Vom gefragten Pragmatiker zum erfolgreichen Maler
Am 29. Februar 1908 kam der Ruhpoldinger Architekt, Maler und Grafiker Sepp Plenk zur Welt




Sowohl in pragmatischer wie auch in künstlerischer Weise hat der Architekt und Maler Sepp Plenk weit über die Grenzen des Chiemgaus hinaus seine Spuren hinterlassen. Im vergangenen Jahr erinnerten gleich zwei persönliche, posthume Eckpfeiler an den überaus schaffensfrohen Ruhpoldinger. Zum einen wäre da sein Geburtstag gewesen, der sich zum 115. Male jährte, (obwohl er am 29. Februar im Schaltjahr 1908 zur Welt kam) zum anderen erinnerte man sicham16. Dezember seines 30. Todestages imJahr 1993. Sepp Plenk konnte auf 85 Jahre erfülltes Leben zurückblicken.
Sepp Plenk entstammte der bekannten und weitverzweigten »Zimmermoasta- Familie« imOrtsteil Zell- St. Valentin. Als fünftesKind des Zimmermeisterehepaars Anton und Hedwig Plenk wuchs er mit vier Geschwistern und fünf Halbgeschwistern auf. Kinderreiche Familien wie diese waren zu jener Zeit keine Seltenheit. Nicht nur im Wintersport als Skispringer und Langläufer stand er seinenMann, auch beim Fußball, Rudern, Bergsteigen und Motorradfahren zeigte er sein Können.
Als junger Student das Kurhaus geplant
Der heimische Werkstoff Holz mit seinen vielfältigen Verarbeitungsmöglichkeiten sowie eine ausgeprägte innovative Tatkraft bestimmten den Tagesrhythmus im elterlichen Zimmereibetrieb und dem angegliederten Sägewerk. Dazu muss man wissen, dass sein Vater Anton von den »Stockreiters« abstammt, einem alteingesessenen Geschlecht, das seit 1650 eng in Verbindung mit dem Zimmererhandwerk steht. Der Stockreiter-Hof befindet sich an den nördlichen Ausläufern des Unternbergs. Diese Vorzeichen mögen auch den jungen Josef »Sepp« Plenk derart beflügelt haben, den Weg in eine gestalterische Tätigkeit einzuschlagen.
Nach der Realschule in Traunstein und einer abgeschlossenen Zimmererlehre nahm er das Architekturstudium an der staatlichen Bauschule in München auf, das er 1934 als Meisterschüler von Professor Buchner erfolgreich abschloss. Zusätzlich besuchte er die Staatsschule für angewandte Kunst (heute Akademie der Bildenden Künste). Schon als junger Architekt betrieb er – bevor er sich beruflich in seinem Heimatort niederließ – Büros in München, Oberstdorf und Traunstein. Es setzte das große Vertrauen seiner Auftragsgeber in ihn voraus, dass er bereits 1933 als 25-jähriger Student mit der Planung und Bauleitung des ersten Kurhausbaus beauftragtwurde. Das für Ruhpolding und den aufstrebenden Tourismus so prägende Gebäude – Baubeginn war am 21. November – konnte bereits im Frühsommer 1934 seiner Bestimmung übergeben werden. Kuriosum am Rande: Erst zur Eröffnungsfeier traf die offizielle Baugenehmigung ein – persönlich überreicht vom damaligen Landrat. Plenk und sein Handwerkertrupp waren also bei Weitem schneller als der übliche Behördenweg! In den folgenden Jahren plante er Wohn-, Gäste- und Geschäftshäuser sowie viele Zweckbauten. Seine Projekte wurden in den Zeitschriften »Baumeister« und in der »Deutschen Bauzeitung« unter dem Titel »Tradition und neues Bauen auf dem Lande« veröffentlicht. Von 1947 bis 1952 beteiligte er sich mit seinem Bruder Veit Plenk an großen Architekturwettbewerben und errang bedeutende Preise, so mit den Projekten »Wiederaufbau derNürnberger Altstadt« und»Domplatz Fulda«, um nur zwei Arbeiten zu nennen.
DieGemeinschaft Sepp&Veit Plenk war Jahrzehnte lang das führende Architektenbüro in Ruhpolding und Umgebung. Selbst auf architektonische Herausforderungen wusste man passende Antworten zu geben. Als charakteristische und ortsprägende Bauten zählen unter anderem das Katholische Pfarramt mit Pfarrzentrum, die Evangelische Johanneskirche mit Pfarrhaus, die Siedlungen Schwaig und St. Georg, die Werkgebäude der damaligen Optischen Fabrik Filitz sowie die Funktionsgebäude der Rauschbergbahn. Wer sich umschaut im Ort wird zahlreiche Privat- und Gästehäuser ausfindig machen, die seine unverwechselbare Handschrift tragen. Aber auch der Visionär Sepp Plenk spiegelt sich in manchen, nicht realisierten Plänen wider, wie beispielsweise der einer Großflugschanze mit Schlittenaufzug in der Waich oder einem riesigen Stausee vor dem Kurhaus. Apropos Kurhaus und Rauschbergbahn: Was würde wohl Sepp Plenk dazu sagen, dass ausgerechnet diese »seine« Gebäude derzeit einer ungewissen Zukunft entgegen gehen?
Künstlerische Ader setzte sich durch
Schon früh machte Sepp Plenk durch seine besondere Begabung im Zeichnen auf sich aufmerksam. Dieser Begabung ging er auch in den Kriegsjahren – er wurde 1940 zur Wehrmacht eingezogen – in Ostpreußen sowie in der Ukraine nach, wo er immer wieder Zeit fand, Menschen und Gebäude fremder Kulturen auf dem Papier festzuhalten.
Nach dem Krieg trat der Wunsch nach künstlerischer Ausrichtung immer mehr in seinen Fokus, so dass er sich 1947 entschloss, die »Lizenz als Kunstmaler« zu beantragen. Neben seinem Hauptberuf als Architekt widmete sich Plenk in der Freizeit der Malerei und der Grafik, in wenigen Ansätzen auch der Bildhauerei. Die freundschaftliche Verbindung zu Andreas Schwarzkopf hatte ihn kurzzeitig zu dem Ausflug ins plastische Metier animiert. Als prägend für seinen künstlerischen Werdegang als Maler und den damit verbundenen Bekanntheitsgrad stellte sich unbestritten die Zugehörigkeit zur »Gruppe 58« heraus, zu deren Gründungsmitgliedern er neben Walter Lederer und Willi Wimmer zählte. Die Künstlervereinigung (benannt nach ihrem Gründungsjahr 1958) gewann rasch an überregionaler Bedeutung, wie die regelmäßige Teilnahme an der Großen Kunstausstellung im Münchner Haus der Kunst zeigte. Darüber hinaus fand das kunstinteressierte Publikum in der Region die Möglichkeit, im Rahmen erstklassiger Ausstellungen seine ausdrucksstarken Werke zu bewundern. So auch in seiner Heimatgemeinde Ruhpolding, die ihm einige Ausstellungen widmete. Bilder von ihm sind unter anderem im Traunsteiner Rathaus, in verschiedenen Landratsämtern, in öffentlichen Verwaltungen zahlreicher Städte und Industriegebäuden zu sehen oder befinden sich in Privatbesitz.
Großartig verstand es Sepp Plenk, verschiedenste Techniken raffiniert einzusetzen. Er schuf Zeichnungen, Ölbilder, Aquarelle und beherrschte die Technik der Monotypie, Lithographie und des Sieb- und Glasdrucks. Viele seiner Werke und Architekturbilder sind beeinflusst vom Kubismus und Surrealismus mit verblüffenden Lichtwirkungen und lebendiger Verbindung von Natur und Bauwerk. Die Motive für seine Malerei sind zum einen seiner heimatlichen Umgebung entnommen, andererseits sind es einprägsame Eindrücke aus zahlreichen Reisen rund ums Mittelmeer, aber auch aus Frankreich, Holland oder aus fernöstlichen Zielen.
»Wenn sich alte Gemäuer im ordnenden Licht der südlichen Sonne zu erhabenen Gebilden menschlichen Schaffens verwandeln, bemühe ich mich diesen Eindruck im Bilde umzudeuten. Das Wesentliche der Form, ein von Stimmungen befreiter Farbklang und ihre rhythmische Verdichtung sind dabei die Grundelemente meiner Bildgestaltung,« so definierte einmal der Maler und Architekt Sepp Plenk seine künstlerische Inspiration.
Weniger bekannt als seine Malleidenschaft ist seine Vorliebe zur Musik. Als begeisterter Cellist wirkte er drei Jahrzehnte lang im Ruhpoldinger Musikgeschehen mit, vornehmlich im Ensemble des Orchestervereins unter dem Lehrer, Musiker und »Philosoph« Josef Stummer. Als er eines Tages seinen 12-jährigen Sohn Seppi fragte, welches der beiden Hobbys er zukünftig betreiben sollte, gab ihmder Bub spontan den richtungsweisenden Rat: »Papi, du musst malen, denn das bleibt.«
Recht hat er gehabt, der Bub.
Ludwig Schick
8/2024