Jahrgang 2018 Nummer 25

Vom Bauernbub zum Dichterfürst

Zum 100. Todestag des Schriftstellers Peter Rosegger

Peter Rosegger am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer. (Repros: Marietta Heel)
Porträt des Schriftstellers Peter Rosegger.
Roseggers Geburtshaus bei Krieglach in der Steiermark.
Buch »Peter Rosegger – Leben Werke Landschaften«.

Es hätte die Krönung seiner schriftstellerischen Laufbahn werden können: 1913, fünf Jahre vor seinem Tod, galt Peter Rosegger als der aussichtsreichste Anwärter auf den Literaturnobelpreis. Doch international wurde seine Nähe zur deutschnationalen Agitation nicht besonders geschätzt. Er hatte nämlich zu einer Spendenaktion aufgerufen, um deutsche Schulen in den gemischtsprachigen Gebieten von Böhmen und Mähren zu unterstützen. Verärgerte Tschechen vereitelten daraufhin erfolgreich die Ehrung des 70-jährigen Volksdichters – der immer stärker werdende Nationalismus auf allen Seiten spitzte sich schon in Richtung Erster Weltkrieg zu. Der Preis ging an den bengalischen Dichter Rabindranath Tagore.

Geboren wird Peter Rosegger am 31. Juli 1843 in der Nähe von Krieglach (Steiermark) als erstes von insgesamt sieben Kindern der Bergbauern Maria und Lorenz Roßegger. Vier seiner Geschwister sterben jung, nur sein Bruder Jakob (1845 - 1914) und seine Schwester Maria (1853 - 1934) sollen ein hohes Alter erreichen. Seine Mutter bringt ihm schon früh das Lesen bei und verschafft ihm damit einen in seinem Herkunftsraum unschätzbaren Startvorteil. Den ersten, allerdings unregelmäßigen Unterricht erhält er von Michael Patterer, einem ehemaligen Schulmeister und Mesner, der im Jahr 1848 wegen seiner liberalen Ansichten vom Pfarrherrn aus dem benachbarten St. Kathrein/Hauenstein vertrieben worden ist. Und nun, da ohne Einkommen, gegen Unterkunft, Kost und Tabakgeld in den umliegenden Bauernhöfen Unterricht gibt.

Da Peter Rosegger zu schwächlich ist, um Bauer zu werden, meinen seine Eltern, dass der aufgeweckte und lernbegierige Bub vielleicht für den geistlichen Beruf tauge. Also verfrachtet man den Elfjährigen im Jahr 1854 in das 35 Kilometer entfernte Birkfeld, wo ihm ein Dechant zunächst einmal Latein beibringen soll. Doch der junge Peter hält es dort nur ein paar Tage aus, dann packt ihn das Heimweh und er wandert zurück zum heimischen Hof – einen ganzen Tag lang. Mit siebzehn Jahren beginnt er beim »Störschneider« Ignaz Orthofer, also einem Schneider ohne eigene Werkstätte, eine Lehre und arbeitet an der Seite seines Meisters auf nicht weniger als 67 Höfen der Umgebung. Dabei lernt er Land und Leute kennen, eine Zeit, die er später als seine »Universität« bezeichnen wird. Während dieser viereinhalb Jahre beginnt er auch zu schreiben, Gedichte und Lebensbeschreibungen, in denen er sich als »Bauernsohn« auf der Alpe Krieglach in der Steiermark vorstellt. Nebenher sammelt er für den Komponisten Jakob Eduard Schmölzer alte Volkslieder und übergibt ihm 1864 stolz das Ergebnis: drei dicke Hefte erlauschter und sorgsam aufgezeichneter »Volkslieder aus der Steiermark.«

Im selben Jahr wird Adalbert Svoboda, der Chefredakteur der Grazer »Tagespost«, auf das junge Talent aufmerksam und verschafft Rosegger einen Freiplatz an der Grazer Akademie für Handel und Wirtschaft, damit er seine bislang weitgehend versäumte Bildung nachholen kann. In diese Zeit fällt auch ein Schicksalsschlag, den er zeitlebens nicht verwinden kann: 1868 können seine Eltern den verschuldeten Hof nicht mehr halten, das Geburtshaus Roseggers wird verkauft und die Eltern müssen in ein kleines Ausgedinghaus ziehen.

Ein Jahr später verlässt Rosegger die Akademie und lebt von nun als freier Schriftsteller. Im Verlag Pock erscheint mit Unterstützung eines Freundes, des Dichters Robert Hamerling, sein erstes Buch »Zither und Hackbrett«, eine Sammlung von Mundartgedichten. Es folgt »Tannenharz und Fichtennadeln« in Mundartprosa, und im Jahr 1870 erscheinen die »Sittenbilder«, welche später zu »Das Volksleben in der Steiermark« ausgebaut werden. Nebenbei ermöglicht es ihm ein Stipendium des Landes Steiermark, nach Deutschland, in die Niederlande, die Schweiz und nach Italien zu reisen.

Im Juli 1872, ein halbes Jahr nach dem Tod seiner Mutter, lernt er Anna Pichler kennen, die Tochter eines Grazer Hutfabrikanten. Es muss Liebe auf den ersten Blick sein, denn bereits wenige Monate später hält Rosegger um ihre Hand an. Am 13. Mai 1873 findet in der Kirche Mariagrün bei Graz die Hochzeit statt, und am 20. Februar 1874 wird Rosegger erstmals Vater: Sepp Rosegger, ein späterer Arzt und Komponist, wird geboren. In diesem Jahr erscheint auch das Werk »Die Schriften des Waldschulmeisters.« Doch schon 1875 findet das gemeinsame Glück ein jähes Ende: Bald nach der Geburt der Tochter Anna stirbt Roseggers Gattin völlig überraschend am 16. März 1875.

Nach diesem schweren Schicksalsschlag flüchtet Rosegger in die Arbeit. Er sucht sich eine neue schriftstellerische Herausforderung und beginnt ab Oktober 1876 mit der Herausgabe seiner Monatszeitschrift »Der Heimgarten.« In den folgenden Jahren gelingt es ihm, viele prominente Mitarbeiter zu gewinnen, darunter Ludwig Anzengruber, Wilhelm Busch, Marie Ebner-Eschenbach, Karl May, Bertha von Suttner und Leo Tolstoi. Die Zeitschrift erreicht die für damalige Verhältnisse respektable Zahl von rund 3000 Abonnenten, und Rosegger zeigt sich darin von einer bislang völlig unbekannten Seite. Engagiert und zeitkritisch bezieht er selbst Stellung zu aktuellen Streitfragen wie Nationalitätenkampf, Antisemitismus, Bauernsterben und Kirchenpolitik und positioniert sich mit einem deutschnationalen Liberalismus. Dabei spart er nicht mit Sozialkritik, was ihm wütende Proteste und Vorwürfe einbringt.

Trotz der vielen journalistischen Arbeit vernachlässigt Rosegger sein dichterisches Schaffen nicht und setzt die Serie seiner erfolgreichen Bücher 1877 mit dem Erinnerungsband »Waldheimat« fort. Seine finanzielle Situation hat sich bereits so verbessert, dass er sich ein Landhaus in Krieglach erbauen lassen kann. Im Mai 1879 heiratet er Anna Knaur, die Tochter eines wohlhabenden Baumeisters, mit der er drei Kinder hat, den späteren Schriftsteller Hans Ludwig Rosegger sowie die Töchter Margarete und Martha. 1888 löst sein Roman »Jakob der Letzte« heftige Diskussionen über die Lage der Bauern aus. Am 29. Juli 1896 verstirbt der Vater des Schriftstellers, Lorenz Roßegger, im 82. Lebensjahr. Im Jahr 1897 erscheint der Roman »Das ewige Licht«, ein paar Jahre später folgen die Bücher »Erdsegen« und »Mein Himmelreich.«

Daneben hält Rosegger unzählige Lesungen in Graz, Wien, Prag, Dresden, Hamburg und anderen Städten, eine Auswahl seiner Erzählungen für die Jugend wird unter dem Titel »Als ich noch der Waldbauernbub war« (3 Bände, 1899 - 1902) zu einem der größten Bucherfolge der Zeit. So rückt er schon zu Lebzeiten in das Pantheon literarischer Heroen auf, »gefeiert als Sozialist oder als Heimatdichter, als Christ oder Kirchenkritiker, Liberaler oder Antisemit, Patriot oder Pazifist« (Reinhard Farkas). Mit Beginn des Ersten Weltkrieges engagiert sich Rosegger, der in den 1890er Jahren noch Bertha von Suttners »Verein der Friedensfreunde« angehört hat, für »die deutsch-österreichische Waffenbrüderschaft« und verfasst 1916 gemeinsam mit dem Priesterdichter Ottokar Kernstock den »Steirischen Waffensegen.« Am 26. Juni 1918 stirbt Peter Rosegger in seinem Landhaus in Krieglach, wo sich auch seine Grabstätte befindet. Er war neben Jules Verne der meistgelesene Autor seiner Zeit, über 15 Millionen seiner Bücher wurden verkauft und in 28 Sprachen übersetzt.

Als weiterführende Lektüre empfiehlt sich das Buch »Peter Rosegger – Leben.Werke.Landschaften« von Reinhard Farkas und Jakob Hiller, erschienen im Grazer Leykam Verlag. Dieser Bild-Textband zeigt Roseggers Leben in Wort und Bild und richtet sich an ein breites Publikum ebenso wie an Leser, die mit Roseggers Werk und Biografie bereits vertraut sind. Interessante Details kommen dabei zum Vorschein, etwa, wieso er auf den Namen Peter getauft wurde: »Früher wurde in ländlichen und katholischen Gebieten das Neugeborene nach dem nächstfolgenden Gedenktag von Heiligen getauft. Nächstliegend: Der 1. August ist dem Apostel Petrus gewidmet.«

Dabei stehen die Wirkungsstätten Roseggers, vor allem die Waldheimat und Graz, im Vordergrund. Diese »Rosegger-Landschaften« werden in eindrucksvollen Farbbildern vorgestellt, die Werkinterpretationen bringen Verschollenes und Überdecktes wieder zum Vorschein. So leistet der Band zum Jubiläumsjahr 2018 einen gewichtigen und qualifizierten Beitrag zur Erhellung von Leben und Schaffen Roseggers.

Als Beigabe enthält der wunderschön aufgemachte Band Roseggers bislang unbekannten Erzählung »Das schöne Lenerl«, und im Anhang finden sich Rosegger-Zitate von A - Z.

 

Wolfgang Schweiger

 

Quellen: Gerald Schöpfer und Wim van der Kallen: »Peter Rosegger und die Waldheimat«, Graz 1993; Volkskultur Steiermark GmbH, Graz; Wikipedia. Fotos mit freundlicher Genehmigung der Volkskultur Steiermark GmbH / F.J.Böhm.

 

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