Jahrgang 2018 Nummer 2

Die schweren Jahre einer Komikerin

Eine Ausstellung zum 125. Geburtstag von Liesl Karlstadt

Als Gebirgsjäger(in) auf der Ehrwalder Alm, Anfang 1940er Jahre. (Alle Fotos: Dr. Hans Gärtner)
Auf das Liesl Karlstadt-Kabinett weist das Schild am Musäumseingang hin.
Unter dem Foto Weihnachtspaket-Anhänger mit Liesl Karlstadts Handschrift.
Dezember 1930 als Frau Vogel in den Münchner Kammerspielen.
Liesl Karlstadt in der Titelrolle des Psychiaters ihres »Patienten« Karl Valentin in dem Streifen »Beim Nervenarzt« (1936).
Postkarte Liesl Karlstadts an Norma Lorenzer, Landshut 1942.

Sabine Rinberger hat 11 Jahre auf den passenden Anlass gewartet. Der 125. Geburtstag von Liesl Karlstadt am 12. 12. 2017 kam der »Valentin-Karlstadt-Musäums«-Chefin gerade recht. Nun konnte sie endlich rausrücken mit dem kostbaren biografischen Material, das ihr vor elf Jahren eine junge Dame namens Brigitte Eriksson am Münchner Isartorturm vorbeibrachte: ein Packerl Briefe ihrer Mutter, der in den USA zum Doktor der Medizin promovierten Norma Lorenzer. Am 21. 3. 1936 erhielt Frau Dr. Lorenzer folgenden Dankesbrief von Liesl Karlstadt:

»Nehmen Sie recht lieben Dank für Ihren so herzlichen Brief u. Ihre große Anteilnahme nach meiner Berliner Rückkehr (entgegen). – Leider war es aber in Berlin so anstrengend in jeder Beziehung und ich konnte trotz bestem Willen nicht durchhalten. – Schwer krank kam ich nach München und habe die ersten 4 Wochen nichts wie geschlafen. Ich hatte mir eben doch gleich zu viel auf einmal zugetraut. Und Berlin ist ja sowieso eine aufreibende Stadt. – Durch diesen Rückfall der mich doch unerwartet traf, da es die erste Zeit sehr gut ging, war es mir so traurig zu Mute, dass ich seither einfach es nicht wagte, jemanden auf‘s Neue zu belästigen. – Obwohl ich mit großer Sicherheit wusste, dass Sie, Verehrteste, mich bestimmt besucht hätten – so oft und oft waren meine Gedanken bei Ihnen – ich konnte nicht – immer war ich gehemmt. Dann kamen wieder Filmtage, die mit großer Überwindung geschafft werden mussten…«

Mit Andreas Koll inszenierte Rinberger ein bisher zwar nicht unbekanntes, aber nur lückenhaft belegtes Kapitel in der Lebensgeschichte der großen Komikerin, die oft nur als Partnerin Karl Valentins in der Münchner Theater-Landschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefeiert wurde. Dabei war es gerade das zwiespältige Verhältnis zum äußerst komplizierten Valentin, das der Karlstadt das Leben nicht nur schwer machte, es sie sogar zu beenden versucht hatte. Aus dem Berliner Hotel Savoy am Bahnhof Zoo schickt sie ihrer Freundin Norma Lorenzer eine Postkarte in die Münchner Keferstraße 10 mit einer Fotoporträt-Briefmarke und dem hörbaren Seufzer unter ihrem Autogramm:

»Herzlichst Liesl Karlstadt. – K. V. (Karl Valentin) ist sehr schwierig – aber ist ja bald vorbei!«

Aus den 130 Briefen und Postkarten, die Liesl Karlstadt zwischen 1935 und 1953 an ihre Freundin Dr. Norma Lorenzer gerichtet hatte und die jetzt zu Rinbergers besonders gehüteten Schätzen zählen, ließ sich eine fast zu punktgenaue und detailreiche, allerdings vielgestaltige und, mit der nötigen themabedingten Einschränkung, auch »amüsante« Ausstellung basteln. Der beengte Raum im Isartorturm gebot es, so sparsam wie nur möglich bei der gelungenen Präsentation der vielen Exponate umzugehen. Die meisten haben Koll und Rinberger faksimiliert auf Rahmen gezogen und sie zu einigen realen Memorabilien gestellt. Ein paar Seh-Stationen wurden installiert. Sie zeigen alte Filmaufnahmen der Karlstadt, freilich stets mit ihrem Lebens-Bühnen- Partner Nr. 1, etwa den thematisch höchst bemerkenswerten Film »Beim Nervenarzt« (1936).

Vier Jahre früher hatte sie ihrem Partner Karl Valentin, der den Patienten spielte, ein Foto von sich überreicht. Die Widmung lautete:

»Meinem komischen Partner & Patienten Karl Valentin in nie versagender Geduld gewidmet von Liesl Karlstadt – Beruf: Nervenärztin, Nebenbeschäftigung: Komikerin.«

Von der Decke baumeln über der leidigen Lebenskapitel-Schau runde Stationstafeln auf grünem (Hoffnungs-) Grund mit den Jahreszahlen 1928 bis 1949 und Aussprüchen der Karlstadt oder Valentins wie »Im Ernst ko i net schimpf‘n, höchstens woana!« (1940), »All die Fenster kaputt, unsere Wohnungstür entzwei gerissen« (1944) oder »Halte aus im Sturmgebraus!« (1935). In diesem Jahr war es im Leben der gefeierten, stets aber auch stark leidenden und durch Rückschläge gefährdeten Schauspielerin Liesl Karlstadt, 1892 in München geboren, 1960 in Garmisch gestorben, zur Katastrophe gekommen. Bei der Biografin Gunna Wendt steht lapidar: »Nervenzusammenbruch. Am 6. April Selbstmordversuch. In den folgenden Jahren immer wieder Krankenhausaufenthalte in der Psychiatrischen Klinik in der Münchner Nussbaumstraße«.

Am 2. Oktober 1935 schrieb Valentin an seine »liebe liebe Li«:

»… Halte aus! Halte aus! Halte aus im Sturmgebraus! Und wenn Du das tust, wird alles wieder gut. Wie sehr du mir nicht ans, sondern ins Herz gewachsen bist, wirst Du wohl nie erfassen …«

Was blieb der aus der Isar Geretteten, von Valentin zu wenig ernst Genommenen anderes übrig als weiterzukämpfen? Welches Glück sie doch hatte, zwei Jahre als »Gefreiter Gustav« bei den Gebirgsjägern auf der Ehrwalder Alm zu verbringen, wo sie sich von Soldaten, Mulis und Katzen trösten ließ, zwischendurch Auftritte in München wahrnehmen konnte, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen! Mit Freundin Norma war sie übrigens 1939 in Venedig, um sich von einer bösen Angina zu erholen. Da soll es ihr (was Glück bedeutete) gelungen sein, zwischen zwei Carabinieri durchzuschlüpfen. So was erfährt man bei einer Ausstellungsführung von Andreas Koll.

In der ersten Liesl-Karlstadt-Biografie hielt Theo Riegler 1961 fest, was die Komikerin, die 1957 nicht weniger als 1200 Glückwunschschreiben zum 65. Geburtstag erhalten hatte, der »Münchner Abendzeitung« anvertraute:

»Mei, i bin do kei so Mondäne, so a Monroe oder Genalolo Brigida, was Ihr alleweil mecht‘s! Für die meisten bin i halt die Mutter Brandl. Wie jetz‘ die Gisela geheiratet hat (in der Sendung, versteht sich), da hab‘ i so a liabe Kart‘n kriagt, zum Beispiel von der Renate aus Niederbayern, die hätt‘ glei bei mir als Haustochter eintret‘n woll‘n. Aber leider, im Haushalt kann ich keiner was lernen, ich bin ja viel zu häufig auswärts.«

Diese Sonderausstellung, unterstützt vom Valentin-Karlstadt-Förderverein »Saubande«, hat die Potenz, die Karlstadt-Biographien von Wendt, Monika Dimpfl, Barbara Bronnen und Michaela Karl zu ergänzen. Bis 20. Februar geöffnet: Montag, Dienstag, Donnerstag von 11. Januar bis 17.29 Uhr, Freitag, Samstag von 11.01 bis 17.59 Uhr, Sonntag von 10. Januar bis 17.59 Uhr, jeden ersten Freitag im Monat bis 21.59 Uhr.

 

Dr. Hans Gärtner

 

2/2018