Jahrgang 2022 Nummer 8

Selige Edigna, Einsiedlerin

Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Edigna war ein königliche Prinzessin aus Frankreich. Auf besonderen Antrieb Gottes verließ sie, um ihre Tugend zu bewahren, den königlichen Hof und alle Ehren der Welt. Auf einem Wagen, von Ochsen gezogen, hatte sie einen Hahn und eine Glocke und kam durch göttliche Fügung bis nach Puch bei Fürstenfeldbruck in Bayern. Da blieben die Ochsen stehen, der Hahn krähte, die Glocke läutete von selbst: Zeichen für Edigna, dort zu bleiben. Sie fand eine große, hohle Linde, in welcher sie Wohnung nahm. Unter strengen Abtötungen, Gebet und Betrachtung lebte sie als Einsiedlerin lange Zeit. Gott verlieh ihr die Gabe der Wunder. Die Bewohner der Umgegend kamen in Unglücksfällen zu ihr und erhielten Rat und Hilfe. Edigna starb selig im Herrn am 26. Februar 1109. Ihr heiliger Leib wird auf dem Seitenaltare in der Kirche zu Puch verehrt. Die Linde steht noch. Auch die Glocke ist erhalten und wird bei heranziehenden Gewittern geläutet. Die Selige wird oft erfolgreich bei verlorenen oder gestohlenen Sachen angerufen.

Lehre. Wie sehr beschämt die selige Edigna allen sündhaften Luxus in Nahrung, Kleidung und Wohnung! Ein Standesunterschied muss sein. Es strebe aber niemand über seinen Stand hinaus, mache keine unberechtigten Ansprüche; man sei bescheiden, gebe dem Neide keinen Raum im Herzen und verachte jene nicht, die in einem niedrigeren Stande sind.

Gebet. O selige Edigna, die du unter Verheimlichung deiner hohen Abstammung dem armen Jesus nachgefolgt bist: lege bei Gott deine Fürbitte ein, damit die Gläubigen entsprechende Bescheidenheit und Genügsamkeit in Nahrung, Kleidung und Wohnung beobachten, ihre Herzen nicht an das Irdische heften, sondern nach deinem erhabenen Beispiele die himmlischen Güter hochschätzen und auch zu erlangen sich bemühen mögen. Amen.

 

Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.

 

8/2022