Jahrgang 2018 Nummer 32

Es war einmal . . . »Beim Zischeck«

Aus der Geschichte eines Vachendorfer Wirtshauses

Eine Aufnahme des Gasthauses um 1905.
Das Bild zeigt das Gasthaus während des Kanalbaus 1957.
In den 70er Jahren wurde die »Zischeckin« (im Bild zwischen Sepp Biberger und Nikolaus Diener) für ihre Verdienste um den Sportclub zum Ehrenmitglied des SC Vachendorf ernannt.

In Vachendorf steht das Haus der Dorfgemeinschaft kurz vor seiner Vollendung. Neues Leben wird einkehren in ein Gebäude, das auf eine lange Gasthaustradition zurückblicken kann.

1861 erbaut, ist es bereits seit 1872 als Gaststätte bekannt. Der alte Hausname »Fragnerwirt« bezieht sich auf die seinerzeit benachbarte Krämerei, früher Fragner, in der sich auch heute noch das inzwischen einzige Lebensmittelgeschäft des Dorfs »'s Ladl« befindet.

Franz Xaver Zischeck und seine Frau Katharina kauften 1900 das Haus und übernahmen die Wirtschaft. Deren Sohn Michael lernte das Schreinerhandwerk und heiratete 1931 Ursula Scherzer, was sich sehr bald als ein Glücksfall für die Entwicklung des Gasthauses zeigen sollte, denn »Tante Ulla«, wie sie später von ihren Gästen manchmal liebevoll genannt wurde, war wohl das, was man eine geborene Wirtin nennen würde.

Unruhige Zeiten – Machtergreifung – Nationalsozialismus – der II. Weltkrieg mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergaben, blieben nicht ohne Einfluss auf die Gäste, die in das Wirtshaus Zischeck kamen und dort wohnten und auf die Aufgaben, die sich der jungen Wirtin dadurch immer wieder neu stellten.

Zum Autobahnbau wie auch zu Reparaturen am Schienennetz der Eisenbahn für die wichtige Verbindung München-Salzburg wurden Arbeiter benötigt, die Kost und Logis im Gasthaus Zischeck fanden.

Sommerfrischler kamen und genossen das wunderschöne Bergpanorama von Hochfelln und Hochgern, bestaunten Flora und Fauna der herrlichen Landschaft, entdeckten den versteckt und malerisch gelegenen Tüttensee zum Baden oder besuchten den Chiemsee, die Fraueninsel und Herrenchiemsee mit dem prächtigen Schloss Ludwigs II.

Doch als der Krieg über das Land hereinbrach, änderte sich das Klientel der Gäste sehr bald.

Durch zerbombte Großstädte und die Kämpfe zwischen feindlichen Truppen und den nachfolgenden Vertreibungen kamen viele heimatlos gewordene Städter und Flüchtlinge auch nach Vachendorf. Evakuierte aus Rheinland und Ruhrgebiet wohnten in diesen Notsituationen »Beim Zischeck«.

Nach dem Ende des II. Weltkriegs fanden sich 1946 die von den Schlachtfeldern heimgekehrten Fußballer des SC Vachendorf wieder zusammen und meldeten eine Fußballmannschaft und eine Damen- Feldhandball-Mannschaft an. Nachdem Bayern zur amerikanischen Besatzungszone gehörte, musste eine Satzung zur Sportausübung in englischer Sprache bei der Militärregierung eingereicht werden. Die Genehmigung wurde erteilt.

Im Clublokal »Beim Zischeck« wurden für den Spielbetrieb ein Umkleideraum und eine Waschgelegenheit in Form eines Wassertrogs bereit gestellt.

Nach dem Spiel ging es oft hoch her in der Wirtschaft, jeder Sieg wurde feucht-fröhlich gefeiert, es gab einige Ziachspieler in der Mannschaft. Der Surrer Sepp, der Schroll Sepp und der Hermann spielten auf und auch der Maschtern Schorsch half notfalls aus. Die »Zischeckin« ließ sich nicht lumpen – der erste Humpen Bier ging immer auf Kosten der Wirtin.

Die Weihnachtsfeier war der Höhepunkt des Jahres für den Sportclub, Vorstandschaft und Spieler feierten zusammen mit ihren Frauen und Freundinnen mit Musik und Weihnachtsliedern, und im gemütlichen Teil des Abends brachte Nik Diener lustige Gedichte über die Spieler und ihre Stärken und Schwächen, sie wurden richtig derbleckt.

Frau Zischeck wurde wegen ihrer Verdienste um den Sportclub zum Ehrenmitglied des SC Vachendorf ernannt.

Die Wirtin hatte ein Herz für Kinder, sie hatte ja selbst auch eine Tochter und zwei Söhne, und so gab es zu den verschiedensten Anlässen immer wieder kleine Wohltaten.

In den fünfziger Jahren leuchteten die Augen der Kleinen, wenn sie für wenig Geld ein Eis kaufen konnten, das mit der Eismaschine eigenhändig hergestellt wurde, oder wenn sie sich, für ein Zehnerl, vor die neueste Errungenschaft, den Fernsehapparat, setzen durften und die Abenteuer von »Fury« voll Spannung verfolgten.

Auch die Erwachsenen trafen sich in der Wirtschaft zum Fernsehen. Wie gebannt saß man vor dem Bildschirm und erlebte in dem Film »Soweit die Füße tragen« nochmals den überstandenen Krieg, Gefangenschaft und Heimkehr der Soldaten. Da der Fernsehapparat durch den Einwurf von Münzen in Betrieb genommen wurde, beeilte man sich immer, diesen rechtzeitig wieder zu füttern, denn sonst sahen die Zuschauer plötzlich nur noch schwarz.

Die ersten Sommergäste kamen wieder und fanden im ersten Stock des Wirtshauses Quartier, der Fremdenverkehr in Vachendorf blühte auf. Als gelernte Köchin kochte die Wirtin hervorragend, und ihr Lüngerl, ihre Sülzen und ihr selbstgemachter Senf, dessen Rezept als Geheimnis streng gehütet wurde, waren bald überall bekannt und beliebt.

In diesen Zeiten fand auch des Öfteren ein Taubenmarkt statt. Aus dem Umkreis kamen die Tauberer mit ihren Brieftauben zusammen. Da war die ganze Wirtschaft zum Taubenschlag geworden, und die Tauberer hatten Mühe, sich in dem Lärm zu verständigen. Auch für neugierige Zuschauer war der Besuch ein Erlebnis, und der jüngste Sohn der Wirtsleut nutzte die Gelegenheit zusammen mit einer kleinen Freundin, um hinterm Taubenhaus die erste Zigarette zu rauchen, wobei sie dann leider erwischt wurden.

Viele solcher Geschichten und Erinnerungen werden wach, spricht man mit älteren Bürgern des Dorfes, Junggesellenabschiede werden wieder lebendig und über das Treiben am Faschingskehraus damals lacht man auch heute noch herzlich.

Man gehörte zusammen, das war spürbar und erlebbar in all den vielen Begegnungen und Aktivitäten, die im Gasthaus Zischeck stattfanden, das war gelebte Dorfgemeinschaft. Möge der gute Geist in den alten Mauern im neuen Gewand weiter wirken!

 

Angelika Nistler, Ortsheimatpflegerin

 

Das Senf-»Geheimrezept« nach Frau Zischeck

700 g gelbes Senfmehl, 300 g grünes Senfmehl, ½ l Essig, 2 ½ l Wasser, 2 Pfund Farinzucker, 4 Lorbeerblätter, 5-10 Wachholderbeeren, 10 Pfefferkörner, 2 Zitronenscheiben, 1 Zwiebel mit Nelken spicken, 2 EL Salz, 2 EL Zucker, 1 TL Honig, 2 TL Meerrettich. Das Wasser mit dem Essig und allen Gewürzen erhitzen und dann auf kleiner Flamme 20 Minuten ziehen lassen. Die Masse abkühlen und abseihen. Alles gut durchmischen und einen Tag stehen lassen! Zum Schluss die Masse stacheln! (heißt: mit einem durch Holzfeuer geglühten, speziellen Schürhaken (Stachel) an drei verschiedenen Stellen in die Masse stechen!). In Gläser füllen und verschließen.

 

32/2018