Jahrgang 2018 Nummer 23

Die Muttergottes mit dem geneigten Haupt

Das Landshuter Ursulinenkloster präsentiert sein bewahrtes materielles Erbe

Der prachtvolle Hochaltar der Ursulinenklosterkirche mit dem Gnadenbild »Maria mit dem geneigten Haupt« (Fotos Hans Gärtner)
Die Gründerin der Ursulinen, Angela Merici – wie sie die Kumhausener Illustratorin und Autorin Marlene Reidel sah.
Die Vision des Christuskinds, vielleicht mit der heiligen Nonne Angela Merici, Ölgemälde um 1730.
Auf einen Kupferstich von 1777 aus Perugia montiert – der angebliche Verlobungsring Marias.
Das Ursulinenkloster liegt in Landshuts Neustadt. Das Gnadenbild des Hochaltars ziert die Pforte.
Eine erste Bewohnerin von 1668 des Landshuter Klosters in Gebetshaltung vor dem Gnadenbild.

Fünf »welsche Nonnen« aus dem schwäbischen Meßkirch trafen, berufen von Kurfürst Ferdinand Maria, am 7. Juli 1668 in Landshut ein, nicht zur Freude aller Bürger. Als diese jedoch begriffen, wie tüchtig diese »Ursulinerinnen« waren, in Sachen standesunabhängiger Mädchenunterweisung ebenso wie in Sachen Charakter- und Frömmigkeitsförderung, duldeten die Landshuter ihre »Klosterfrauen« nicht nur, sondern integrierten sie freudig als einen wichtigen religiösen und kulturellen Faktor. Seit 1671 gibt es das Ursulinenkloster in Niederbayerns Hauptstadt, seit 1699 wird das von Rom nach Wien und in einer »wunderthätigen« Kopie nach Landshut gelangte Marienbild »vom geneigten Haupt« verehrt. Schulen gibt's hier seit fast 200 Jahren, und bis heute hat sich – auch wenn 2016 die letzten Schwestern Landshut verließen und nach München »in Rente« gegangen sind – eine von Bayerns Vorzeige-Realschulen erhalten.

Das 350-jährige Jubiläum der Landshuter Ursulinen ist für das umtriebige und glückvolle Freisinger Diözesanmuseum Anlass für eine großangelegte Präsentation ihres bewahrten materiellen Erbes: herrliche Gemälde, Bücher, Skulpturen, Einrichtungsgegenstände, Schriften, Devotionalien, Altäre, Fotos, Dokumente, Klosterarbeiten, Schul- und Hausfleißerzeugnisse. In dreieinhalb Jahrhunderten gewachsene und seither gehütete Zeugnisse von Leben, Lehrtätigkeit und Gläubigkeit der segensreichen Landshuter Klosterdamen, die sich unter den Schutz der heiligen Ursula, des heiligen Joseph und der Gottesmutter gestellt hatten. Das weitläufige Gebäude mitsamt Klostergarten betritt der Besucher staunend und bekommt sofort ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert, wie es Christoph Kürzeder, nimmermüder Museumsdirektor, bei der feierlichen Eröffnung mit rund 500 Festgästen prophezeite.

Die Fülle der künstlerisch wie frömmigkeitsgeschichtlich höchst qualitätsvollen Exponate, ob zur Christusnachfolge, Christkindverehrung, geistlichen Schwesternschaft, klösterlichen Erziehung und WGBewirtschaftung, nicht zuletzt zu einem schon früh ausgeklügelten Marketing, raubt selbst dem kritischsten Ausstellungsflaneur den Atem. Im Mittelpunkt der schier endlosen Prachtstücke in Gängen, Zimmern und Sälen des Klostergebäudes steht der Gnadenaltar mit der Landshuter »Wunder-Mutter«, die, mit Goldstern auf der rechten Schulter, den Kopf leicht nach links beugt, den Mund fest geschlossen hält und den gütigen Blick demütig nach unten richtet. Seit 50 Jahren wird das Bild, wie Manuel Götz schreibt, »wieder auf dem reich getriebenen und vergoldeten Kupfertabernakel von 1718 präsentiert«. Zu Tausenden ging es einst, gedruckt auf Papier, Leinen, Seide oder Holz, in die Welt. Es zog zuhauf Wallfahrer nach Landshut. Als Schluckbildchen zum Verzehr in Speis und Trunk gab's einst die »Maria mit dem geneigten Haupt« – so wie man das Motiv heute aus dem Klosterladen auf Geschenkpapierbögen, Tragtaschen, Gebetszetteln oder Lesezeichen als Andenken mit heimnehmen kann. Dazu den brillant bebilderten und umfassend wie detailliert getexteten Katalog (35 Euro), der mit 450 Seiten ein wuchtiges bleibendes Glanzstück dieser Schau darstellt. Darin wird dezidiert auf jedes Exponat eingegangen. Nur einige davon sollen hier herausgestellt werden, die in irgendeiner Hinsicht von besonderer Bedeutung sind:

➪ Eine »Wahre Abbildung des heiligen Josef« – wenn diese Zuschreibung der Visionärin Johanna ab Angelis (1637) aus dem französischen Loudun, stimmt, so mag sie selbst den in Josefs-Dingen Beschlagenen verblüffen.

➪ Während der ungewöhnlich reich gekleidete, der heilige Josef seinen Verlobungsring auf einem Ölgemälde in der Fortunatuskapelle der Klosterkirche »nur« herzeigt, ist der aus Alabaster bestehende, sagenumwobene Verlobungsring seiner Braut Maria auf einen handkolorierten Kupferstich aus Perugia, datiert 1777, montiert.

➪ Ein im verglasten Schaukasten liegendes, wächsernes Fatschenkindl, 2. Hälfte 19. Jahrhundert, soll, laut Aufschrift, »zu Bethlehem auf jenem Stein gelegen (haben), wo Christus gleich nach der Geburt hingelegt wurde«.

➪ Ob es die Gründerin des Ursulinen-Ordens, die heilige Angela Merici selbst ist, die auf einem Ölbild der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Jesusknaben einen Zweig mit der Paradiesfrucht reicht, kann nicht gewiss gesagt werden.

➪ Ein auf Leinwand gemaltes legendäres »vera effigies« Christi mit dem sogenannten Abgar-Haupt nennen die Landshuter Ursulinen ebenso ihr Eigen wie sie eine »wahre heilige Länge« Christi zusammen mit einer »wahren Abbildung der Höhe der Geißelsäule Jesu« in einer gerahmten Tafel aufbewahren.

➪ Wie man sich den Pater Dominikus Jesu Maria vorzustellen hat, brachte einst ein Anonymus mit Ölfarben auf Leinwand. Um 1610 fand dieser barfüßige Karmeliter, gestorben 1636 in Wien, in einem Schutthaufen von Rom ein Marienbild, das dort als Gnadenbild verehrt, zum Vorbild der Landshuter Muttergottes wurde.

➪ Als erste Verehrerin des Landshuter Gnadenbildes »Maria mit dem geneigten Haupt« gilt die gottselige Mater Maria Victoria von der Auferstehung Christi Jäger, die als eine der ersten aus Meßkirch in Landshut 1668, also vor 350 Jahren, angekommenen Schwestern eingekleidet wurde.

Das Veranstaltungs-Programm ist derart vielfältig, dass die Ausstellung »Zugeneigt. Leben, Lernen, Glauben im Ursulinenkloster Landshut«, Neustadt 536, in alle Richtungen vertieft werden und lange nachwirken kann. Bis 11. November ist sie immer von Mittwoch bis Sonntag (10 bis 18 Uhr) geöffnet. Infos: www.ursulinen-ausstellung.de.

 

Dr. Hans Gärtner

 

23/2018