Pater Eusebius – ein Lebensbild
Apotheker im Vatikan, engagierter Ordensbruder und liebenswürdiger Pfarrer



In dem Artikel »Ein Reichenhaller gründete die »Farmacia Vaticana«, der in den Chiemgau-Blättern im Januar dieses Jahres erschien, wird Eusebius Frommer erwähnt. Es lohnt sich, einen etwas näheren Blick auf diese bedeutende Persönlichkeit zu werfen. Das interessante und wechselvolle Leben des Barmherzigen Bruders, der als Apotheker zweier Päpste imVatikan wirkte, hat der bedeutendste Kenner der Rupertiwinkeler Heimatgeschichte, Hans Roth (1938-2016), gründlich erforscht. Zusammen mit Josef Berschl verfasste Roth 1988 die Broschüre »Pater Eusebius Frommer (1840-1907): zur Errichtung einer Gedenktafel in der Pestkapelle desWaldfriedhofes von Anger«. Und im »Salzfass«, der heimatkundlichen Zeitschrift des Historischen Vereins Rupertiwinkel, veröffentlichte Roth 1992 einen ausführlichen Beitrag über ihn. Dadurch können wir uns ein genaueres Bild vom Leben und Wirken des Paters machen. Auf Roths Angaben geht das Folgende zurück.
Pater Eusebius hieß eigentlich Ludwig Frommer und war ein Schusterbube aus Hadermarkt, Anger. Das »Frommerhäusl« in der Nähe des Waldfriedhofs, wo sich die erwähnte Pestkapelle mit der abgebildeten Gedenktafel befindet, wurde 1971 abgerissen, doch ist der alte Hausname in Anger heute noch präsent. Ludwigs Vater, ein aus Straubing zugewanderter Schuhmacher, war in Reichenhall tätig und lernte hier Anna Maria Fürst kennen. Die beiden bekommen am 5. Juli 1840 einen Sohn, der einen Tag später in der St.-Nikolaus-Kirche vom Reichenhaller Stadtpfarrer Ignaz Hölderich auf den Namen Ludwig getauft wird.
Die Eheschließung der Eltern erfolgt im Jahr darauf, im Februar 1841 und zwar in Anger, wohin das Paar übersiedelt. Hier kommen noch fünf weitere Kinder auf die Welt, zwei davon sterben früh. Der Vater, der sich als Schuster selbstständig gemacht hat und ein kleines Wohnhaus mit Schusterstube für seine Familie bauen kann, stirbt 1853 im Alter von nur 45 Jahren an den Spätfolgen eines Schlaganfalls. »Die Not zog in das kleine Anwesen ein«, schreibt Hans Roth dazu.
Schon zu Lebzeiten des Vaters hegte Ludwig den Wunsch, Pfarrer zu werden. Doch die ärmlichen Verhältnisse nach dem frühen Tod des Vaters zwingen ihn zunächst, ebenfalls die Schumacher-Laufbahn zu ergreifen und so der Familie ein Auskommen zu sichern. Fleiß und Sparsamkeit des im Dorf beliebten, jungen Mannes führen dazu, dass das Geschäft bald zu blühen beginnt. Mit großem Engagement kümmert er sich auch um die Wiederherstellung der nahegelegenen, baufälligen Pestkapelle, die für ihn ein Rückzugs- und Erholungsort ist. Mit Erlaubnis der Kirchenoberen führt er eine Sammlung durch, um notwendige Instandsetzungsmaßnahmen zu finanzieren und rettet sie so vor dem Verfall. Bald macht Ludwig sich auf den Weg nach Neuburg an der Donau und bittet im Kloster St. Augustin um Aufnahme in den Orden der Barmherzigen Brüder. Der offizielle Eintritt erfolgt 1870. Anders als von ihm erhofft, wird er hier jedoch nicht in der Krankenpflege, sondern als Handwerker eingesetzt und muss in der Küche, im Garten und in der Ökonomie arbeiten. Das gefällt ihm zwar nicht, doch erfüllt er alle Aufgaben, ohne sich zu beklagen.
Dies alles weiß man durch eine autobiographische Schrift, die Ludwig zwischen 1881 und 1890 verfasst hat und von der sich eine (offenbar sehr fehlerhafte) Abschrift aus dem Jahr 1908 erhalten hat. Sie umfasst die Zeit vom 10. bis zu seinem 40. Lebensjahr. Der Titel »Der Sieger eines Dreißigjährigen Krieges – Erzählungen aus dem Leben« lässt ahnen, wie schwierig und hürdenreich sein Leben verlief. Als im August 1870 der Deutsch-Französische Krieg beginnt, werden mehrere Brüder des Neuburger Spitals an die Front geschickt, um Verwundete zu versorgen. Auch Ludwig hätte diesen Dienst gerne übernommen, doch verbietet der Prior ihm den Einsatz. Darauf verlässt er das Kloster, um sich als freiwilliger Krankenpfleger zu melden. Allerdings erreicht er auch auf diesem Wege nicht sein Ziel, und reumütig kehrt er ins Kloster zurück. Ende 1870 beginnt sein Noviziat und er erhält den Ordensnamen Eusebius. Am 1. Januar 1872 legt er feierlich das Versprechen ab, nach der Regel des hl. Augustinus zu leben.
1870 erhält Ludwig Frommer den Ordensnamen Eusebius
Kurz darauf fordert der Generalobere in Rom vom Neuburger Kloster Brüder zur Aushilfe an. Diesmal gehört Frater Eusebius zu den Ausgewählten. Auf dem Weg Richtung Süden besucht er noch einmal seine Mutter in Anger. Am 11. April 1872 trifft er in Rom ein. Der Anfang ist schwer, doch lernt er bald Italienisch, wird zunächst mit Schreibarbeiten betraut und erhält sodann im Klosterspital San Giovanni di Dio auf der Tiberinsel eine gründliche Ausbildung in Physik, Chemie und Pharmazie. Neben seiner Apothekertätigkeit lernt er in seiner Freizeit weiterhin eifrig Latein. Denn sein Wunsch, Priester zu werden, ist ungebrochen. AnWeihnachten 1873 übergibt er dem Ordensgeneral eine entsprechende Bittschrift. Doch die Reaktion fällt zurückhaltend aus.
Als der Vatikan im März 1874 an den Orden mit dem Wunsch herantritt, die Barmherzigen Brüder möchten den Apothekendienst im Vatikan übernehmen, schlägt Eusebius' Stunde – er wird auserkoren. Am 15. März 1874 tritt er die Stelle an. Damit wird er gleichsam Mitglied der vatikanischen Familie, ist zu den päpstlichen Audienzen zugelassen, darf an der Messe des Papstes in seiner Privatkapelle teilnehmen und empfängt von diesem die heilige Kommunion. Verleumderische Aussagen über Eusebius, von Neidern in die Welt gesetzt, führen dazu, dass er vorübergehend von der vatikanischen Apotheke abgezogen wird. Doch die Sache klärt sich auf und er, der sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, kehrt in den Dienst zurück.
Am 6. Januar 1875 legt er die Ewigen Gelübde in der Ordenskirche St. Johannes Calybita ab. Gegen die Widerstände des bayerischen Provinzkapitels nimmt Eusebius nebenbei das Studium der Theologie auf, wobei er sich in einigen Fächern privat unterrichten lässt. Immer noch im Amt als Apotheker im Vatikan – nachdem Papst Pius IX. Im Jahr 1878 gestorben war, stellt er auch für dessen Nachfolger, Leo XIII., die Arzneien zusammen – empfängt er 1879 die Tonsur und die niederen Weihen. Hans Roth schreibt: »Am Neujahrstag des Jahres 1880 an das Spital nach Tivoli versetzt, wo er Krankenwärter, Chirurg, Apotheker, Nachtwächter und Pförtner zugleich war, glaubte er sein Ziel in weite Ferne gerückt zu sehen, aber bereits nach wenigen Tagen erreichte ihn die Nachricht, dass er sich auf die Subdiakonatsweihe und auf eine Prüfung durch Professoren vorzubereiten habe.«
Die Examinierung durch die besten Theologen Roms dauert gerade einmal eine Viertelstunde, und Eusebius liefert ein glänzendes Ergebnis ab. Am 27. März 1880 erfolgt die Priesterweihe in der Basilika San Giovanni in Laterano. In seinen Erinnerungen berichtet Eusebius, dass er in der Nacht zuvor erst um Mitternacht einschlafen konnte und die feierliche Zeremonie am nächsten Morgen fast verschlafen hätte. Am darauffolgenden Ostersonntag feiert Eusebius sein erstes heiliges Messopfer, am Dienstag nach Ostern eine heilige Messe im Petersdom.
Im Juni desselben Jahres wird ihm ein vierwöchiger Heimaturlaub gewährt. Nach acht Jahren betritt er zum ersten Mal wieder deutschen Boden, besucht seine Mutter in Anger und trifft Verwandte und Förderer, die ihn auf seinem Weg begleitet und finanziell unterstützt haben. Die Nachprimiz wird in der Pfarrkirche festlich begangen. Dabei fällt es ihm alles andere als leicht, nach so langer Zeit eine Predigt in deutscher Sprache zu halten. Auch in der Pestkapelle werden einige Andachten gehalten. Anschließend kehrt Eusebius nach Rom zurück, doch im Jahr darauf endet zunächst seine Zeit in Italien. Im August 1881 wird er Prior der Ordensniederlassung Algasing bei Dorfen und übernimmt damit auch die Führung der »Anstalt für verwahrloste Knaben«, die er baulich erneuert und bald zu allgemeinem Ansehen bringt. Hans Roth erläutert: »Seine Richtlinien für die pädagogische Unterweisung der Schüler zielen darauf ab, weniger mit Strafe zu drohen, sondern vielmehr das Motiv der Liebe zum Tragen zu bringen und wirksam werden zu lassen. […] Der Prior erweiterte die Anstalt, die nicht nur ›arme, elternlose, verwahrloste Kinder, welche von ihren Heimatgemeinden dahin gegeben werden‹, aufnahm, sondern auch Knaben von ›4 bis 10 Jahren aus allen Ständen und den besten Familien‹, wie damals das ›Traunsteiner Wochenblatt‹ schreibt und den ›äußerst liebenswürdigen Priester‹ Frommer preist.«
Im April 1890 wird Eusebius zum Prior seines ursprünglichen Klosters St. Augustin in Neuburg an der Donau berufen. Auch hier wirkt er segensreich, lässt Baumaßnahmen durchführen und die Klosterkirche mit Kunstwerken ausschmücken. Doch schon nach vier Jahren heißt es für ihn wieder Abschied nehmen. Nach eineinhalb Jahren im Krankenhaus »Heilige Familie« in Nazareth – die bergige Lage dort vergleicht er in einem Brief mit dem Högl – erhält er den Auftrag, für den Orden in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland zu sammeln. Bei dieser Gelegenheit besucht er auch Anger und hält in Bad Reichenhall Vorträge über das Heilige Land, über die die Zeitschrift »Der Grenzbote« ausführlich berichtet. Den Rest seines Lebens verbringt er wieder in Italien; zunächst in Nettuno, einer kleineren Stadt in der Nähe Roms, dann in Lodi in der Lombardei. Am 4. März 1907 stirbt Frommer in Venedig, 67 Jahre alt. Über die näheren Umstände ist nichts bekannt. Sein Grab befindet sich auf dem dortigen Friedhof San Michele. Durch eine Gedenktafel an der Pestkapelle in Anger, die der Steinmetzmeister Raimund Hölzl gestaltet hat, bleibt die Erinnerung an Pater Eusebius auch in seiner und unserer Heimat gegenwärtig.
Heike Mayer
3/2024