Jahrgang 2025 Nummer 6

Oxymel zur Vorbeugung und Linderung von Grippe

Wie ein Kräuter-Heilmittel der Grippe ein Schnäppchen schlägt

Für die Herstellung von Oxymel verwendet man unter anderen einen Bio-Apfelessig (oder ähnliches).
Honig stärkt das Immunsystem und hilft dem Körper, Infektionen zu bewältigen.
Zu den Inhaltsstoffen von Oxymel gehört unter anderen Sternanis.

Unlängst auf dem Markt fiel mir ein Stand besonders auf. Toll gestaltet und elegant zugleich reihten sich viele Flaschen aneinander. Um einen kleinen Tisch davor tummelte sich bereits eine Gruppe von Marktschwärmern. Dort gab es den Inhalt zu probieren, der mir allerdings noch nicht so ganz klar war. Beim Näherkommen lüftete sich das Geheimnis. In den Flaschen befand sich Sauerhonig mit allerlei verschiedenen Kräutern, Gewürzen und sogar Knospen. Aha, dachte ich, so kann also ein Getränk aus dem Hochmittelalter in Szene gesetzt werden. Sauerhonig, auch Oxymel genannt, verbindet Essig und Honig zu einem hervorragenden Heilmittel. Der Name ist eine Übersetzung aus dem Griechischen, wo »sauer« »oxy« und »mel« Honig bedeutet.

Schon die berühmteste Frau und Mystikerin des Mittelalters wusste mit diesem Rezept umzugehen. Sie brachte es schon zu Lebzeiten zu Ansehen, und das in einer Zeit, in der das Patriarchat höchste Priorität hatte. Wissen Sie, wen ich meine? Natürlich keine Geringere als Hildegard von Bingen. Der Mönch Gottfried schrieb über ihre Schaffensjahre und der Mönch Theoderich vollendete die Aufzeichnungen nach ihrem Tod. Im hohen Alter von 81 Jahren starb das Universalgenie in einer Zeit, in der das Durchschnittsalter zwischen 30 und 60 Jahren lag. Ihr Wissen schöpfte sie zum Teil aus ihren Visionen, die von ihrem christlichen Weltbild geprägt und interpretiert wurden. Ebenso bezog sie den gesamten Kosmos mit ein. Ihr ganzheitlicher Ansatz macht ihr Wissen und ihre Schriften so modern und damit auch im Hier und Jetzt aktuell. Ihr Leitsatz: »Krankheit ist nicht immer Schicksal, dem wir unweigerlich ausgeliefert sind, sondern wir können durch eine verantwortungsvolle Lebensführung in die Gestaltung unseres Lebens eingreifen«. Die Mutter aller Tugenden ist das Maß aller Dinge.

Schon in ihren alten Schriften hob sie die Bedeutung des sauren Honigs hervor. Auch in diesem Heilsirup hat die Kräuterkundige die verschiedensten Kräuter angesetzt. Einerseits schmecken bittere Kräuter milder, andererseits erhöht sich die Wirksamkeit und je nach Zugabe wird die Heilrichtung bestimmt. Das Rezept ist einfach und schnell zubereitet, enthält keinen Alkohol, wie wir es von den Tinkturen kennen, und ist daher auch für Kinder besonders empfehlenswert. Wie immer gilt: Je hochwertiger die Zutaten, desto wertvoller das Endprodukt.

Warum ein Oxymel so gut wirkt!

Ein Oxymel ist reich an Antioxidantien, wirkt reizlindernd, fiebersenkend, entgiftend und immunstärkend, indem es die guten Darmbakterien füttert und die krankmachenden verdrängt. Ich verwende Bio-Apfelessig, er ist reich an Säuren und Bakterien. Essig ist in vielerlei Hinsicht gesund und entsteht durch Fermentation. Fermentation ist ein Umwandlungsprozess! Früchte können zu einem alkoholischenGetränk werden, indem wilde Hefen oder zugesetzte Hefen den Zucker der Früchte fressen und in Alkohol umwandeln. Aus dem Alkohol und den in der Luft befindlichen Essigbakterien, die wiederum den Alkohol gerne fressen, kann Essigsäure entstehen. Nach einer gewissen Reifezeit wird aus den Früchten Wein oder eben Essig. Fermentierte Produkte sind voller Leben, dank guter Bakterien und Enzyme, und genau das macht den Essig im Oxymel so wertvoll.

Den Honig für mein Oxymel kaufe ich lieber beim Imker meines Vertrauens. Hier gehe ich keine Kompromisse ein.

Das Bienen-Erzeugnis zeichnet sich durch seine entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften aus. Honig stärkt das Immunsystem und hilft dem Körper, Infektionen zu bewältigen.

Seine natürlichen antimikrobiellen Eigenschaften können schädliche Bakterien bekämpfen und die Symptome von Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Krämpfe und Durchfall lindern. Außerdem enthält Honig Glukose und Fruktose, zwei Mehrfachzucker, die langsam verdaut werden, da sie erst in einzelne Zuckermoleküle zerlegt werden müssen, die dem Körper Energie liefern und den Elektrolythaushalt wiederherstellen. So kommen wir auch nach einer Krankheit schneller wieder auf die Beine.

Neben 80 Prozent Zucker besteht Honig zu etwa 17 Prozent aus Wasser und zu etwa drei Prozent aus Enzymen sowie weiteren Eiweißen, Vitaminen, Aminosäuren, Mineral-, Farb- und Aromastoffen.

Grundrezept für ein Oxymel

So einfach ist das! Wir mischen süßen Honig und sauren Essig im Verhältnis 2:1, zum Beispiel 1000 g Honig und 500 g Essig, oder im Verhältnis 3:1, 1000 g Honig und 333 g Essig. Dann wird alles gut vermischt.

Diese Zutaten reichen aus, um mit Wasser gemischt ein erfrischendes Getränk zu ergeben, das es in sich hat. Will man aus dem Konzentrat ein Heilmittel herstellen, so können wir in den Sauerhonig klein geschnittene Kräuter, Samen, Harze, getrocknete Wildfrüchte, sogar junge Knospen, sowie Wurzeln geben und das Ganze 4 Wochen bei Zimmertemperatur an einem dunklen Ort ziehen lassen. Um mit den Kräutern die Wirkungsweisen angeben zu können, lohnt es sich, sich ein gewisses Kräuterwissen anzueignen. Oberstes Gebot ist wie immer, dass ich nur Pflanzen verwende, die ich zu 100 Prozent richtig bestimmen kann.

Nach etwa vier Wochen wird der Inhalt abgeseiht und in dunkle Flaschen abgefüllt und mit Inhalt und Datum beschriftet. Die Haltbarkeit beträgt mindestens ein Jahr.

Oxymel zur Vorbeugung und Linderung von Grippe

Inhaltsstoffe: Thymian, Salbei, Spitzwegerich, Schlüsselblume (aus der Apotheke, da diese Blume geschützt ist), Ingwer und Anis oder Sternanis. (Diese Gewürze sind unterschiedlich und gehören nicht einmal zur selben Familie. Anis gehört zur Familie der Doldenblütler und Sternanis zur Familie der Sternanisgewächse. Da beide Gewürze das gleiche ätherische Öl, Anethol, enthalten, können wir entweder dies oder jenes verwenden).

Dieses Oxymel lohnt sich! Und zwar schon im Vorfeld, um der Grippewelle zu entkommen. Prophylaktisch empfiehlt es sich, 3 x täglich einen Esslöffel pur einzunehmen oder ein Stamperl in nicht zu kaltem Wasser von ca. 200 ml aufzulösen und 3 x täglich ein Glas davon zu trinken. Haben sich erste Anzeichen einer Infektion wie Kopf- und Halsschmerzen, Husten oder eine laufende Nase eingeschlichen? Dann kann man Oxymel auch mehrmals täglich in lauwarmem Wasser trinken oder alle zwei Stunden einen Esslöffel einnehmen. Die Vier – Thymian, Spitzwegerich, Schlüsselblume und Salbei – helfen in der Not dank ihrer antiviralen und entzündungshemmenden Eigenschaften. Thymian wirkt vor allem durch den Pflanzenstoff Thymol bei Entzündungen der oberen Atemwege. Außerdem löst er den Schleim, erleichtert das Abhusten und lindert den Reizhusten. In Kombination mit der Schlüsselblume kommt die fiebersenkende Wirkung hinzu. Außerdem enthält die Blüte Saponine. Diese seifigen, schäumenden Stoffe sind für den Menschen giftig, wie sie zum Beispiel in der Rosskastanie vorkommen. In der Schlüsselblume sind sie jedoch in einem so ausgewogenen Verhältnis enthalten, dass sie für uns eine hervorragende Scheinlösung darstellen. Denn Saponine haben die Eigenschaft, die Oberflächenspannung von Wasser zu brechen, und das können sie auch mit zähem Schleim. Bei einer Grippe ist nicht selten auch die Psyche angeschlagen. Thymian steht uns auch hier zur Seite, er beruhigt uns und senkt Fieber. Spitzwegerich-Essenzen zeigen im Labor eine wachstumshemmende Wirkung gegenüber zahlreichen Keimen. Die Hauptrolle spielen auch hier die Saponine und das hochwirksame natürliche Antibiotikum Aucubin. Spitzwegerich lindert nicht nur die Entzündungssymptome, sondern wirkt auch krampfartigen Hustenanfällen entgegen. Salbei darf in einem Grippe-Oxymel natürlich nicht fehlen, er hemmt nachweislich das Wachstum vieler Bakterien. Außerdem erschwert er den Herpes-simplex-Viren das Eindringen in den Körper. Ebenso lindert er die Schmerzen bei der oft begleitenden Mandel- und Kehlkopfentzündung. Ingwer und Anis setzen dem Ganzen die Krone auf. Ingwer, weil er uns richtig ins Schwitzen bringt. Dank ihm kommt auch dieDurchblutung in Schwung, wodurch Krankheitserreger schneller aus dem Körper gespült werden. Außerdem macht uns Ingwer wacher. Da unsere Verdauung während einer Grippe nicht auf Hochtouren läuft, kurbeln wir sie mit den ätherischen Ölen des Anis an. Er hat einen positiven Einfluss auf unsere Leberfunktion. Eine fitte Leber hilft uns, gut zu entgiften, um schnell wieder auf die Beine zu kommen.

Oxymel Variation

Bei einer viralen Erkältung mit Fieber: Holunderblüte, Hagebutte und Erlenknospen.

Die Möglichkeiten, ein Oxymel anzusetzten, sind unwahrscheinlich vielfältig, es schmeckt noch dazu sehr gut und ich arbeite auch in meiner Küche damit. Das Salatdressing wird dadurch einfach feiner und hochwertiger und ein Schuss Säure in die Suppe gibt den richtigen Pfiff.

 

Andrea Illguth

 

6/2025