Jahrgang 2002 Nummer 26

Porzellan – das »weiße Gold« früherer Jahrhunderte

Ein Werkstoff, der Geschichte und Kultur schrieb

Johann Friedrich Böttcher, der am 20. März 1709 in Dresden seinem König die Erfindung der Porzellanherstellung meldete, auf eine

Johann Friedrich Böttcher, der am 20. März 1709 in Dresden seinem König die Erfindung der Porzellanherstellung meldete, auf einer Zeichnung bei seiner Forschung.
Porzellan, wer kennt es heute nicht? Ist es doch ein Gebrauchsartikel, ohne den ein deutscher Durchschnittshaushalt nicht mehr denkbar erscheint. Aber Porzellan hat eine über Hunderte Jahre währende und Epochen prägende Bedeutung. Vor gut 700 Jahren wurden ursprünglich Gegenstände für den täglichen Gebrauch in China, später auch in Japan hergestellt. Und weil das Produkt so schön anzusehen war, fand es seinen Weg letztlich in die Kunst. Manufakturen wurden eingerichtet, nach und nach entstanden ganze Industriezweige, in denen wunderbare Vasen, Service und selbst Figuren hergestellt wurden. Wenn man schon nicht in der Lage war, pures Gold herzustellen, so vermochte das »weiße Gold« seine Besitzer in Verzückung zu versetzen.

Selbst der Name Porzellan ging einige Irrwege. Die am Welthandel interessierten Venezianer fanden sehr bald Gefallen an der glänzenden Ware und organisierten ihren Import. Und Porzellan heißt im vulgären Latein »Schweinchen« und diese Bezeichnung ist wiederum auf die rundliche und hochgewölbte Kaurimuschel gemünzt. Ihre Oberfläche ist glatt, glänzend und hart, eben dem neuen Werkstoff sehr ähnlich. Und wann und wo jemand auf den Gedanken kam, diesen Namen auf den wunderbaren Werkstoff zu übertragen? Möglich, dass es der Venezianer Marco Polo war, der mit seinem Vater und Onkel über Bagdad und Omar auf dem beschwerlichen Weg übers Meer, über Gebirge und durch Wüstengegenden Peking erreichte und erst zwei Jahrzehnte später 1292 seine Heimat wieder erreichte und auch den Namen des neuen Werkstoffes mitbrachte. In Italien versuchte man, Porzellan nachzuahmen. War man doch mit Fayence, Majolika und Glasschmelzkunst vertraut. Aber noch war man nicht so weit, echtes Porzellan herzustellen. Erst im 16. und 17. Jahrhundert begann man sich für das Porzellan zu interessieren. Es kam dann zu einer großen China- und Porzellanmode. Für die neuen Getränke aus der Neuen Welt wie Kaffee, Tee und Kakao war das kostbare, herrlich anzuschauende Porzellan gerade richtig. Der Vordere Orient trieb schon lange regen Handel mit dem Fernen Osten, und die große Porzellansammlung der Sultane im alten Serail, dem Topkapi, ist Zeugnis davon.

Wunderschön erscheinen auch heute noch die mattgrünen Seladonschalen und die kostbaren Blau-weiß-Porzellane. Der Name Seladon stammt von dem französischen Roman L Àstrée von Honoreé d`Ufreé, der 1610 in Paris erschien. Der Held dieses Romans, der Schäfer Seladon, trug stets ein mattgrünes Gewand, das Mode machte.

Mit den zunehmenden Entdeckungsfahrten und immer zahlreicher werdenden Gründungen von Seehandelsgesellschaften kamen ab 1600 die Kostbarkeiten einer fernen Welt in immer größerer Zahl auch nach Europa. Es waren Gewürze, Edelsteine, neue Hölzer, kostbare Stoffe, fremdartig gemusterte Teppiche, Möbel und eben auch Porzellan. Es wurde auch Mode, Porzellangefäße in den Wohnungen aufzustellen, zum Beispiel Garnituren von verschiedenen Vasen auf Kaminen und Barockschränken.

Die Begeisterung der Europäer für das chinesische Porzellan und die ungeheueren wirtschaftlichen Erfolge riefen überall Töpfer und Alchimisten auf den Plan, dem Geheimnis der Porzellanherstellung auf die Spur zu kommen. Da aber alle von der mit niedriger Temperatur gebrannten Fayence ausgingen, statt das Grundmaterial, die richtige Erde zu suchen, wurden höchstens Vorstufen des späteren Frittenporzellans erreicht. Die Renaissance mit ihrem Wissensdrang auf allen Gebieten steigerte den Wunsch der Fürsten, der erste zu sein, in dessen Bereich die Porzellanherstellung gelingt. Am meisten Glück hatte der Großherzog der Toskana in Florenz, Francesco Maria de Medici. Er trieb selbst alchimistische Studien und es gelang ihm, mit der Hilfe von Fontana und dem Schüler Michelangelos, Buontalenti, aus der weißen Erde von Vicenca ein dem Porzellan ähnliches Material herzustellen, das unter dem Namen Medici – Porzellan bekannt wurde und von dem noch 59 Stück erhalten sind.

In Paris, das in dieser Zeit ein Treffpunkt der Naturwissenschaftler war, beschäftigte man sich auch wissenschaftlich mit dem Porzellan. Die Briefe eines Jesuitenpaters aus dem Jahre 1712 mit der Beschreibung der chinesischen Porzellanstadt Ching – te – chen auf dem Kau-ling-berg (daher der Name Kaolin auch bei uns), wo große Porzellanlager waren, erregte Aufsehen. In einem Gelehrtenkreis in Paris lernte der Dresdener Mathematiker und Physiker Graf Walter von Tschirnhausen, den Erfinder des Brennspiegels Francois Vilette kennen. Von Tschirnhausen war von dem Gerät beeindruckt, aber der Franzose gab sein Geheimnis nicht preis. Der deutsche Physiker wusste sich jedoch zu helfen. Mittels Kupferspiegeln, dann mit gläsernen Brennspiegeln gelang es ihm selbst die Energie der Sonne zu nutzen und etwas Porzellanähnliches, ein Weichporzellan, das so genannte Wachsporzellan, herzustellen.

August der Starke verfügte am 25. Mai 1704, dass Tschirnhausen mit Böttcher zusammenarbeiten sollte. Johann Friedrich Böttcher hatte sich schon seit Jahren mit alchemistischen Arbeiten befasst, befand sich seit drei Jahren in Gewahrsam in Dresden, da man glaubte, er könne Gold machen. Böttcher, 1682 in der Schweiz geboren, kam nach dem frühen Tod seines Vaters in die Lehre eines Apothekers nach Berlin. Dort begeisterte er sich für die Alchemie, die damals als eine ernst zu nehmende Wissenschaft galt. Böttcher hoffte, das Geheimnis der Goldgewinnung zu entdecken. Der Kurfürst erfuhr von den angeblich gegelückten Versuchen und da er Geld brauchte, wollte er sich den Goldmacher sichern. Böttcher aber verschwand nach dem sächsischen Wittenberg, um seine Studien in Ruhe weiterführen zu können. Weitere Verfolgung veranlasste ihn dann, sich unter den Schutz des Kurfürsten von Sachsen zu stellen, der ihn allerdings zuerst auf die Festung Königstein und dann auf die Albrechtsburg in Meißen bringen ließ. 1706 erhielt Böttcher ein Laboratorium auf der Jungfernbastei in Dresden. Zu seinen Mitarbeitern gehörte auch Tschirnhausen. Die neuen Brenngläser bewährten sich zwar bei den Schmelzversuchen, aber Gold entstand nicht. Auf Tschirnhausens Rat widmet sich Böttcher der Untersuchung von Erde. Er erkennt, dass mit Hilfe der Brenngläser und der hohen Temperaturen die verschiedenen Erden zum Schmelzen gebracht werden könnten.

Am 20. März 1709 schließlich konnte Böttcher in Dresden seinem König mitteilen, dass die Erfindung des Porzellans gelungen war (1708 bereits war von Tschirnhausen verstorben, ohne den Erfolg miterlebt zu haben).

1710 wurde dann in Meißen die erste europäische Manukaktur für echtes Porzellan gegründet und erlangte bald Weltgeltung.
August der Starke, ab 1697 König von Polen, stellte mit seiner Porzellan-Sammelleidenschaft selbst Ludwig XIV. in den Schatten, denn 1717 überließ er dem »Soldatenkönig« von Preußen 600 Dragoner gegen Porzellanvasen.

Böttger, der zum Administrator ernannt wurde, durfte auf Befehl des Kurfürsten die Jungfernbastei in Dresden nicht verlassen. Das Arkanum (das Porzellangemenge) musste er zwei vertrauenswürdigen Männern geteilt eröffnen. Es war der Leibarzt Augusts des Starken Dr. Barthelmai und Dr. Nehmitz. Einer für Aufbereitung, einer für die Glasur. Die Arbeiten wurden auch in getrennten Räumen durchgeführt. 1719 starb Böttger.

Den Arkanisten Hunger und Stöltzel gelang es aus Meißen zu flüchten und es entstand 1717 in Wien eine Manukatur.

Was ist nun eigentlich Porzellan?

Porzellan ist Keramik und wie Fayence, Steingut, Steinzeug und einfache Töpferware aus Erde gemacht und gebrannt. Die Hauptbestandteile der Porzellanmasse sind Kaolin (vom Kaolinberg in China, heute findet man es auch in manchen Teilen Mittel- und Ostdeutschland, auch in Frankreich und England), Feldspat und Quarz. Die prozentuale Zusammensetzung der Masse, das so genannte Arkanum, ist das streng gehütete Geheimnis einer jeden Manufaktur. Je höher der Kaolingehalt ist, desto höher muss die Temperatur beim »Garbrand« oder »Scharfbrand« sein. Mehr Temperatur ergab härtere und widerstandsfähigere »Scherben«. Wichtig ist die sorgfältige Bearbeitung der Masse, die mit Wasser zubereitet wird. Grob gesagt sind die Verhältnisse 50% Kaolin, 25 % Feldspat, 25% Quarz. Die Glasur ist ähnlich zusammengesetzt. Die Masse wird entweder auf der Töpferscheibe bearbeitet oder in Formen gegossen. Die Stücke müssen dann gut durchtrocknen. Sie werden danach zwei Bränden ausgesetzt, dem »Vor- oder Verglühbrand«, der dem Scherben Wasser entzieht und ihm die nötige Festigkeit für die Weiterbehandlung gibt. Nach dem Tauchen in den dünnflüssigen Glasurbrei erfolgt der »Garbrand« bis 1460 Grad. Die Glasur verbindet sich bei diesem komplizierten Umwandlungsvorgang unlösbar mit dem Scherben, der an Größe verliert und weiß und steinhart wird. Porzellan, das ohne Glasur zweimal gebrannt wird, nennt man Bisquit. Das Brennen ist ein ganz schwieriger Vorgang, dauert manchmal Tage und danach muss das Brenngut langsam abkühlen. Wenn Porzellan bemalt wird, erfolgt ein zweiter Brand.

Für technische Zwecke wie Schalterteile, Flaschenverschlüsse, Sicherungspatronen, Teile in der Hochfrequenz und in der chemischen Technik, sowie für Waschbecken und Toilettenschüsseln wird die Masse unterschiedlich zusammengestellt und auch verschieden verbrannt. Für künstlerische Zwecke wird entweder unter der Glasur gemalt, meist blau, weil es hohe Temperaturen aushält oder auf Glasur mit einem weiteren Brand von 900 bis 1200 Grad. Die Farben sind Oxyde von Metallen wie Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel, Chrom, Uran. (Oxyd ist eine chemische Verbindung eines Elementes mit Sauerstoff).

Was »Fritten-Porzellan« ist, könnte so bezeichnet werden: Statt Kaolin versuchte man eine Mischung herzustellen, die bestand aus Sand, Salpeter, Soda, Gips und Alaun. Das alles wurde einmal gebrannt, dann zu Pulver vermahlen und mit gewöhnlicher Tonerde oder Lehm vermischt. Diese Masse aber ist sehr weich. Sie wird geformt und gebrannt. Sie ist schließlich sehr schön, aber weiterhin weich.

Dann gibt es noch Knochenporzellan, auch Bone China genannt, das eine englische Erfindung ist. Es ähnelt außerordentlich etwas dem Frittenporzellan, kommt aber in der Zusammensetzung dem echten Porzellan näher.

Die Masse wird aus kalkhaltigem Porzellanton, einem feldspatartigen Mineral, plastischem Ton, Feuerstein und phosphorsaurem Kalk (Knochenasche und Phosphorit, das sind gebrannte gemahlene Rinderknochen meist aus Argentinien) gebildet. Das englische Porzellan hatte immer eine große Konkurrenz in dem zu Recht berühmten englischen Steingut, das mit dem Namen Wedgwood eng verbunden ist.

Die Zusammensetzung der Porzellanmasse, das Arkanum, war ein streng gehütetes Geheimnis der Manufakturen.

Auch die 1744 in Höchst entstandene Manufaktur wurde durch einen entflohenen Porzellanmaler, Löwenfinck, gegründet.

1751 gab Friedrich der Große das Privileg an den Kaufmann Wegely in Berlin.

In der Sakralkunst fand Porzellan kaum Verwendung. Ein Stück wurde aber doch entdeckt, das in Kirchen im 18. Jahrhundert verwendet wurde. Der Bourdalou. Auf einer großen Versteigerung wurden viele kostbare Waschschüsseln und Kannen entdeckt und dazu bei manchen Geschirren mehrere Saucieren. Man konnte die Verwandlung nicht recht erklären, aber im »Medizinischen Monatsspiegel« wurde 1972 folgender Beitrag veröffentlicht: »Ein medizinisches Prachtstück unter den Porzellanen des 18. Jahrhunderts ist der Bourdalou, ein physiologisches Instrument »au Plaisir des damnes«, wie es im Fond des Meißener Bourdalou in der Bemalung heißt. Ein Dictonair erklärt diesen Namen. Der Dominikanerpater Bourdrou in Paris verstand es, stundenlang und spannend in den Kirchen zu predigen. Die Zuhörer, unter ihnen besonders viele adelige Damen, warteten lange vor der geschlossenen Kirchentür, bis sie eingelassen wurden. Doch beim Ausharren in der Kirche während der Predigt stellten sich bei den Damen unangenehme Spannungen im Unterbauch ein. Deshalb trugen sie ihr eigenes »Vase de nuit« unter dem Kleid oder im Pelz mit sich, um es in allerhöchster Not als Urinoir zu benutzen. So musste sie den Platz nicht verlassen, der sonst von stehenden Zuhörern besetzt wurde. Die schweigsame Zofe sorgte für die weitere Besorgung des Bourdalou ihrer Herrin«. Obwohl am Hofe Augusts des Starken in Sachsen und in den Dresdener Kirchen nicht stundenlang gepredigt wurde, fabrizierte auch die königliche Manufaktur in Meißen anfangs ausschließlich für die Kurfürstin und ihre Damen und für die Mätressen Bourdalous.

Das entsprechende Gefäß ist sehr aufwendig und kostbar bemalt und es stand sicher in Unkenntnis seiner ursprünglichen Funktion als Sausiere auf dem Tisch eines feinen Bürgers.

AB/OR



26/2002