Jahrgang 2018 Nummer 38

125 Jahre Stadtwerke

Ein zufriedener Rückblick vor 100 Jahren in der Hoffnung auf eine gute Zukunft

Verlegen neuer Wasserleitungen am Maxplatz 1893.
Bau des ersten Hochreservoirs auf der Wartberghöhe 1893.
Als am 11. November 1908 der Höllbräu brannte, konnte das neue Wasserwerk genügend Löschwasser bereitstellen, um das Ausgreifen des Feuers und damit eine noch weitaus größere Katastrophe zu verhindern (Zeichnungen im Neuen Münchner Tagblatt vom 14. November 1908 nach Originalaufnahmen des Traunsteiner Fotografen Josef Werkmeister).
Traunkorrektion – Gesamtansicht der Baustelle am neuen Wehr, 1912.

Als die Stadtwerke 1918 auf ihr 25-jähriges Bestehen zurückblicken konnten, war an große Jubiläumsfeierlichkeiten oder gar eine gedruckte Festschrift nicht zu denken. Seit vier Jahren wütete der 1. Weltkrieg, das grausame Völkermorden zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Trauer und Not bestimmten das Leben der Zivilbevölkerung, die einer ungewissen Zukunft entgegensah. Dennoch versäumte es Franz Nußbaumer, der die Werke in ihrem ersten Vierteljahrhundert aufgebaut und umsichtig, aber auf kraftvoll und visionär geleitet hatte, nicht, seine Erinnerungen zu Papier zu bringen.(1) Im Gegensatz zu seinem 1900 verfassten Bericht über die Schwierigkeiten der Anfangsjahre, in dem er mit der Einstellung vieler städtischer Verantwortungsträger hart, ja zum Teil schonungslos ins Gericht ging und laut eigener Aussage für seine mehr als deutlichen Wort auch eine Kündigung in Kauf genommen hätte, ist sein Resümee nach 25 Jahren von Dankbarkeit, Stolz und der Hoffnung auf eine gedeihliche Fortentwicklung der Stadtwerke »zum Besten der lieben Stadt Traunstein« geprägt. Heute, 100 Jahre später, kann man mit Fug und Recht behaupten: Seine Hoffnung hat sich erfüllt. Ihm selbst aber war es nicht vergönnt, den Weg »seiner« Werke aus der Warte eines verdienten, gesellschaftlich geachteten Pensionärs noch ein wenig zu verfolgen. Franz Nußbaumer verstarb im gleichen Jahr, am 14. Dezember, im Städtischen Krankenhaus in Heilig Geist »nach langer, schwerer Krankheit«. Er wurde 63 Jahre alt. Sein berufliches Lebenswerk bleibt ein unverrückbarer Mosaikstein in der reichhaltigen Geschichte der Stadt Traunstein.

 

Vorwort

25 Jahre als erster Lebensabschnitt geben beim Menschen sowohl wie im Bestehen eines Werkes Veranlassung, rückschauend den Blick auf das Vergangene zu richten. Mit dem Jahre 1918 ist ein Vierteljahrhundert verfloßen, seitdem durch die Beschlüße der beiden Collegien die Städtischen Wasserund Elektrizitätswerke Traunstein ins Leben gerufen wurden. Es mag deshalb wohl am Platze sein, in engem Rahmen das Werden sowie die Entwicklung der Werke an unserer Erinnerung vorüber zu führen, um zu prüfen, ob und inwieweit sich die Wünsche und Hoffnungen, welche bei der fertigen Uebergabe der Werke von beredtem Munde ausgesprochen wurden, erfüllt haben.

Vorgeschichte

Die aus früheren Zeiten stammende Wasserversorgung der Stadt, welche zum Teil aus Hochquellen-Leitung und ein bis zum Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in der Mittermühle und später im sogenannten Kugelhammer untergebrachtes Pumpwerk betrieben wurde, konnte dem ums Jahr 1890 einsetzenden Aufschwung der Stadt nicht mehr gerecht werden. Immer lauter und dringlicher wurde von der Bürgerschaft der Wunsch nach einer zeitgemäßen Wasserversorgung ausgesprochen. Die unhaltbaren Zustände sollten beseitigt und im gesundheitlichen Interesse sowie in jenem der Feuersicherheit der Stadt gutes Trink- und Wirtschaftswasser in ausreichender Menge zugeführt werden.

Dießbezügliche Bestrebungen zum Bau einer neuen Wasserleitung reichen bis auf das Jahr 1881 zurück, zu welchem Zeitpunkt schon auf Grund mehrfacher Gesuche von der kgl. Staatsregierung ein sehr namhafter Zuschuß (Mark 3000) in Aussicht gestellt wurde. Alle diese Wünsche jedoch scheiterten an den hohen Kosten, welche die damalige Stadtverwaltung nicht verantworten wollte. Wohl noch vom letzden großen Stadtbrand her war die Stadt [gestrichen: Bürgerschaft] finanziell noch nicht so erstarkt, den Bürgern abermals neue Lasten aufzubürden und ein derartiges Unternehmen zu wagen. Infolge verschiedener anderweitiger und vordringlicher Leistungen, so insbesondere Straßenbau, waren während der ganzen 90er Jahre die Gemeindeumlagen ohnehin schon zwischen 95 und 125 Prozent festgesetzt.

Allein, guter Wille – und die Not – führten auch hier zum Ziel. Trotzdem um das Jahr 1887 bis 1893 die Erbauung der Realschule sowie des Knabenpensionats, der Kinderbewahranstalt, Errichtung eines Waisenhauses, des Schwimmbades u.s.w. sowie Zuschüße zu den Grunderwerbungskosten für die Lokalbahnen nach Trostberg und Ruhpolding und schließlich der Ankauf der Gasfabrik zu leisten waren, beschloßen die städtischen Collegien in der denkwürdigen Sitzung vom 22. Februar 1892 endgiltig, den Bau einer modernen Wasserversorgung sowie eines Elektrizitätswerkes zur Beleuchtung der Strassen und einiger öffentlicher Gebäude durchzuführen. Der Sprung ins Dunkle war gewagt, mochte er zum Heile führen. Das war wohl das Empfinden jener Männer, welche damals die Verantwortung zu tragen hatten.

Schon im Jahre 1888 war durch die Stadt das sogannte Mittermühlanwesen zum Preise von Mark 5000 erworben worden, wohl in der Absicht, die dort vorhandene Wasserkraft von rund 60 Pferdekräften für städtische Zwecke auszunützen. Für diese kluge Voraussicht darf die Bürgerschaft von heute den damals maßgebenden Herrn noch immer dankbar sein, denn sie war der Ausgangspunkt eines segensreichen Unternehmens.

Es bestanden zur Durchführung des beabsichtigten Zweckes drei Projekte, von welchen das erste [darin sein Wesen hatte, daß] durch natürliches Gefälle die Quellen des Kressenbaches bei Hammer mittels einer 12 Kilometer langen Leitung zur Wartberghöhe geführt werden sollten, um in eine dort zu erbauende Hochreserve zu münden. Das zweite Projekt sollte die Quellen der Mitter- und Hintermühle mittels Wasserkraft auf den Guntramshügel heben, während das dritte Projekt nur die Anwesen um den Höllbräukeller mit Druckwasser versehen wollte und die anderen Stadtteile von den Quellen am Bürgerwald bzw. den Kendlangerquellen ihr Wasser erhalten sollten. Nebenher ging auch ein Projekt, welches die starken Quellen unterhalb Empfing benutzen wollte, so daß lange und verschiedenen Wechselfällen unterworfene Verhandlungen nötig waren, aus denen endlich das Mittermühl-Projekt als Sieger hervorging.

Dank der unermüdlichen und aufopfernden Hingabe des † [= verstorbenen] Herrn Bürgermeister[s] Seuffert war die ganze Finanzierung des Unternehmens festgelegt. Die Schuldaufnahme wurde in günstiger Weise plaziert, die Detailpläne durch das kgl. Wasserversorgungs-Büro angefertigt, wodurch der Bestellung der Maschinen und [den] Neubauten nichts mehr im Wege stand. Der Gesamtkostenanschlag wieß eine Bausumme von Mark 208000 für die Wasserleitung und Mark 49000 für den elektrischen Teil auf. Von der kgl. Staatsregierung wurde ein Beitrag von Mark 36000 in Aussicht gestellt und laut Dienstvertrag vom 26. Januar 1893 ein bauleitender Ingenieur aufgenommen.

Der Bau

 

Wer sich noch der alten Holzbrücke erinnert, die am Fuße des Klosterberges über den damals in unbeschreiblicher Vernachläßigung sich befindlichen Mühlbach führte, sowie der alten Säg- und Mahlmühle, die aus Großväterzeiten beschaulich ihrem Zerfall entgegenträumte, der war überrascht, als zu Ausgangs Winter 1892/93 hundert fleißige Hände damit beschäftigt waren, diese Merkmale, der sogenannten »Guten alten Zeit« vom Erdboden verschwinden zu lassen. Unwillkührlich erinnerte dieser Abbruch an das Dichterwort: »Das Alte fällt, es ändern sich die Zeiten, und neues Leben blüht aus den Ruinen.« Und es ist nur zu bedauern, daß dieses alte Stück Traunstein nicht im Lichtbild wenigstens für spätere Zeiten festgehalten wurde.

Ein selten schönes Frühjahr war angebrochen, als gegen Mitte März Locomoblien(2), Zentrifugalpumpen und andere Geräthe an die Baustelle geschafft wurden. Bauhütten waren errichtet, ein ganzer Stab von Beamten und Hunderte von Arbeiter[n] traten in Tätigkeit. Die Straßen der Stadt wurden aufgerissen, auf der Wartberghöhe mit dem Grundaushub zur Hochreserve begonnen und bei der Mittermühle ein Umgehungskanal für den Mühlbach hergestellt, um während des Baues die ober- und unterhalb der Baustelle befindlichen Mühlen in Betrieb zu erhalten.

Wohl verursachten die in der ganzen örtlichen Bauzone auftretenden, mächtigen Quellen manchen Aufenthalt, allein das fortgesetzt schöne Wetter ließ trotzdem die Arbeiten rüstig vorwärts schreiten. Als Saugbrunnen für die neue Pumpenanlage war eine mitten in der ehemaligen Mahlmühle seit alters her bekannte und mit einem alten Mühlstein zugedeckte Quelle ausersehen. Ein Brunnschacht von [der Zahlenwert fehlt] Meter Durchmesser und 5 Meter Tiefe wurde eingetrieben, wobei diese Quelle sich als so reichhaltig erwies, daß bis auf den heutigen Tag die Zuleitung weiterer Quellen nicht nötig wurde, trotzdem heute oftmals eine Schüttung von 25 Sekundenliter verlangt wird.

Ohne nennenswerten Unfall schritt das Werk stetig seiner Vollendung entgegen. Schon Mitte Juni konnte mit der Montage der Pumpen und Turbinen begonnen werden. Durch eine provisorisch hergestellte Verbindung zwischen der alten und neuen Leitung war es auf kurze Zeit ermöglicht, den Anschlüßen Wasser vom alten Pumpwerk durch die neue Leitung zuzuführen. Leider aber konnte dasselbe dieser gesteigerten Aufgabe nicht gerecht werden, weshalb schleunigst wieder der alten Zustand hergestellt wurde.

Immer rascher näherte man sich dem mit Spannung erwarteten Propelauf [sic] der Turbinen, bis endlich gegen Ende August eine Wendung eintrat. Die rechte Mühlbachwand wurde geschlossen, der bisher bestehen[de] Umgehungskanal wurde eingefüllt und eines Tages lief der alte Mühlbach in seinem neuen Bette. Er war somit seiner neuen Bestimmung übergeben, welcher er bis auf die heutige Stunde treu geblieben und hiedurch der Stadt Hunderttausende eingebracht hat. Konnte auch von einem eigentliche Fertigsein noch nicht gesprochen werden, so wurde doch auf den 17. September [1893] der Probelauf des Wasserwerkes festgesetzt.

Inbetriebsetzung

Zum gestellten Zeitpunkte, als feierliche Erwartung alle Anwesenden erfüllte, lief ohne jede Störung die Turbine mit der neuen Pumpenanlage an [gestrichen: In ruhigem, gleichmäßigen Tempo], als ein aufregender Zwischenfall eintrat. Ein ganzer Bach von Wasser ergoß sich vom Ende der Schrödelgaße aus der alten kleinen Hochreserve, alles überschwemmend über die Leite am Wasserwerk. Es war die schon oben gemeldete provisorische Verbindung zu schließen – übersehen worden. Schnell war die Sache in Ordnung gebracht, und noch in der anschließenden Nacht wurde die Hochreserve vollgepumpt. Seitdem steht das neue Wasserwerk ununterbrochen in Betrieb, nicht nur als hochwichtiger Faktor für die gesundheitlichen Verhältniße der Stadt, sondern auch stets hilfsbereit bei Brandfällen. Wohl ist in den vergangenen 25 Jahren Traunstein von schweren Bränden verschont geblieben, aber schon bei dem großen Brande der Höllbrauerei hat das Werk seinen unschätzbaren Wert in glänzender Weise bewiesen.

Betrieb

Nicht ganz so glatt ging die Inbetriebsetzung des Elektrizitätswerkes vor sich, welche am 3. Dezember [18]93 erfolgte. War nun bei Schaffung des Wasserwerkes in wirklich großzügiger Weise vorgegangen worden, so kann das gleiche vom Elektrizitätswerke nicht gesagt werden. Widerstrebende Ansichten maßgebender Herrn und die damals herrschenden Zeitumstände ließen dasselbe lange Jahre nicht zu dem werden, was es eigentlich hätte sein sollen. Sowohl die Wasserkraft und noch viel mehr die Dampfreserve war[en] zu klein beschafft, so daß der Betrieb schon gleich im ersten Winter ein recht armseliger war. Hiezu trat der Umstand des weitaus schöneren Lichtes der Gasfabrik, denn der Querglühstrumpf(3) war gerade in Aufnahme gekommen, während anderseits noch immer die Kohlenfadenlampe(4) dominierte; all diese mißlichen Umstände zusammen stempelten das Elektrizitätswerk zum Aschenbrödl. Aber der nimmer rastende Fortschritt in der Industrie trieb die bescheidenen Ausläufer seiner Wellen auch bis in unsere Stadt. Der Elektromotor als geeignetste Hilfskraft für das Kleingewerbe macht auch hier von sich reden, und schon am 5. März 1895 wurde der erste Motor in der Tischlerei Seitz probeweise in Betrieb gesetzt. Seine Leistung war so befriedigend, daß in kurzer Zeit 7 weitere installiert wurden.

I. Ausbau

Wurde zuerst das Elektrizitätswerk als Fehlgeburt betrachtet, so kam es nunmehr, da man die in ihm schlummernden Fähigkeiten erkannte, zu jenem Ansehen, welches Veranlaßung gab, ihm zur Unterstützung die kleine, frei gewordene Kraft des ehemaligen Pumpwerkes neu auszubauen.

Der Entschluß dazu war freilich kein leichter, denn schon das erste Betriebsjahr hatte eine Unterbilanz des Betriebsergebnißes festgestellt, so daß ein gewißer Zinsenbetrag auf den Malzaufschlag der Stadt zur Deckung eingewiesen werden mußte. So vergingen Jahre, und wenn sich auch die erforderlichen Zuschüße nach und nach verringerten, so war doch keine Aussicht vorhanden, durch einen abermaligen Ausbau das Werk zu einem richtigen Elektrizitätswerk und damit auch rentabel zu machen, in dem jeder Bürger sein Licht und [seine] Kraft nach Belieben entnehmen konnte. Wohl wußten die mit dem Betrieb vertrauten Herrn, woran das Werk krankte und wie demselben geholfen werden könnte, aber 13 Jahre lang predigten sie tauben Ohren. Die Gasfabrik lieferte damals schon beträchtliche Überschüße ab, während man durch Ausbau des Elektrizitätswerkes dieselben »in Gefahr« wähnte.

Allein, inzwischen war die Metallfadenlampe(5) in Gebrauch gekommen, welche bei vielen Interessenten den Wunsch nach elektrischem Licht entstehen ließ. Außerdem kam dem Werke von außen dadurch Hilfe, indem der Stadt von zwei Seiten Strom angeboten oder um die Conzession zur Lieferung nachgesucht wurde. Nach und nach führten diese Umstände zu dem Beschluß, das Elektrizitätswerk von Grund aus zu reformieren und einen größeren Umbau in die Wege zu leiten, falls sich genug Interessenten finden sollten. Ergab auch die erste Umfrage nur eine Anzahl von 86 Teilnehmern zum sofortigen Anschluß, so wurde trotzdem, »wohl der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe«, die Erweiterung zur Tatsache.

Umbau und II. Erweiterung

Im Jahre 1906 wurde damit begonnen, die kleine Dampfmaschine samt Kessel zu entfernen und hiefür einen 70-PS-Dieselmotor aufzustellen. Ebenso wurde eine Accumulatorenbatterie eingebaut und ein neues Leitungsnetz über den ganzen Stadtrajon(6) verlegt. So war die Möglichkeit zu Neuanschlüßen geboten, und sie kamen auch, wie wir im späteren Verlauf der Dinge sehen werden. Aber auch das neue Wasserleitungsnetz wurde inzwischen mehrfach erweitert. Im Jahre 1894 schon wurde die Fortsetzung desselben über die Traun und nach Sparz durchgeführt, später zur Wegscheid und bis nach Haid zum neuen Friedhof ausgebaut und in der Folge die Wiese und 1911 Veitsgraben angeschloßen.

Gleichzeitig haben die Werke eine innere Wandlung durchgemacht, indem sie auf eigene Füße gestellt wurden, daß heißt, die gesamte Verrechnung in Bezug auf Begleichung des Zinsendienstes wurde den Werken selbst überlaßen. Nach langer Abhängigkeit waren die Werke dem freien Spiel der Kräfte überlaßen, und es darf heute, nach 25-jähriger Arbeit, nach der Sturm- und Drangperiode, welche dieselben durchgemacht haben, wohl anerkannt werden, daß sie die schwere Probezeit glänzend überstanden.

Mächtig reckten die verhältnismässig noch keinen Werke die Glieder, so daß schon im Jahre 1910 an einen weiteren Ausbau gedacht werden mußte. Wohl hatte die im Jahre 1906 durchgeführte Erweiterung den Werken abermals eine Schuldenlast von Mark 125000 auferlegt, so waren trotzdem dieselben finanziell so erstarkt, daß sie sowohl die Verzinsung wie Amortisation [= Tilgung] der gewaltigen Schuldenlast ohne Beschwer ertragen konnte[n]. Da brachte dem Elektrizitätswerk ein Zufall neue[n] und höchst willkommenen Kraftzuschuß. Durch die vom Staate ausgeführte Trauncorrektion wurde bei der Filiale Kugelhammer, deren 20 bis 30-pferdige Wasserkraft einging, eine neue Kraft von 100 Pferde[stärken] frei, welche nunmehr dem Werke zugeführt werden konnten.

III. Erweiterung

Im Jahre 1910 wurde deshalb der Ausbau Hand in Hand mit den staatlichen Arbeiten durchgeführt. Durch einen abermaligen Aufwand von Mark 75000 und einen Kostenzuschuß an den Staat war ein ganz modernes Elektrizitätswerk geschaffen, was, wie man damals glaubte, den Bedarf an Licht und Kraft auf Jahre hinaus decken wird. Durch den Anschluß des Erholungsheimes [= Prinz-Ludwig-Heim] und [des] neuen Krankenhauses jedoch war auch diese Kraft bald verklaubt. So kam das Jahr 1914 und damit der Krieg just zu der Zeit, als man die Werke durch gute Belastung in voller Blüthe wähnte. Mit Zagen sah man der weiteren Entwicklung der Dinge entgegen. Aber nur auf kurze Zeit war eine kleine Einbuße merkbar, als durch die Inbetriebnahme des neuen Krankenhauses und [des] Gefangenenlagers plötzlich der Stromconsum ganz gewaltig gesteigert wurde. Aber auch der Wasserverbrauch war so gestiegen, daß ohne die noch in zwölfter Stunde (1914) neu aufgestellte Zusatzpumpe die Wasserlieferung insbesondere an die Staatsbahn nicht mehr hätte bewältigt werden können.

Und nun kam der Herbst 1917 und mit ihm die Petroleum- und Kohlennot. Mehr als hundert elektrische Neuanschlüße waren im November angemeldet, dazu Mangel an Arbeiter und Material. Allein rastloses Schaffen ermöglichte es, daß bis Weihnachten zwei Drittel der Anschlüße fertig wurden. Wohl war im Winter 17/18 am Abend jedes bißchen Kraft ausgenützt und bedenkliche Situationen traten manchmal ein, aber die Werke haben dank ihrer guten Beschaffenheit bewiesen, was sie zu leisten vermögen(7), und ohne die geringste Störung konnten diese oft schweren Stunden überwunden werden.

War früher das elektrische Licht als Luxuslicht betrachtet [worden], das sich nur die besseren Stände leisten können, so ist dasselbe heute ein Volkslicht im vollsten Sinn des Wortes geworden. Es hat sich Eingang in die bescheidenste Wohnung verschafft und wird von ärmeren und kinderreichen Familien wegen seiner Ungefährlichkeit gern bevorzugt. Ebenso hat der Elektromotor überall Aufnahme gefunden. In den 25 Betriebsjahren sind 108 Motoren mit zusammen 198 Pferdestärken an das Werk angeschloßen worden.

So stehen wir heute am Schluße des 25. Betriebsjahres der städtischen Wasser- und Elektrizitäts-Werke, mit dem Blick nach dem Vergangen[en] einen dankbaren Blick nach oben sendend. Dankbar deshalb, weil die Werke während der ganzen Reihe von Jahren von jedem Mißgeschick bewahrt blieben. Möge auch die Zukunft der Werke von einem gütigen Stern begleitet sein! Das sei heute zum Besten der lieben Stadt Traunstein unser Wunsch und unser Hoffen.

 

Franz Haselbeck

 

Anmerkungen:

(1) Das Manuskript, wie schon das im letzten Beitrag abgedruckte, wird im Archiv der Stadtwerke verwahrt. Es ist nicht exakt datiert. Nußbaumer spricht vom »Ende des 25. Betriebsjahres«. Somit dürfte er es im Zeitraum zwischen Juli und September verfasst haben (die Wasserversorgung startete am 17. September 1893). Die Transkription behält auch dieses Mal die damalige Rechtschreibung bei und verwendet die moderne Zeichensetzung. Notwendige Erläuterungen sowie (der besseren Verständlichkeit dienende) Ergänzungen sind in eckige Klammern gesetzt.

(2) Eine Dampfmaschinenanlage in geschlossener Bauform, bei der alle zum Betrieb erforderlichen Baugruppen (Feuerung, Dampfkessel, Steuerung sowie die gesamte Antriebseinheit, bestehend aus Zylinder(n), Kolben, Kurbelwelle und Schwungrad mit Riemenscheibe) auf einer gemeinsamen Plattform montiert sind. Lokomobilen konnten ortsbeweglich und ortsfest montiert werden.

(3) Ein Glühstrumpf oder Gasstrumpf (auch Glühkörper genannt) ist ein kuppel- oder birnenförmiges, feinmaschiges Gebilde aus Oxiden, das in gasbetriebenen Leuchten (Gaslampen und solchen, die Petroleum oder andere flüssige Brennstoffe verdampfen) die Lichtquelle bildet, indem es durch die Flamme zum Leuchten angeregt wird. Er wird aus einem mit speziellen Salzen seltener Erden präparierten Gewebe aus Baumwolle, Seide oder Kunstseide hergestellt (vgl. die Anmerkung zum »Auerlicht« im vorigen Beitrag).

(4) Die Kohlefadenlampe (Glühlampe mit einem Kohlefaden zur Lichterzeugung) war die erste elektrische Glühlampe, deren Haltbarkeit, Energieverbrauch und Lichtausbeute für den praktischen Einsatz zu alltäglichen Beleuchtungszwecken ausreichend war. Als temperaturbeständiger elektrischer Leiter wird ein meist ungewendelter Faden aus Kohle benutzt, der durch Verkohlung eines Nähfadens oder von Pflanzenfasern gewonnen wurde.

(5) Eine neuere Konstruktion der elektrischen Glühlampe, bei welcher der (siehe oben) Kohlefaden durch einen Faden aus schwer schmelzbarem Metall ersetzt ist.

(6) Rayon = Bezirk; gemeint war damit das Stadtgebiet.

(7) Nachfolgend gestrichen: So stehen dieselbe[n] heute in ihrem 25. Dienstjahr jedem Bürger zum Nutzen.

 

38/2018