnen Bewohner der Mühle und des benachbarten Hofes. Im Urbar von 1632/33 sind unter anderem die Bewohner der beiden Anwesen bis 1689 eingetragen worden. Im Urbar von 1634 bis 1677 wurden in ähnlicher Weise die Stift und alle Bewohner des Hofes und der Mühle überliefert. Mit dem Urbar von 1676 bis 1789 kann die Liste der Bewohner über mehr als ein Jahrhundert lang nachvollzogen werden. In derselben Form sind auch die Bewohner der Mühle in den Urbarien von 1783 und von 1785 enthalten. Somit zählen diese Urbarien zu den wertvollsten Quellen zu Hofgeschichte aller domkapitelschen Untertanen im Chiemgau.

Traunsteiner Bürger als Pächter der Mühle St. Johann

1506 saß auf der Mühle St. Johann der »Huebermüllner« Stephan Scheibel. Am 2. Januar 1506 verkaufte Stephan Scheibel die Herrengnade und das Baurecht auf der zur Dompropstei Salzburg urbaren Mühle und dem Gut zu »Voglarn« an den Traunsteiner Bürger Bernhard Kraiburger. Dieser trat die Herrengnade und das Baurecht auf der Mühle später an den Ratsherrn und Bürger von Traunstein, Oswald Pallinger, ab.

Oswald Pallinger kam mit den Domherren in Salzburg in Streit wegen eines überhöhten Zinses (als »Überzins« bezeichnet), den das Domkapitel aus dem Gut und der Mühle zu »Voglern« beziehen wollte. Der Streit dauerte rund 18 Jahre.
Dompropst und Erzpriester Rudolf von Salzburg erteilte in dieser Streitsache am 9. Juni 1510 dem Albrecht Hundt zu Lauterbach, Anwalt des Dompropstes zu Grabenstätt, die Prozessvollmacht. Der Rat und Bürger Oswald Pallinger in Traunstein vertraute seinen Fall am 10. Juni 1510 dem Meister Mathias, einem »Geschworenen Redner« am Hof zu München an. Da weder Salzburg noch der Ratsherr Pallinger nachgaben, kam der Streit vor das kaiserliche Kammergericht, das erst 1528 darüber entschied.

Dompropst Rudolf und Oswald Pallinger erlebten das Ende des Prozesses nicht mehr. Dompropst Balthasar, Domdekan Kaspar und das Domkapitel zu Salzburg einerseits und des verstorbenen Oswald Pallingers Sohn Wolfgang andererseits mussten sich dem Schiedsspruch vom 13. März 1528 unterwerfen, den im Namen des kaiserlichen Kammergerichts die Unterrichter (»Untertädinger«) Sigmund von Thurn zu Neubeuern, Erbschenk und Salzburger Rat, der Salzburger Rat Dr. jur. Ambros Volannd und der Pfleger von Reichenhall Hans Goder fällten. Damit war der langjährige Streit abgeschlossen.

Während der Prozessentscheid zwischen der Familie Pallinger in Traunstein mit dem Dompropst in Salzburg noch offen war, sind Herrengnade und Baurecht auf der Mühle und dem Gut an einen Christian Müllner übergeben worden. Dieser »Christian Mulner« von Voglarn verkaufte am 27. März 1522 seine Herrengnade und das Baurecht auf der zum Domkapitel urbaren Mühle und dem Gut zu Vogling an Bernhart Ysen, dem Zöllner zu Siegsdorf. Bernhart Ysen veräußerte schon am 2. Mai 1525 seine Herrengnade und das Baurecht auf dem Gut und der Mühle zu »Voglarn« an den Dompropst Andreas und das Domkapitel von Salzburg. Später verpachtete das Domkapitel die Mühle nur noch direkt an Müllerfamilien. Leider sind die Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert noch etwas spärlich. Im Steuerbuch des Pfleggerichts Traunstein 1553 liest man von einem »Cristan Mulner von Voglarn«. Mit der kontinuierlichen Auflistung der Müllnerfamilien in den Urbarien des Domkapitels können ab 1592 alle Bewohner der Mühle St. Johann dargestellt werden.

Die Müllnerfamilie Kirchstöger (1592 bis 1613)

»Cristan Kirchstöger und dessen Ehefrau Helena bewohnten seit 1592 den »ersten halben thail der Müll zu Voglarn«. 1599 ist dieser Cristan als »Christoff Müllner bsizt die Müll zu Voglern« und 1601 ebenfalls als »Cristoph Müller« zu »Voglern« in Scharwerkbüchern des Pfleggerichts Traunstein überliefert.

Bis 1613 war die Teilung der Mühle St. Johann in einen »ersten halben Thail der Müll zu Voglern« und in einen »anderen halben Thail besagter Müll« mit zeitweise unterschiedlichen Besitzern üblich.

Cristan beziehungsweise Christoff Kirchstöger hatte von 1592 bis 1610 nur den »ersten halben Teil der Mühle zu Voglarn« zu Besitz. 1610 überließ er diesen Teil dem Leonhardt Vogl und dessen Ehefrau Anna und übernahm nun von »Geörg Feichtner« und dessen Ehefrau Ursula den »anderen halben Teil der Mühle« bis 1613, die diesen »anderen halben Teil der Mühle« erst seit 1603 inne hatten.

Die Müllnerfamilie Vogl (1610 bis 1620)

Leonhardt und Anna Vogl erwarben 1610 den »ersten halben thail der Müll zu Voglarn«. Seit 1613 befanden sich nun die beiden Teile der Mühle zu Voglarn in einer Hand, denn 1613 übernahmen Hanns Vogl und dessen Ehefrau Anna beide Teile der Mühle.

Der Verwandtschaftsgrad zu Leonhardt Vogl ist nicht überliefert worden; möglicherweise waren Hanns und Leonhardt Brüder. Als Anna, die Ehefrau des Hanns Vogl, um 1618/19 verstarb, lebte der Witwer auf der Mühle noch mit seinen Kindern Christina, Catharina und Georg. Das Urbarium von 1608 führt zunächst im Jahre 1619 den Sohn Georg Vogl als Erben auf. Als Georgs Schwester Christina 1620 einen Christoph Lochner heiratete, begann in St. Johann die Ära der Müllnerfamilie Lochner, die bis 1725 dauerte.

Die Müllnerfamilie Lochner (1620 bis 1725)

Im Jahre 1620 übergab also »Hannß Vogl, Miller zu Voglern« die beiden Teile der Mühle St. Johann seiner Tochter Christina, die daraufhin Christoph Lochner ehelichte.

Am 29. Mai 1660 übergaben Christoph und Christine Lochner den »ersten und den anderen halben Thaill der Müll zu Voglarn« ihrem Sohn Andreas Lochner und dessen Braut Salome Kirchleutner aus Prüll. Die alten Müllnereheleute bekamen als Austragswohnung ein Stüberl, eine Kammer und die Küche auf der Schattenseite des Müllnerhauses. Seit dem Tod der Müllnerin Salome Lochner im Jahre 1683 lebte der Witwer Andreas mit seinen sechs Kindern Johann, Martin, Philipp, Barbara, Salome und Ursula einige Jahre lang alleine auf der Mühle.

1688 übergab er seinem Sohn Johann Lochner »die ingehabte Herrngnadt und Paumansgerechtigkeit an und auf dem ersten und andern halben Thaill der Mihl zu Voglern, welche zway absonderliche Item im Urbario und ainem hochwürdigen Thumbcapitl des hochlöblichen Erzstüffts Salzburg in das Ambt Miesenpach grundtherrschaftlich underworffen, stüfft- und dienstbar seindt«. Der Sohn versprach seinem Vater den üblichen Austrag sowie den »gehaizt und beleichten Winckhel in der Wohnstuben und die Stubencammer zur Ligerstatt«. Der junge Müllner heiratete im folgenden Jahr Maria Lowiser. Die Mühle wurde 1721 mit vier Mahlgängen und einem Ölschlag beschrieben.

Die Müllnerfamilien Mader und Hörmann (1725 bis 1751)

1725 ist der Müllner Johann Lochner verstorben. Deswegen fiel »auf absterben Hansen Lochners seelig die von ihme ingehabte helfte des ersten und anderten halben thails der Mühl zu Voglarn seinen vier eheleiblichen Khindern Simon, Maria, Anna und Elisabeth erblich an«. Die Geschwister haben sich daraufhin mit ihrer Schwester Anna verglichen und die Witwe Maria Lochner übergab die Mühle ihrer Tochter Anna. Anschließend heiratete Anna Lochner den Joseph Mader von Mahd.
Josef Mader erhielt 1735 vom Salzamt Traunstein zu »Erhöbung« eines Wuhrs 70 Stämme Bauholz aus der Pechschnait.
1743 ist Joseph Mader verstorben. »Auf ableiben Josephen Maders ist die helfte des ersten und anderten halben theils der Mühl zu Vogling seinen 2 Khindern Maria und Anna erblich zukhommen«. Die Witwe Anna Mader heiratete nun 1744 den Silvester Hörmann mit der Bedingung, dass »nach ihren etwo erfolgenten vorabsterben der selbe einer aus ihren in erster Ehe erworbenen Töchtern an der Besizung gesagter Mihl weichen und mit nachgesezten Austrag sich begniegen lassen solle«. Zur Austrag wurde dem Silvester Hörmann unter anderem »neben einem warmen Winkhl in der Wohnstuben zugewiesen das Stibl auf dem Stampf«.

Meinrad Schroll


Teil 2 in den Chiemgau-Blättern Nr. 19/2006



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