Jahrgang 2014 Nummer 28

Die Gottesmutter besiegt den Löwen

Eine Ausstellung über ein seltenes Motiv im Bergbaumuseum Leogang

Madonna auf dem Löwenthron in Hermsdorf.
Muttergottes von Rengersdorf.
Löwenmadonna von Klosterneuburg.
Löwenmadonna in Leogang.

Maria mit der Rose, Maria mit dem Apfel, Maria im Ährenkleid, Maria im Sternenkranz – die Maler früherer Zeiten haben weder Kunst noch Phantasie gescheut, um der Gottesmutter in immer neuen Darstellungen ihre Verehrung zu erweisen. Dazu gehörte auf dem Bild mit der Madonna natürlich auch die entsprechende Beigabe. Rose, Ähren, Apfel, Sterne, gelegentlich auch ein Papagei, nämlich auf Martin Schongauers Kupferstich von 1470. Natürlich steckte dahinter immer auch ein theologisches Programm, Rose, Ähre und Sterne hatten eine symbolische Bedeutung, die teils in der Bibel, teils in den Schriften der Kirchenväter oder anderer Heiliger zu finden war.

Die Deutung der Symbole ist oft nicht einfach und erfordert eine gute Kenntnis der entsprechenden Literatur, zumal manche Symbole je nach dem Zusammenhang eine unterschiedliche Bedeutung haben können. Bei einem Tier wie dem Papagei tat man sich überhaupt schwer, weil er in keiner biblischen oder theologischen Schrift aufzufinden ist. Meister Schongauer hatte offenbar seiner Phantasie allzu freien Lauf gelassen. Wie Künstler eben manches Mal sind.

Dass auch der Löwe auf Marienbildern und -skulpturen auftaucht, ist ungewöhnlich. Eigentlich ist der Löwe als Attribut dem heiligen Kirchenlehrer Hieronymus vorbehalten. Allerdings ein zahmes Exemplar. Der Legende nach hatte er seine Pfote an einem Dornstrauch verletzt und brüllte vor Schmerzen. Der in der Wüste büßende Heilige hatte Mitleid mit dem Tier und entfernte den Dorn. Zum Dank dafür blieb der Löwe künftig bei ihm, verteidigte ihn und erledigte allerlei Dienste.

Aber der Löwe findet sich auch auf Darstellungen der Muttergottes, und zwar in der Spätgotik vorwiegend in Böhmen und im Salzburgischen. Das hat das Bergbau- und Gotikmuseum in Leogang im Salzburger Land zur Ausstellung »Gotische Löwenmadonnen« bewogen, die bis Ende August in Zusammenarbeit mit dem Museum der Stadt Olmütz in Mähren in Leogang gezeigt wird. Zu sehen sind Holzskulpturen aus verschiedenen Gegenden und Stilepochen, die Maria mit dem Jesuskind am Arm entweder auf einem Löwen stehend oder in Sitzhaltung mit zwei Löwen zu ihren Füßen darstellen. Im Gegensatz zu den Löwen als Wappentiere, die Stärke und Macht ausdrücken, handelt es sich bei den Löwen im Zusammenhang mit der Muttergottes nicht um angsteinflößende, sondern um verspielt wirkende, gezähmte Tiere, von denen keinerlei Gefahr auszugehen scheint.

In der Bibel begegnet uns der Löwe in doppelter Bedeutung. Einerseits ist er ein Symbol für Macht und Stärke, so wenn der Stamm Juda mit einem Löwen verglichen wird oder der Thron von König Salomon mit zwölf Löwen geschmückt ist. Für die Kirchenväter ist der Löwe außerdem ein Sinnbild für die Auferstehung, denn seit der Antike war der Glaube verbreitet, Löwenjunge kämen tot zur Welt und würden erst am dritten Tage vom Hauch ihres Vaters zum Leben erweckt. Andererseits steht der Löwe auch als Repräsentant des Satans, der die Menschen verführen will. Im 1. Petrusbrief mahnt der Apostel zur Wachsamkeit mit den Worten: »Brüder, seid nüchtern und wachsam, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.«

Bei der Darstellung Marias als Löwenmadonna haben die Künstler wohl an diese Bedeutung gedacht und in der Muttergottes die Siegerin über den Bösen ausdrücken wollen. Ein anderes Bild dafür ist Maria, die einer Schlange den Kopf zertritt. Diese Darstellung nimmt Bezug auf die biblische Erzählung vom Sündenfall des ersten Menschenpaares, das der Teufel in der Gestalt der Schlange zum Übertreten des göttlichen Gebotes verführt hat. Die Ankündigung Gottes, »die Frau wird einst der Schlange den Kopf zertreten«, wurde von vielen Theologen auf Maria bezogen. Beide Tiere, Schlange und Löwe, eigneten sich wegen ihrer Unberechenbarkeit und Bedrohlichkeit sehr gut als Symbole für den Teufel. Der Löwe zu Füßen Marias wird zwar nicht getötet, aber umgewandelt und unschädlich gemacht. Maria weist den Teufel in seine Schranken und entmachtet ihn – das ist die Botschaft, die von der Löwenmadonna ausgeht.


Julius Bittmann

 

28/2014