Jahrgang 2022 Nummer 7

Vor dem Ertrinken gerettet

Unglück auf dem Chiemsee vor 100 Jahren – Helfer erhielten Anerkennung

Anerkennungsschreiben der Regierung von Oberbayern an Isidor Kirchmaier.

Vor 100 Jahren – am 13. Februar 1922 – brachen bei einem Unglück ein 56-jähriger Bauer und sein 19 Jahre alter Sohn bei Chieming ins Eis ein und ertranken. Nur wenige Stunden später brach an fast gleicher Stelle ein Ehepaar ebenfalls ins Eis ein, konnte aber gerettet werden. Die Lebensretter wurden damals mit einem Anerkennungsschreiben der Regierung von Oberbayern gewürdigt. Unter ihnen war der Chieminger Isidor Kirchmaier. Das an ihn gerichtete Anerkennungsschreiben, datiert vom 20. April 1922, ist nach wie vor im Familienbesitz.

Kirchmaier hatte bereits beim ersten Unglück zusammen mit zwei weiteren Helfern versucht, die ins Eis Eingebrochenen zu retten, was ihnen jedoch nicht gelang. Vielmehr brach bei diesem Rettungsversuch einer der Helfer selbst ein, konnte aber aus dem Wasser gezogen werden. Über den tödlich verlaufenen Unglücksfall und die geglückte Rettung des Ehepaars berichtete unsere Zeitung damals folgendermaßen:

»Chieming – Alljährlich fordert der See seine Opfer. Ist der Seemit einer starken Eisdecke zugefroren, so bilden die Eisrisse, die meist nur mit Eisschollen und dünnem Eis überzogen sind, eine stete Gefahr, tückische Pforten des Todes. Gestern nachmittags, als der Bauer (…) mit seinem 19 jährigen Sohn (…) von der Arbeit in Hagenau mit einem kleinen Zugschlitten über den See nach Chieming heimfuhren, brachen Beide ca. 300 Meter vom Ufern entfernt im Gründltal (1800 Meter von Chieming) ein. Der auf die Hilferufe ihnen mit Schlittschuhen entgegeneilende Bauerssohn (…) brach ebenfalls im Eise ein, wurde aber von herbeieilenden Helfern noch in bewusstlosem Zustand dem nassen Elemente entrissen. Mittlerweile konnten sich die beiden (…) nicht mehr über Wasser halten und versanken in die Tiefe. Der Vater wurde gleich geborgen, während dessen Sohn erst eine Stunde später aufgefischt werden konnte. Die Wiederbelebungsversuche des Herrn Obermedizinalrats Dr. Oberweiler (…) waren leider erfolglos. So hat der Tod mit seiner Unerbittlichkeit gleich zwei Opfer aus einer Familie entführt, wodurch die Wunde in die Herzen der Angehörigen umso tiefer gerissen wurde. – Nachmittags ½ 4 Uhr brachen ebenfalls die Wagnereheleute auf dem Wege zum Streuholen in Hagenau an ungefähr derselben Stelle ein, konnten aber auf ihre Hilferufe in ganz erschöpften Zustand noch rechtzeitig gerettet werden.«

Im Anerkennungsschreiben der Regierung an die Helfer wird der zweite – geglückte – Rettungsaktion genauer beschrieben: »Am 13. Februar 1922 brachen auf dem zugefrorenen Chiemsee zwischen Chieming und Unterhochstätt, etwa 200 m vom Ufer entfernt, die Wagnerseheleute (…) im Eise ein und drohten zu ertrinken. Auf ihre Hilferufe eilten der Bauer Engelbert Hofmann von Unterhochstätt, der Oekonomiepraktikant Theodor Zaubzer von Winkl und der Fischerssohn Isidor Kirchmaier von Chieming zur Rettung herbei. Zaubzer gelang es, unterstützt von Hofmann und Kirchmaier, die beiden Verunglückten vom Tode des Ertrinkens zu retten.

Am gleichen Tage brachen an der gleichen Stelle des Sees der Bauer (…) und sein gleichnamiger Sohn durch das Eis. Eine Rettung versuchten wiederum die obengenannten Engelbert Hofmann und der Fischerssohn Isidor Kirchmaier, weiter der Bruder des Letzteren, Heinrich Kirchmaier; leider gelang es nicht mehr, die beiden (…) lebend zu bergen. Der gleichfalls zu Hilfe eilende Bauerssohn (…) brach in der Nähe der Unfallstelle selbst imEise ein und geriet in Gefahr, zu ertrinken. Dem Hafnerssohn und Chiemseeboten Stephan Klausner von Chieming gelang es, indem er bis dicht an die Unfallstelle herankroch, (…) mit der Hand aus dem Wasser zu ziehen. Den sämtlichen an den beiden Rettungswerken beteiligten Personen wird für ihr unerschrockenes und menschenfreundliches Verhalten(…) hiemit die öffentliche Anerkennungder Regierung ausgesprochen.«

 

7/2022