Jahrgang 2002 Nummer 48

Vor 100 Jahren fuhr die erste Dampflok nach Waging

Am 1. Dezember 1902 fuhr der erste fahrplanmäßige Zug

100 Jahre werden es heuer, dass von Traunstein die »Eisenbahn« zum Markt Waging am See hinunterfährt. Dementsprechend hat man im Laufe des Jahres 2002 auch gefeiert. Eigentlich hätte man dies erst am 1. Dezember tun dürfen; denn erst an einem Montag, den 1. Dezember 1902 ging »der erste fahrplanmäßige Zug mit decorierter Lokomotive vormittags 7 Uhr 35 Minuten in Traunstein ab«.

An der Bezirksamtstadt Traunstein lief bereits seit Sommer 1860 die Eisenbahn vorbei, nur 25 Jahre später, seit von Nürnberg nach Fürth überhaupt die erste Dampflokomotive in deutschen Landen brauste! Die Bahn an der Ämterstadt Traunstein vorbei war übrigens nicht irgendeine Nebenbahn, sondern die international wichtige von Paris über München nach Wien. Traunstein profitierte, »Fremde« kamen, Hotels wurden nötig und gebaut und Traunstein wurde sogar »Bäderstadt« und noch vor der Jahrhundertwende Eisenbahnknotenpunkt durch den Bau der Lokalbahnen nach Ruhpolding und Trostberg, aber noch keine nach Waging »hinunter«. Sie war vorerst nur »der große Wunsch« der Waginger.

In einem Bericht des Traunsteiner Wochenblattes von 1899 kann man dazu nachlesen. »Waging. Eine vom Bahnverkehr gänzlich abgeschlossene Gegend ist der dem Waginger See zu gelegene Bezirk. Der Markt Waging bewirbt sich um eine Lokalbahn mit der Stadt Traunstein. Es wurde die betreffende Petetion dem Landtag zur Würdigung übergeben. Es besteht kein Zweifel, dass die Bahn sich gut rentieren würde, wenn sie zur Ausführung käme. Waging schließt ein sehr sehr großes Verkehrsgebiet in sich. Viehzucht und Forstwirtschaft bilden Haupterwerbsquellen und werden Ausfuhrobjekte machen. Sehr gehemmt ist der ganze Bezirk dadurch, weil der Hauptort, die Stadt Traunstein, 13 Kilometer entfernt liegt und durch die weite Entfernung, die nach dem Hinterland von Waging 20 und noch mehr Kilometer beträgt, sehr Schaden leiden. In Traunstein ist der Sitz der Behörden und es liegt nahe, dass die Bahn auch eine erhöhte Personenfrequenz hervorbringen wird.« Nicht uninteressant ist im damaligen Bericht die Tatsache, dass der »Fremdenverkehr« noch gar nicht erwähnt wird, zumal der Markt Waging schon einen Fremdenverkehrsverein hatte und in den Sommermonaten »Fremde« hinunter kamen.

Doch bereits zwei Jahre später ist der Bau der Bahnstrecke so weit gediehen, dass man gegen Ende des Jahres 1902 an die Eröffnung denken kann. Nicht unerwähnt darf zum Bau bleiben, dass die Bahn von Waging nach Traunstein einen Höhenunterschied von über 100 m zu überwinden hat. Senioren werden sich sicherlich noch an die Tatsache erinnern, wie die früheren Dampflokomotiven an heißen Sommertagen Schwierigkeiten gehabt haben, dass ihre Antriebsräder am Kirchhallinger Berg nicht »leer« durchgedreht haben. Am 2. Oktober 1902 können wir im »Wochenblatt« wieder lesen: »Wie wir erfahren, wird die Lokalbahnstrecke noch im heurigen Winter 1902/03 in Betrieb genommen. Es ist noch hübsche Arbeit zu leisten und es müssen noch mehr Leute eingestellt werden, wenn die bevorstehende Zeit eingehalten werden soll.«

Am 21. Oktober 1902 ist im »Wochenblatt« eine schlimme Meldung wegen der Streckenführung zu entdecken: »Durch das jetzige Regenwetter wurden die bereits fertig gelegten Schienen bei Unteraschau auf der Strecke Traunstein-Waging bei dem grundlosen Boden versenkt, so dass die Materialzüge nicht mehr verkehren können. Diese Strecke wird der Betriebsleitung noch viel zu schaffen machen, wenn es überhaupt gelingt, dass dieselbe dem Verkehr übergeben werden kann und nicht noch eine andere Trace gewählt werden muß.«

Neun gewölbte Brücken, 27,78 % größte Steigung

Doch die vorgenannten Schwierigkeiten konnten erfreulicherweise beseitigt werden. Am 22. November 1902 beschreibt uns das »Traunsteiner Wochenblatt« die neue Lokalbahnstrecke: »Die neuerbaute Lokalbahnstrecke Traunstein-Waging wird am 24. November von einer stattlichen Kommission technisch geprüft und voraussichtlich am 1. Dezember für den allgemeinen Verkehr eröffnet werden. Die Länge der neuen Linie zwischen den Stationen Traunstein und Waging beträgt 12,65 Kilometer, nach der Luftlinie gemessen 9,6 Kilometer. Sie benützt, von der Hauptbahnstrecke Traunstein ausgehend, auf 2 Kilometer Länge die Geleise der Hauptbahnstrecke Rosenheim-Salzburg und zweigt von dieser Strecke (nach dem 55. Kilometer von Rosenheim) in nordöstlicher Richtung ab.«
»An diese Abzweigstelle schließt sich der Personenhalteplatz Hufschlag und in nordöstlicher Ausbiegung der forstärarlische Holzladeplatz an. Von hier aus folgt die Linie dem Zuge der Distriktstraße Traunstein-Waging, diese in Schienenhöhe überkreuzend bis in die Nähe des Ortes Weibhausen; unmittelbar südlich davon ist die gleichnamige Haltestelle. Die Linie zieht dann in dem nach dem Panolgraben abfallenden Gelände nach dem Halteplatz Kirchhalling und hält sich bis zur Einöde Panolsreuth auf dem linksseitigen Hochrande des tief eingeschnittenen Panolsgraben. Nunmehr schwenkt die Bahn aus dem Thale in das Thal des Baches ein, übersetzt diesen mittels eines Dammes in beträchtlicher Höhe und erreicht den Halteplatz Unteraschau. Von hier biegt die Linie nach Osten bis zur Haltestelle Otting und folgt dann dem Thale des Höllenbaches, bis sie westlich von Waging die Endstation Waging erreicht. Die größte Steigung der Lokalbahn in der Richtung nach Waging beträgt 16,67 % und in Richtung nach Traunstein 27%. An Kunstbauten waren neun gewölbte Brücken, zwei eiförmige und zwei gedeckte Durchlässe auszuführen. Der Bau der Bahn erforderte 13 Monate.«

Technische Prüfung und Probefahrt!

Auch hierzu ist im >>Traunsteiner Wochenblatt<< vor 100 Jahren festgehalten: »Gestern am 25. November fand die technische Prüfung der Lokalbahn Traunstein - Waging statt. Mehrere Herren der Kgl. Generaldirektion, sowie die Vorstände des Lokalbahnwesens nahmen an der Prüfung theil. Eingeladen wurden der Stadtmagistrat Traunstein, sowie die Gemeindeverwaltung Waging und betheiligten sich bei der Probefahrt. Nach Inspizierung der einzelnen Halteplätze wurde in Waging ein 1 1/2 stündiger Aufenthalt genommen und man begab sich in den Gasthof zur >>Post<< zu einem kleinen Imbiß. Abends 6 Uhr wurde die Rückfahrt angetreten und es ging ohne Aufenthalt nach Traunstein.«

Über den ersten fahrplanmäßigen Zug am 1. Dezember 1902 berichtete das »Traunsteiner Wochenblatt«. »Der erste fahrplanmäßige Zug der Lokalbahn ging am Montag mit decorierter Lokomotive, auf welcher das bayerische und Traunsteiner Wappen angebracht waren, vormittags 7 Uhr 35 Minuten von Traunstein ab und nahmen an der Fahrt in Begleitung der Stadtkapelle die beiden städtischen Collegien, an der Spitze, als Vertreter des dienstlich und durch Unwohlsein verhinderten Herrn rechtsk. Bürgermeisters, Hr. Magistratsrath Seitz und Herr Gemeinde - Collegiums - Vorstand Wispauer und verschiedene andere Herren mit Damen theil. Das Rathaus dahier war aus diesem Anlaß beflaggt. Die erste Fahrt sollte auch einem Besuche unseres freundnachbarlichen Marktes Waging unter Beteiligung aller an der Bahn interessierten Gemeinden gelten und die Wünsche der Traunsteiner Bürgerschaft für das Gedeihen der neuen Bahn und das Aufblühen und Wohl der für die Errichtung der ersteren so opferwilligen Bürgerschaft Wagings und der Landgemeinde, sowie den Dank an jene Männer zum Ausdruck bringen, welche die Bahn angeregt, alle Voraussetzungen für dieselbe geschaffen und dieselbe gefördert haben.«

Über die Ankunft des Zuges in Waging kann man im damaligen »Traunsteiner Wochenblatt« nachlesen: »Die Bahnstrecke wurde mit einer Feierlichkeit eröffnet, welche sehr schön verlief. Um 8 Uhr 20 Minuten traf die schon decorierte Lokomotive ein; der Zug wurde auf dem gezierten Bahnhofe in Waging von einer großen Menschenmenge empfangen; die Schulknaben mit Fahnen, weißgekleidete Mädchen, die Vereine des Marktes mit Fahnen, alles war herbeigeeilt, die hohen Festgäste würdig zu empfangen. Die Festjungfrauen Frl. Schulmayer und Frl. Schrott sprachen in trefflicher Weise einen sinnigen Willkommgruß. Nach ihnen sprach Hr. Lehrer Helmer ein kurzes, aber herzliches Willkomm. Der Zug bewegte sich hierauf in den reichbeflaggten Markt.«

JM



48/2002