Traunsteiner Gerichtsgeschichten
Die Vaterschaft im Mondlicht
Auf den Fahrten im heimatlichen Chiemgau kommen wir ab und zu an einer Quelle vorbei, wegeSie waren ziemlich eine Zeit lang miteinander gegangen. Aber aus der Liebschaft ist keine Ehe geworden. Er hat eine andere geheiratet, sie lebte mit dem Buben auf dem elterlichen Hof. Dessen Vormund hatte den früheren Liebhaber auf Unterhalt verklagt. Beim Amtsgericht hatte der Beklagte die Vaterschaft bestritten. Aber die Kindsmutter hatte bei Gott dem Gerechten geschworen, dass kein anderer als Vater in Frage komme, weil ihr kein anderer Mann entsprechend nahe gekommen sei. Der Beklagte wurde zum Zahlen verurteilt, hat auch kein Rechtsmittel eingelegt; was sollte er schon gegen den Eid machen? Es gab auch weiter keine Aufregung, weil der Vormund von dem Urteil keinen Gebrauch gemacht, keine Zahlung verlangt hatte.
Das änderte sich, als eines Tages die Kindsmutter zum Heiraten kam. Auf dem Hof überlegten sie: Das Heiratgut ließe sich doch aufbessern, wenn der Vormund endlich die nach dem Urteil des Amtsgerichts geschuldeten Unterhaltszahlungen verlangen würde; im Laufe der Jahre musste eine ganz schöne Summe an Nachzahlungen zusammengekommen sein. So tat’s der Vormund.
Das ging dem vermeintlichen Kindsvater über die Hutschnur. Da saß er nun, in der Anwaltskanzlei, und sagte geradeheraus, die Kindsmutter sei meineidig gewesen; er sei überhaupts nicht der Kindsvater, sondern ein Spezi von ihm. Er sei mit dem Dirndl auf einem Tanzei gewesen. Als sie, er und der Spezi auf ihren Fahrrädern heimfahren wollten, sei er von einem Nachbarn aufgehalten worden wegen eines Viehkaufs. Der Spezi und das Mädchen seien derweil vorausgefahren. Als er nach einiger Zeit auch heimgefahren sei, habe er am Wegrand zwei Fahrräder und auf der Wiese zwei Menschen gesehen. Im Mondlicht habe er genau erkannt, dass da etwas vorging, was neun Monate später .... . Er sei weiter gefahren, habe den Spezi abgepasst (das Mädchen war vorher zu seinem Hof abgebogen) und ihn zur Rede gestellt. Der habe abgewunken und gesagt: »Geh weita, reg di do net auf zwengn den oana Moi!« Gegen das Urteil gab es kein Rechtsmittel mehr, alles war rechtskräftig. Nach langem Studieren kam ich darauf, dass es nur einen Weg gäbe. Der Meineid musste nachgewiesen werden, dann könnte vom Mädchen Schadensersatz verlangt werden. Ich machte den jungen Bauern darauf aufmerksam, dass der Vorwurf eines Meineids schon eine arg happige Sach’ sei. Aber er war zornig genug, sie bei der Polizei anzuzeigen. Es kam zu einem Strafprozeß. Weinend gestand das Mädchen angesichts der genauen Schilderung der einstigen Mondnacht, dass sie falsch geschworen hatte. Da sie damals aber noch nicht volljährig gewesen war, kam sie mit einer Jugendstrafe davon. Im Schadensersatzprozeß wurde ein Blutgruppengutachten eingeholt. Es ergab, dass der junge Bauer tatsächlich nicht der Vater des Buben sein konnte. Darauf verzichtete der Vormund auf seine Unterhaltsforderungen. Beim Spezi war freilich auch nichts zu holen. Der war inzwischen gestorben.
Raimund Eberle
2/2006
Das änderte sich, als eines Tages die Kindsmutter zum Heiraten kam. Auf dem Hof überlegten sie: Das Heiratgut ließe sich doch aufbessern, wenn der Vormund endlich die nach dem Urteil des Amtsgerichts geschuldeten Unterhaltszahlungen verlangen würde; im Laufe der Jahre musste eine ganz schöne Summe an Nachzahlungen zusammengekommen sein. So tat’s der Vormund.
Das ging dem vermeintlichen Kindsvater über die Hutschnur. Da saß er nun, in der Anwaltskanzlei, und sagte geradeheraus, die Kindsmutter sei meineidig gewesen; er sei überhaupts nicht der Kindsvater, sondern ein Spezi von ihm. Er sei mit dem Dirndl auf einem Tanzei gewesen. Als sie, er und der Spezi auf ihren Fahrrädern heimfahren wollten, sei er von einem Nachbarn aufgehalten worden wegen eines Viehkaufs. Der Spezi und das Mädchen seien derweil vorausgefahren. Als er nach einiger Zeit auch heimgefahren sei, habe er am Wegrand zwei Fahrräder und auf der Wiese zwei Menschen gesehen. Im Mondlicht habe er genau erkannt, dass da etwas vorging, was neun Monate später .... . Er sei weiter gefahren, habe den Spezi abgepasst (das Mädchen war vorher zu seinem Hof abgebogen) und ihn zur Rede gestellt. Der habe abgewunken und gesagt: »Geh weita, reg di do net auf zwengn den oana Moi!« Gegen das Urteil gab es kein Rechtsmittel mehr, alles war rechtskräftig. Nach langem Studieren kam ich darauf, dass es nur einen Weg gäbe. Der Meineid musste nachgewiesen werden, dann könnte vom Mädchen Schadensersatz verlangt werden. Ich machte den jungen Bauern darauf aufmerksam, dass der Vorwurf eines Meineids schon eine arg happige Sach’ sei. Aber er war zornig genug, sie bei der Polizei anzuzeigen. Es kam zu einem Strafprozeß. Weinend gestand das Mädchen angesichts der genauen Schilderung der einstigen Mondnacht, dass sie falsch geschworen hatte. Da sie damals aber noch nicht volljährig gewesen war, kam sie mit einer Jugendstrafe davon. Im Schadensersatzprozeß wurde ein Blutgruppengutachten eingeholt. Es ergab, dass der junge Bauer tatsächlich nicht der Vater des Buben sein konnte. Darauf verzichtete der Vormund auf seine Unterhaltsforderungen. Beim Spezi war freilich auch nichts zu holen. Der war inzwischen gestorben.
Raimund Eberle
2/2006