Heilige Gertrud, Abtissin
Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Gertrud (Gertraud = sehr hold) war die Tochter des seligen Pipin von Landen, Majordomus (Reichsregent) des Königs von Austrasien und der seligen Itta, geboren 631. Zur Ehe aufgefordert, erklärte Gertrud in Gegenwart des Königs Dagobert: »Ich habe zum Bräutigam jenen erwählt, dessen ewige Schönheit der Grund der Schönheit aller Geschöpfe ist; dessen Reichtümer unendlich sind; und vor dessen Angesicht die Engel anbetend niederfallen«. Auf Geheiß des Königs wurde sie nicht weiter belästigt. Die Mutter stiftete zu Nivelle in Brabant (Belgien) ein Benediktinerinnenkloster. Gertrud trat in dasselbe ein und wurde dessen erste Abtissin. Ihre Mutter unterstellte sich ihrer Leitung. Die Heilige hatte von Jugend an ihre Freude am Schmucke der Altäre und Gotteshäuser. Sie übte sich im Nachtwachen, im Gebete und in Strengheiten jeglicher Art. Gertrud hatte außerordentliche Kenntnisse der heiligen Schrift und erklärte zum Erstaunen die tiefsten Geheimnisse. Sie erbaute viele Kirchen und wurde die Zuflucht der Armen, Witwen, Waisen, Gefangenen und Pilger. Als sie vor dem Altare betete, schaute sie einen hellglänzenden Lichtkreis über sich, der die ganze Kirche erhellte. Die heilige Abtissin erlangte die Himmelskrone am 17. März 664. Sie wird gegen Verheerungen durch Ratten und Mäuse angerufen.
Lehre. Die Behauptung, dass zumal Frauenklöster ohne einen bestimmten äußeren Beruf unnütz seien, ist falsch und ungerecht. Gleichwie Privatpersonen nach ihrer Weise beliebig leben können, so kann man auch Ordenspersonen nicht verbieten, für sich allein zu leben und Gott zu dienen. Solche Klöster sind jedoch auch sehr nützlich nach außen. Denn das geregelte Leben ermöglicht Almosen. Es werden oft die herrlichsten Paramente gemacht, Reliquien gefasst, die prachtvollsten Kunststickereien gefertigt. Auch sind reine, unschuldige Seelen am besten imstande, für die Mitmenschen zu beten und Gottes Strafruten zurückzuhalten.
Gebet. O Gott, der du im Herzen der heiligen Jungfrau Gertrud von ihrer Kindheit an dir eine angenehme Wohnung bereitet hast: verleihe uns wegen ihrer Verdienste und Fürbitte, dass wir unser Herz von allem Irdischen losschälen und als eine dir wohlgefällige Wohnung von allem Bösen rein bewahren. Amen.
Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.
11/2018