Jahrgang 2025 Nummer 27

»Vivat König Max! Hoch! Hurrah!«

Vor 100 Jahren erschien Josef Hofmillers Version der Bayern-Königs-Reise

Cover der 1925 von Josef Hofmiller publizierten Bearbeitung der königlichen Reisebeschreibung von Friedrich von Bodenstedt. (Fotos: Hans Gärtner)
Friedrich von Bodenstedt, 1860.
Wiedergabe des Gemäldes »Jagdgesellschaft von Bayerns König Max II. 1858« von Philipp von Foltz.

Als eine »leuchtende Episode in dem allzu kurzen Leben« (es währte von 1811 bis 1864) erachtete der Rosenheimer promovierte Oberstudienrat Josef Hofmiller den einzigartigen »Reiseritt König Maximilians II. durch seine angestammten Lande vom Bodensee bis zum Watzmann«. Der Neuphilologe und Essayist Hofmiller nahm sich die Aufzeichnungen eines der vom König selbst»erkorenen« Begleiter, des »Nordlichts« Friedrich von Bodenstedt, vor, um sie als Band 7 der in Altötting erschienenen Verlags-Reihe »Bücher der Heimat« herauszubringen. Das war 1925. Titel: »Der König reist durch sein Bayernland«.

Auf dem eindrucksvoll gestalteten Cover stand versehentlich »Bayerland«, ein Fehler, der dem fleißig publizierenden Hofmiller offensichtlich entgangen war. Kann sein, dass er mit der Arbeit für die Buch-Reihe zu sehr beschäftigt und es nicht mehr zu einem Korrekturgang gekommen war. Erst das Jahr zuvor war er mit der Herausgabe des 1. Teils (»Erzählungen«) von Karl von Leoprechtings Werk »Aus dem Lechrain« ausgelastet. Bald darauf folgten eine Auswahl »Altbayerischer Sagen« (Band 4) und 1926 als Band 9 unter dem Titel »Boarisch« ausgewählte Gedichte Franz von Kobells.

Dieser Mann, ein geadelter Ritter, war Professor der Mineralogie an der Münchner Alma Mater und, wie ihn »Bosls Bayerische Biographie« (1983) einschätzt, »Gelegenheitslyriker in mundartlicher Sprache«. Immerhin handelt es sich bei Kobell um den Erfinder der »G'schicht vom Brandner-Kasper« (1871). Er gehörte zu der erlauchten Reise-Gruppe um König Max II. Diese bestand des weiteren aus dem Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl, dem General von der Tann, den Grafen Pappenheim und Ricciarelli sowie Baron Leonrod. Aus dem Kreis der vom König 1854 berufenen »Nordlichter« (zuihnen sind der Dichter Paul Heyse und der Hygieniker Max von Pettenkofer zu rechnen) ragt Friedrich Martin von Bodenstedt, Schriftsteller und Übersetzer, 1819 in Peine geboren,1892 in Wiesbaden gestorben, insofern hervor, als er die Königs-Reise von A bis Z in sein Tagebuch notierte. So akribisch wie amüsant.

Dazu als »Gusto-Stückerl« im Original-Wortlaut Friedrich von Bodenstedts Episode aus dem Chiemgau (S. 78 bis 82):

Trotz des prasselnden Regens bestiegen wir am Morgen, 22. Juli, die Pferde wieder, um nach Prien am Chiemsee zu reiten, wo Se. Majestät vorzog, die letzte Strecke bis Grassau, wo Mittagsrast gehalten werden sollte, zurückzulegen. Von Grassau wurden die Wagen mit allem Gepäck, dem Küchenpersonal und der Mehrzahl der Dienerschaft nach Prien vorausgeschickt, während wir abwarteten, ob der strömende Regen nicht ein wenig nachlassen werde. So geschah es, dass wir ein paar Stunden später in Prien eintrafen, als Se. Majestät dort erwartet wurde. Es regnete noch, aber es plätscherte nicht mehr, als wir von Grassau aufbrachen (…)

(Da) kam keuchend ein dickköpfiger Mann auf uns zugelaufen mit der flehentlichen Frage, ob wir ihm nicht sagen könnten, wann der König käme. »Ich bin der König«, antwortete dieser. Der Mann sah Se. Majestät ungläubig an und sagte, wir möchten ihn doch nicht zum besten haben: schon zweimal sei er von Prien ausgeschickt worden, um aufzupassen und zu melden, wann der König einträfe, und jedesmal sei er angeführt worden. Nun möchten wir ihm doch aufrichtig die Wahrheit sagen. »Ich sagte dir schon: ich bin der König!«, wiederholte dieser. »Sie san der Kini. I glaabs scho!«, sagte der Mann, mit kläglicher Miene weiter keuchend. Ich sah mich nach ihm um (und) bemerkte in einiger Entfernung hinter uns General von der Tann und Graf Pappenheim, die er nun anhielt. »Der narrische Mann will mir nicht glauben«, sagte Seine Majestät. »Er hat gewiss noch keinen König gesehen und kann sich einen solchen ohne Szepter und Krone nicht denken«, bemerkte ich. »Es scheint so; doch reiten wir schneller; wir haben uns sehr verspätet und es wird immer dunkler.«

Wir ließen die Pferde ausgreifen und waren nach einer halben Stunde in Prien, wo wir vor unserem Quartier anlangten, ohne dass Se. Majestät bis dahin erkannt wurde. Die ganze Gestalt war nämlich durch einen eng anliegenden Gummimantel nebst entsprechender Kopfhülle wasserdicht verhüllt und nur das Gesicht frei, aber auch dieses in der neunten Abendstunde bei dunklem Regenwetter für Fernerstehende wohl nicht leicht zu erkennen. Auf der Freitreppe des Hauses, vor welchem wir abstiegen (wenn ich nicht irre, war es das Rathaus), standen Beamte in Gala zur Begrüßung, und auf das seltsame Benehmen des ungläubigen Kundschafters fiel bald ein klärendes Licht. Die Bewohner von Prien hatten große Vorbereitungen getroffen (…) Im Freien konnten die festlich geschmückten Jungfrauen und Sänger bei dem rücksichtslosen Regenwetter die Ankunft Se. Majestät nicht abwarten; es wurde also ein wetterfester Kundschafter ausgesandt, um das Nahen des hohen Herrn zu erspähen (…) Als (…) eine königliche Equipage mit Lakaien in Sicht kam, rannte der Kundschafter (…) nach Prien zurück mit der Meldung: »Der Kini kommt!«

Sofort wurde Stellung genommen und die schnell heranrollende Equipage mit Gesang begrüßt, bis man entdeckte, dass kein König drinsaß.

Nun machte sich der arme Mann abermals auf die Beine, um den richtigen Königswagen auszukundschaften, und siehe da: es kamen zwei auf einmal angerasselt, einer schöner als der andere. Abwarten konnte er sie nicht, denn er erwog schnell in seiner Seele, dass er sonst mit der Meldung zu spät kommen würde,und ein Wanderer (…) bestätigte ihn in dem Glauben, dass in einem der beiden Wagen der König sitzen müsse.

Abermalige Täuschung mit bald folgender Enttäuschung und einer Verhöhnung seiner kundschaftlichen Fähigkeiten, die ihn antrieb, jetzt seinen ganzen Scharfsinn aufzubieten, um nicht wieder getäuscht zu werden. In dieser entschlossenen Stimmung kam er uns entgegengekeucht, um, wie wir gesehen, den richtigen König zu verfehlen und den General von der Tann und den Grafen Pappenheim dafür anzuhalten, welche jedenfalls im Gefolge Sr. Majestät die stattlichsten Reiter waren. Allein vergebens suchte er sie zu überreden, dass einer von ihnen der König sein müsse. In heller Verzweiflung kehrte er nun wieder um, aber zu spät,um uns überholen zu können.

Als wir unsere nasse Hülle mit einer trockenen vertauscht hatten, wurde soupiert in einem großen Saale, welcher durch eine Glaswand geteilt war, sodass, während wir in dem kleineren Raume tafelten, der größere sich mit der festlich gekleideten Menschenmenge füllen konnte, welche am Nachmittage sich vergebens bemüht hatte, S. Majestät mit Blumen und Gesang zu begrüßen. Das wurde nun in sehr gelungener Weise unter Dach und Fach nachgeholt, und der Abend, auch durch Illumination der Häuser und einen Fackelzug verherrlicht, verlief zu allgemeiner Befriedigung.

Mit Sicherheit war Friedrich von Bodenstedt, der später (1867 bis 1874) Hoftheaterintendant in Meiningen wurde, vom König höchstselbst, nicht etwa vom Anführer der Reisegesellschaft, General von der Tann, dazu ausersehen worden. Es wurde ein stattlicher Bericht aus den sehr persönlich gehaltenen tagtäglichen Aufzeichnungen. 42 Pferde, so erfahren wir, begleiteten die Reisenden, »darunter 14 kleine Norweger, welche sehr dazu geeignet wären, uns auch das Ersteigen hoher Berge einigermaßen zu erleichtern«. So wurde stets, wie Bodenstedt anmerkte, »bis zum Fuß eines Berges« geritten.

Auf der Reise, die am 20. Juni 1858 in Lindau startete und am 27. Juli in Berchtesgaden endete, huldigte das meist in Scharen zusammengelaufene Volk, namentlich immer wieder Kinder mit ihren Lehrpersonen und Gläubige mit ihren Geistlichen, dem viel geliebten Landesherrn mit Tschingderassabum und »Vivat König Max! Hoch! Hurrah!« Die außergewöhnliche Reise war eine gern genutzte Chance für alle Südbayern in Stadt und Land, ihrem König persönlich begegnen zu können. Ihm und seiner rein männlichen Begleitung fehlte es an nichts, weder an Humor noch an landschaftlichen Entdeckungen, weder an Unterhaltung noch an ausgiebigen Diners, auch nicht an Ausflug-Highlights und gehobener Feiertagsstimmung, an Sommersonne und klimatischen Finessen – bei diversen kleinen unvorhergesehenen, aber gefahrlosen Zwischenfällen.

»Nachdem wir in kurzer Zeit alles erschöpft, was Kreuth uns bei schlechtem Wetter bieten konnte, und sogar die Ziegenmolke mit Kenner-Miene geprüft und vortrefflich befunden hatten, wünschte uns Seine Majestät gute Nacht, mit der freundlichen Weisung, uns am nächsten Morgen bereitzuhalten, die Reise zu Pferde fortzusetzen.«

Diese kurze Textprobe allein mag für einen launig-sensiblen »Journalisten« namens Friedrich von Bodenstedt sprechen. Was seinen späteren »Redakteur« Josef Hofmiller dazu bewegt haben mag, den gelungenen Original-Text für seine Buch-Reihe zu bearbeiten, wäre interessant. Wer dieser Hofmiller war und was er schrieb – darüber gibt ein Titel der »Bücher vom Bodensee« Auskunft: »Einkehr bei Josef Hofmiller«, Jan Thorbecke Verlag Lindau 1948. Der am 26. April 1872 im Allgäuer Kranzegg Geborene, wirkte, nach München und Freising, lange Jahre in Rosenheim als Gymnasiallehrer. Nebenher war er Kulturkritiker und angesehener, vielfach publizierender Literat. »Als er mitten aus intensivem Schaffen heraus abgerufen wurde« – das war am11. Oktober 1933 – »lag sein literarisches Werk nur in wenigen schmalen Bänden gesammelt vor«, bedauert Thorbecke. Hofmillers Witwe Hulda ist es zu danken, dass es zu einer Gesamtausgabe kommen konnte. Sie war es auch, die Thorbecke das von Peter Trumm gezeichnete, auf Seite 9 eingeklebte, Porträt zur Verfügung stellte.

Auf eine Abbildung zum Inhalt des Bändchens »Der König reist durch sein Bayerland« verzichtete aus nicht mehr zu klärendem Grunde Hofmiller. Die Ausgabe des Münchner Allitera-Verlags von 2011 mit Josef (nicht: Joseph!) Hofmillers Text-Version bediente sich einer schönen farbigen Illustration, deren Original im Alpenvereins-Museum Innsbruck hängt: Philipp von Foltz' »Jagdgesellschaft von Bayerns König Max II.« 1858. Ob der Maler an Ort und Stelle diese Szene festhielt, entweder als Mitglied oder als ständiger oder nur gelegentlicher Beobachter der königlichen Reisegesellschaft war, wäre zu prüfen.

 

Hans Gärtner

 

27/2025