Jahrgang 2018 Nummer 46

Heilige Gertrud, Äbtissin

Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Gertrud (Gertraud), Schwester der heiligen Mechthild aus dem edlen Geschlechte der Hackeborn, wurde 1264 zu Eisleben (Provinz Sachsen) geboren. Mit fünf Jahren schon ward sie den Benediktinerinnen zu Rodersdorf zur Erziehung übergeben. Sie trat in das Kloster, wanderte nach Helfeda über und wurde 1294 Äbtissin. Sie hatte volle Kenntnis der heiligen Schrift und der lateinischen Sprache. Es wurden ihr viele Offenbarungen zuteil, welche sie auf Befehl Gottes lateinisch niederschrieb. Gebet und Betrachtung waren ihre Lieblingsbeschäftigungen. Durch Wachen, Fasten und Bußwerke züchtigte die fromme Braut Gottes ihren Leib. Als Äbtissin sorgte Gertrud wahrhaft mütterlich für die geistigen und leiblichen Bedürfnisse aller Schwestern. Die seligste Jungfrau Maria war ihr erhabenes Vorbild und ihre beständige Zuflucht. Auch die armen Seelen vergaß sie nicht. Besonders strebte Gertrud dahin, sich selbst gänzlich abzusterben und in Gott versenkt zu werden, damit sie keine andere Verrichtung mehr hätte, als ihn unablässig zu lieben und zu vollbringen, was die Gottesliebe auferlegt. So sehr war die Heilige in den Willen Gottes ergeben, dass sie es ertrug, wenn sie die Heimsuchung des heiligen Geistes entbehren musste, aus dem Leidenskelche des Heilandes zu trinken hatte, und wenn Trübsale über sie kamen. Dafür aber wurde sie wieder himmlischen Trostes teilhaftig, gar oft verzückt und mit himmlischer Freude erquickt. Ihre reine Seele schwebte zum Himmel empor den 15. November 1334. Gott verherrlichte sie durch Wunder. Ihr Verehrungstag ist im Benediktinerorden der 17. November.

Lehre. Von der heiligen Gertrud gilt dasselbe was von ihrer heiligen Schwester Mechtild gesagt wird, dass sie als ein treues und frommes Kind der katholischen Kirche von keiner Lehre und Andachtsübung wissen wollte, die nicht mit der Lehre und Übung derselben übereinstimmte. – Wie schändlich ist es, dass gewinnsüchtige Spekulanten immer wieder Andächteleien, abergläubische Gebete mit Angabe falscher Verheißungen und Ablässe drucken und verbreiten und denselben ein katholisches Mäntelchen umhängen, wiewohl alles verlogen ist!

Kirchengebet. O Gott, der du im Herzen der heiligen Jungfrau Gertrudis dir eine angenehme Wohnung bereitet hast: vertilge gnädig durch deren Verdienste und Fürsprache die Makeln aus unserem Herzen und verleihe, dass wir uns dereinst in ihrer Gesellschaft erfreuen dürfen. Amen.

 

Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.

 

 

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