Jahrgang 2022 Nummer 20

Seit 150 Jahren Hilfe in Not und Gefahr

Freiwillige Feuerwehr Siegsdorf kann ihr 150-jähriges Bestehen feiern

Vorderseite Gründungsurkunde
Hand- und Druckspritze 1887.
Alte Fahne mit dem Florian.
Einweihung des Feuerwehrhauses 1939.
Erstes goldenes Leistungsabzeichen 1967.
Gründungsfest Vogling mit der historischen Spritze,
2021 wurde eine Drehleiter angeschafft.

Gott zur Ehr – dem Nächsten zur Wehr, heißt es in Siegsdorf nun schon seit 150 Jahren, wenn die Frauen und Männer der Freiwilligen Feuerwehr Siegsdorf ausrücken, um Hilfe in Not und Gefahr, bei Naturkatastrophen und Unfällen zu leisten.

Seit am 9. April 1872 von engagierten und weitsichtigen Männern die Freiwillige Feuerwehr Siegsdorf gegründet wurde, leistet die aktive Wehr stets uneigennützig Hilfe für die Siegsdorfer Bevölkerung, aber auch wichtige Unterstützung in der Region bei überörtlichen Schaden-Ereignissen oder Katastrophenfällen. Seit den Gründerjahren haben sich über die Jahrzehnte die Aufgaben der Feuerwehren jedoch stark verändert, die Bereitschaft der Mitglieder aber, sich für den Dienst am Nächsten und die Mitarbeit im Vereinsleben einzusetzen, ist gleich geblieben.

Während die aktive Wehr mit ihren derzeit 65 aktiven und 17 Jugendlichen mit ihrer vielseitigen Hilfe bei Bränden, Verkehrsunfällen, Sturmund Wasserschäden, Sicherheitswachen oder Verkehrsregelungen im Bewusstsein der Bevölkerung steht, vollzieht sich die Arbeit des über 380 Mitglieder zählenden Feuerwehrvereins meist im Stillen und dient in erster Linie der Unterstützung der aktiven Wehr. Die bei den Veranstaltungen erarbeiteten Mittel des Vereins werden vielfach zur Verbesserung der Bedingungen im und um die Einsätze eingesetzt, aber auch zur Erhaltung und Pflege der Kameradschaft bei Ausflügen oder gemeinsamen Feiern mit den Familien.

Ein Blick in die 150-jährige Geschichte der Wehr

Dank weitsichtiger und verantwortungsbewusster Männer wie Oberförster Anton Freund, der zum 1. Vorstand gewählt wurde, und Hauptmann Sebastian Polz, (Zimmerermeister) erfuhren die 35 bei der Gründungsversammlung am 9. April 1872 rekrutierten Feuerwehrmänner sogleich eine fundierte Ausbildung, und konnten so bald effektive Hilfe bei Bränden leisten. Von Anfang an kämpften die Verantwortlichen jedoch auch mit der Ignoranz der Bezirksbehörden und den knappen Kassen der beiden zuständigen Gemeinden Ober- und Untersiegsdorf bei der Beschaffung notwendiger Requisiten und einer funktionsfähigen Feuerspritze. Nachdem der Bau eines eigenen Gerätehauses scheiterte, konnten die Gerätschaften der Wehr ab 1878 im späteren Rathaus an der heutigen Auenstraße Platz finden und blieben dort unter engsten Verhältnissen bis ins Jahr 1939. Im Jahr 1887 gelang endlich (nachdem bereits zwei Wehrmänner bei Löschversuchen mit den Handkübeln ums Leben gekommen waren) die Anschaffung einer neuen, leistungsfähigen Hand- und Druckspritze, die heute noch im Eingangsbereich des Feuerwehr-Gerätehauses zu bewundern ist.

Die anfangs des 20. Jahrhunderts hochmoderne und leistungsfähige Saug- und Druckspritze der Firma Braun aus Nürnberg aus dem Jahr 1909 ist ebenfalls noch im Besitz der Wehr und wird beim Festzug am 29. Mai in Siegsdorf mit dabei sein. 1888 konnte man imRahmen eines schönen Festes die Weihe der ersten Vereinsfahne begehen. Sie hat nach einer umfassenden Renovierung im Jahr 1972 nun imneuen Gerätehaus in einem Glasschrank eine würdige Bleibe gefunden. Nach den Wirren des ersten Weltkriegs, dem 13 aktive Wehrmänner zum Opfer fielen, feierte man 1922 das 50-jährige Bestandsjubiläum. 1927 konnte die erste elektrische Alarmierung installiert werden und 1930 bewährte sich erstmals die neue Magirus Motorspritze »Liliput« bei den Einsätzen. Besonders stolz war man 1931 auf die schnelle und effektive Nachbarschaftshilfe beim Brand eines Sägewerks in Inzell. Nur 25 Minuten nach der Alarmierung konnten die 60 ausgerückten Siegsdorfer Wehrmänner dort bereits mit ihrer Motorspritze Wasser liefern, und ein Übergreifen der Flammen auf die Pfarrkirche verhindern. Die Spritze war erstmals mit einem Lastwagen transportiert worden, der auch der Beförderung der Mannschaft diente. Ein weiterer Meilenstein für die Wehr war 1939 der Bau des neuen Gerätehauses an der Ruhpoldinger Straße, das dann bis ins Jahr 2010 der Wehr als Heimat diente. 1933 konnte die Siegsdorfer Wehr bereits eine eigene Sanitätsabteilung vorweisen und während des 2.Weltkriegs gründete sich eine weibliche Einsatzgruppe aus 12 jungen Siegsdorferinnen im Alter von 12 bis 19 Jahren, die sich nach intensiver Ausbildung, bei den vielen Einsätzen zum Ende des Krieges bestens bewährte. Wie schon im ersten Weltkrieg (13 Gefallene Mitglieder der Wehr) forderte auch der 2. unseligeWeltkrieg viele Opfer aus den Reihen der aktiven Wehr. 23 junge Männer kehrten nicht mehr von den Fronteinsätzen zurück, dennoch konnte von Kommandant Otto Meister bald wieder eine einsatzfähige Truppe auf die Beine gestellt werden. Nachdem 1950 die Wehr zur »Stützpunktfeuerwehr« im Landkreis erklärt worden war, feierte man 1952 das 80-jährige Bestehen mit einer großen Schauübung und durfte 1953 die zweite Vereinsfahne weihen, die auch heute noch, bestens in Stand gehalten, dem Verein von Fähnrich Stephan Untermeier vorangetragen wird. 1964 konnte die Wehr erstmals mit dem neuen Tanklöschfahrzeug TLF16 Hilfe leisten und 1967 zeichnete Kreisbrandmeister Franz Schmid nach intensiver Übungsarbeit die erste Gruppe der Wehr (und des ganzen Landkreises Traunstein) mit dem »Goldenen Leistungsabzeichen« aus.

Der große »Technische Wandel« hielt in den 70er Jahren auch bei der Siegsdorfer Wehr Einzug. Mit der Funkwecker-Alarmierung (1976) und der ersten Rettungsschere im Jahr 1978 konnten die Ausrückzeiten und die effektive Hilfe wesentlich verbessert werden und 1981 entstand in Siegsdorf erstmals ein »Katastrophenschutzzug«. Das »100-jährige« hatte man 1972 mit einem Festabend und einer großen Schauübung mit demneuen LF 8 und der alten Spritze von 1909, sowie einem Festabend gefeiert. Zehn Jahre später beging man das 110- jährige Jubiläum mit einer Festwoche, zusammen mit der Musikkapelle Vogling-Siegsdorf. Dabei wurden die Wehren kurz nach dem Festzug zu einem Großbrand nach Feilnreit gerufen. Ähnlich erging es den Siegsdorfern bei der Feier zum 125-jährigen Bestehen, bei der das Fest-Wochenende 12./13. Juli von Starkregenfällen mit mehreren Alarmierungen überschattet war, was aber die Feierlaune der vielen Besucher nicht unterbinden konnte. Vorstand Burkhard Sehm und Festleiter Friedl Eder konnten am Festsonntag dazu 55 Feuerwehren, viele Ortsvereine und 10 Musikkapellen begrüßen, die die Festmesse jedoch wegen des Regens im Zelt feiern mussten. Unterstützt von der Disziplin der Teilnehmer konnte man dann reibungslos die Aufstellung zum Festzug organisieren. Anfangs trocken, später bei leichtem Nieselregen zogen die 2000 Teilnehmer vom Zelt in der Breslauerstraße durch das Dorf zum Wendepunkt am Feuerwehrhaus, wo jedem Verein ein geschnitzter Florian überreicht wurde. Zudem gründete Wolfgang Buchner im selben Jahr die erste Jugendgruppe, die sich bis heute bestens als »Nachschub-Kader« für die aktive Wehr bewährt hat.

Die Gemeinde Siegsdorf als Dienstherr der Wehren, ist stets bemüht, ihre Feuerwehren technisch auf demStand der Zeit zu halten, und so wurden auch in Siegsdorf immer wieder Fahrzeuge erneuert und die Ausrüstung ergänzt. Viele Jahre an Debatten, Vorgesprächen und Überlegungen und Grundstücksthemen gingen aber ins Land, bis man 2010 endlich den Bau des neuen Feuerwehr-Gerätehauses in Angriff nehmen konnte. Ein aufwändiger Umzug der gesamten Wehr in den Gemeindebauhof, der Abriss der »historischen Heimat« und der Bau des neuen, geräumigen Feuerwehrhauses an gleicher Stelle, forderte alle Beteiligten mächtig, aber die Freudewar umso größer, als man im Herbst 2011 nach eineinhalbjähriger Bauzeit das »neue Domizil an alter Stätte« beziehen konnte. Am 15. April 2012 beging man mit einem Festgottesdienst, einem schönen Festzug und einem anschließenden Tag der Offenen Tür die offizielle Einweihung des neuen Gerätehauses. Mit dem Kauf des neuen ELW (Einsatzleitwagen) im Jahr 2017 begann eine außergewöhnliche Fahrzeug-Beschaffungszeit für die Wehr. Auf Grund des gemeindlichen Feuerwehr-Bedarfsplans wurden ein Mannschaftstransportwagen (MTW), ein neues LF 10 Löschfahrzeug und erstmals eine Drehleiter (DLA(K)23/12 in Auftrag gegeben. Zur Segnung der Drehleiter organisierte die Wehr trotz aufwändiger, behördlich verordneter Hygieneund Abstandsregeln einen großen »Tag der offenen Tore«, zu dem den Hunderten interessierten Besuchern die Aufgaben und die Ausrüstung der Wehr eindrücklich und umfassend präsentiert wurden. Mit dem noch im Sommer 2022 bevorstehenden Austausch des über 30 Jahre alten Versorgungs-LKW soll der Umbau auf einen leistungsfähigen und zeitgemäßen Fuhrpark bei der Wehr dann abgeschlossen sein.

Die Mannschaft um die Kommandanten Manfred Steiner, Hansjörg Mayer und Peter Bittner ist jedenfalls weiterhin hoch motiviert, und auch künftig bereit, sich neuen Herausforderungen zu stellen, um weiterhin ehrenamtlich den Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Schadensfall notwendige Hilfe leisten zu können.

Die Vorstandschaft der Freiwilligen Feuerwehr möchte alle Bürgerinnen und Bürger aus der Gemeinde, den Nachbarorten und dem gesamten Chiemgau herzlich zu ihren Festtagen vom 25. bis 29. Mai 2022 einladen. 1. Vorstand Hans Mörtl jun. und sein Stellvertreter Raphael Schreckenbauer, sowie Festleiter Franz Biermeier jun. und der gesamte Festausschuss haben sich große Mühe gegeben, in der kurzen Zeit der Vorbereitung ein rundes Programm auf die Beine zu stellen.

Für ausführliche Informationen rund um die 150-jährige Geschichte der Feuerwehr Siegsdorf empfiehlt sich auch die sehenswerte Festschrift der Wehr, die zum bevorstehenden Jubiläumsfest geschaffen wurde.

Festprogramm

Die Festtage beginnen mit dem Bieranstich und einem Tag der Betriebe, Vereine und der Dorfgemeinschaften am Mittwoch, dem 25. Mai, an dem die »Schwaiger Buam« für fetzige Unterhaltung sorgen. Der Vatertag, 26. Mai, steht ganz im Zeichen der Familien. Ab 10 Uhr laden die Feuerwehrler zu einem spannenden Familien- und Erlebnistag rund um das Festzelt ein. Im Festzelt unterhält die Festmusik, die Musikkapelle Vogling- Siegsdorf, die Besucher und neben dem Angebot aus der Festküche gibt es das traditionelle »Vatertags- Stichfleischessen« der Krieger- und Soldatenkameradschaft Siegsdorf. Ab 18 Uhr steigt dann eine »Vatertags-Party« mit der Band »Pitch Black«. Am Freitag, dem 27. Mai, lockt das Weinfest der Feuerwehr Siegsdorf mit dem legendären »Postamt-Trio« und für den Samstag ist ein kurzer Festabend angesagt, bevor die Musikkapelle Vogling-Siegsdorf im Zelt und DJ Fex in der anschließenden »Barparty« für Stimmung sorgen. Der Festsonntag, zu dem circa 70 Feuerwehren und alle Ortsvereine der Gemeinde, sowie einige Musikkapellen erwartet werden, beginnt um 8 Uhr mit der Begrüßung der Vereine vor dem Festzelt, bevor um 9.30 Uhr der Kirchenzug hinunter zum Kurpark startet. Nach der Festmesse im Pavillon im Kurpark formiert sich ein Festzug mit circa 2000 Teilnehmern über die Auenstraße, die Theresienstraße (Einschleifen der Fuhrwerke) und die Hauptstraße Richtung Traunbrücke-Kreisverkehr und zurück über Haupt- und Reichenhaller Straße hinauf zum Festzelt. Dort wird am Nachmittag die Musikkapelle Vogling-Siegsdorf aufspielen, die später dann beim finalen Festausklang von der bekannten »Dreder Musi« abgelöst wird.

 

Franz Krammer

 

Als Grundlagen dieses Rückblicks konnte der Verfasser auf die ausführliche und akribisch zusammengetragene Chronik der Feuerwehr Siegsdorf, auf die Festschrift von 1997, sowie auf die umfassende Chronik der Gemeinde Siegsdorf zurückgreifen. Alle Bilder stammen aus dem Archiv oder der aktuell zum Jubiläum verfassten, sehr sehenswerten Festschrift der Feuerwehr Siegsdorf.

 

20/2022