Nichts für sich, alles für die Seinen
Paul Josef Nardini, »Vater« der Mallersdorfer Schwestern

Dr. Paul Josef Nardini, Pfarrer und Dekan, Gründer der Armen Franziskanerinnen.

Das Kloster Mallersdorf

Im Mutterhaus gibt es viel Arbeit, so in der Schusterwerkstatt.
Thekla war ihr Schwesternname. Vor Müdigkeit war sie abends, als sie in der Kapelle noch betend den Tag beendete, eingenickt. Die Beschließerin vergaß nachzuschauen. Schwester Thekla würde die Nacht in dem kleinen Gotteshaus verbringen müssen. Jäh erwachte sie – und erschrak. Geräusche an der Tür, der Schlüssel drehte sich im Schloss. Schwester Thekla konnte kaum sehen, wer da so spät noch in die Kapelle trat. Gottlob – kein Einbrecher, wie sie anfangs kurz vermutet hatte. Es war Nardini. Paul Josef Nardini, der Geistliche Herr, der ihre Gemeinschaft gegründet hatte – sechs Jahre war’s her, im Jahre 1855 – erschien, einem Gespenst gleich, im Chorrock über der schwarzen Soutane, die Stola angelegt. So trat er aus der Sakristei, schritt dem Altar zu, entzündete die Kerzen, öffnete den Tabernakel, kniete vor dem sichtbar gemachten Allerheiligsten nieder, breitete die Arme aus und betete. Schwester Thekla hörte ihn sagen: »Mein Heiland, nimm mein Leben, nur schone meine kleine Herde!« Diese Worte wiederholte Nardini oft. Nur zu gern hätte Schwester Thekla gewusst, was Nardini damit gemeint hatte. Er, der – das wusste sie nur zu gut – nichts für sich, alles für die Seinen tat, bat Gott, ihn zu sich zu nehmen? Jetzt schon, im Alter von vierzig Jahren? Erst am nächsten Tag wagte Schwester Thekla es, Nardini nach dem Sinn seines flehentlichen nächtlichen Gebets zu fragen. Nardini, der sich entdeckt sah, nahm der Nonne das Versprechen ab, darüber mit keinem Menschen zu reden, bis er heimgegangen sei zu Jesus Christus.
Seinen frühen Tod am 27. Januar 1862 ahnte der fromme und rechtschaffene Priester schon bevor ihn eine schwere Lungenentzündung niederwarf. Wenige Tage zuvor noch ordnete er an, die Schwestern – »Arme Franziskanerinnen von der heiligen Familie«, wie sie sich nannten – sollten ein Requiem chorisch einstudieren. Er würde wohl nicht mehr aufkommen, hatte er einigen Fragenden gesagt, die seit einem knappen Jahr den allmählichen körperlichen Verfall des stark angegriffenen, hageren Mannes mit großer Sorge beobachteten. »Der sonst so helle Blick«, schreibt ein Augenzeuge, »erscheint trüb und glanzlos, die Wangen sind eingefallen, die Mundwinkel verzogen, schlaff und weit umschließt die Gewandung Brust und Schultern, nur mühsam scheint sich die Gestalt aufrecht zu halten.« Es bleibt ungeklärt, woher sich Nardini den bei ihm diagnostizierten Typhus geholt hat, vielleicht am Krankenbett eines Patienten, dem er die Sterbesakramente gespendet hatte. Er selbst empfing sie am Morgen des 24. Januar aus der Hand des seit kurzem bei ihm im Pfarrhof wohnenden Beichtvaters der Schwestern, Michael Wittmann (Großneffe des gleichnamigen ehemaligen Regensburger Weihbischofs), der über Nardinis letzte Stunden ein paar Aufzeichnungen machte. Darin ist von »inniger Andacht«, »heiterer Ruhe und Fassung«, »stillem Frieden« die Rede, der »auf seinem freundlichen Angesicht« ruhte, »in welchem sich ebenso während seiner Krankheit wie in seinem Leben ein ungetrübter Seelenfrieden mit einem seelenvollen Blick von Geist und Leben, voll Milde und Sanftmut ausprägte.« Wittmann hielt Krankenwache bei Nardini und überliefert eine »selige Verklärung«, in die der Sterbenskranke immer wieder geriet und die Trostworte, mit denen er sich von dieser Welt verabschiedete: »Es segne Euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, – mit all seinem guten Willen, und dieser Segen soll immer bleiben.«
Ein »tatenreiches, frommes, gottergebenes Leben«, so Michael Wittmann, sei beschlossen worden »mit einem ungemein rührenden, höchst erbaulichen Tod«. 32 Priester gaben dem Leichnam das Geleit. Im Alten Kloster von Pirmasens, wo Paul Josef Nardini zuletzt lebte, starb er auch. In der Klosterkapelle setzte man ihn vor dem Hochaltar bei. Was er zurückließ, war ein noch junges Werk, das er begründet hatte: die Ordensgemeinschaft, die heute unter dem Namen »Mallersdorfer Schwestern« bekannt ist, nach dem Ort in Niederbayern, wo 1869 die Schwesterngemeinschaft von Pirmasens einen Teil der 1803 säkularisierten Benediktinerabtei Mallersdorf erworben hatte, benannt. Noch heute ist hier das Mutterhaus, das sich zu einer »zentralen Ausbildungsstätte und zugleich zur einigenden Mitte der ganzen Schwesterngemeinschaft« (M. Radegund Bauer) entwickelt hat: Sitz der Ordensleitung, Novizenstätte und »Zelle« für den Ordensnachwuchs, eine vierstufige Mädchenrealschule (»Nardini-Realschule«) mit Internat, eine Sozialpädagogische Fachakademie für Erzieherinnen und ein Exerzitienhaus zur religiösen Weiterbildung der Schwestern, die hier auch ein eigenes Krankenhaus und ein Altenheim vorfinden, wo es verschiedene Betriebe gibt – von der Bäckerei über die Brauerei bis hin zu Schlachthaus und Teegarten, nicht zuletzt eine Landwirtschaft, die nach modernsten agrarischen Erkenntnissen geführt wird. Ein Riesenunternehmen. Kaum wegzudenken aus Bayern. So wie die Schwestern in ihrem schwarzen Habit mit dem weißen Kopf- und Kragenstück zum Bild so mancher bayerischen Stadt gehören.
Mit drei jungen Schwestern fing alles an. Das war vor 150 Jahren. Der damals 30-jährige, im rheinischen Germersheim geborene, in Speyer und München zum Theologen ausgebildete, 1946 (mit also erst 25 Jahren) zum »Dr. theol.« promovierte und im selben Jahr zum Priester geweihte Pfarrer im rheinpfälzischen Pirmasens Paul Josef Nardini litt unter der enormen sozialen Not und Bedrängnis seiner Diaspora-Gemeinde. Sie umfasste nicht weniger als 23 Ortschaften und Gehöfte. Im elsässischen Niederbronn, wo 1849 eine Schwesternkongregation ins Leben gerufen worden war, fand er helfende Hände, die sich den Armen, Kranken und verwahrlosten Kindern entgegen streckten. Niederbronner Schwestern nach Pirmasens zu kriegen, war schwer. Die protestantische Stadtverwaltung stemmte sich dagegen. Anlässlich einer Volksmission mit Jesuiten, die Nardini abhielt, schlug er die Gründung eines Vinzentiusvereins vor, um die Mittel für eine Schwesternstation sicher zu stellen. Und die eben bestand aus drei jungen Frauen. Altenpflege und Kinderbetreuung schwächten sie im harten Winter von 1853, der den Hungertyphus in die Stadt brachte, der auch die Helferinnen nicht verschonte. Die Niederbronner Oberin zog sie Nardini zum Teil ab. Er stand erneut vor einem Bruchwerk.
Beim Speyrer Bischof Nikolaus war ebenso wenig wie bei der Generaloberin von Niederbronn eine auch nur irgendwie geartete Unterstützung zu erwarten. Nardini vernahm eine innere Stimme, die ihm – erstmals am Weihnachtsabend 1854 vor der Krippe, dann auf dem Rückweg von Niederbronn, in einen Schneesturm geraten – die Gründung eines eigenen Mutterhauses in Pirmasens einflüsterte. Diesem unerklärlichen Drange gab der Geistliche, in Disziplin und Strebsamkeit geschult, nach. Zwei junge Damen – Barbara Schwarz und Juliane Michel – nahm er ins Schwesternhaus auf, gegen die Satzung der Niederbronner Kongregation. Doch Nardini tat, was ihm geboten schien: Er kleidete die beiden Drittordensfrauen ein und gab ihnen klösterliche Namen. Am 2. März 1855 war das. Dieses Datum gilt offiziell als das Gründungsdatum der neuen Schwesterngemeinschaft, wenn auch erst zwei Jahre später der bischöfliche »Segen« – Genehmigung der Statuten und Ordensregeln – folgte. Wieder dauerte es zwei Jahre, bis Nardini einen Kaplan, nach weiteren zwei Jahren einen zusätzlichen Mitarbeiter für die Betreuung der Ordensdamen zugesprochen erhielt. Da schreiben wir schon das Jahr 1860 – der im Volleinsatz seiner körperlichen und seelischen Kräfte gestandene Dr. Paul Josef Nardini war bereits physisch und psychisch am Ende.
Nicht aber religiös und als Seelsorger. Noch am Sterbetag schickte er seinen Mitstreiter Michael Wittmann, frühmorgens die Kinderkatechese abzuhalten. In innigster Verbindung mit dem im Jenseits-Gewiss ihn erwartenden Erlöser rief er – nach Wittmanns Bezeugung – »wohl zehnmal«, die Arme ausgespannt: »Von der Hölle, von der Hölle befreie meine Seele. Siehe dein niedrigstes, kleinstes Geschöpf. Du magst mich hart mitnehmen, du magst mich hart mitnehmen, dieses dein Geschöpf ...« Er flehte zu Maria, der Mutter der Gnade und Güte, sie möge ihn vor dem Feind beschützen und in der Todesstunde aufnehmen.
Der Speyrer Bischof Anton Schlembach setzte sich bei der »Nardini-Tagung« anlässlich des 140. Todestages am 26. Januar 2002 im Bildungshaus Maria Rosenberg nachdrücklich für die Seligsprechung Paul Josef Nardinis ein. »Nur zehn Jahre blieben Nardini Zeit, ein Werk ins Leben zu rufen, das heute noch ... besteht, ja, mit seinen Zweigen weit über Pirmasens und die Pfalz, über Bayern und Deutschland hinaus gewachsen ist und bis nach Rumänien und Afrika hineinreicht. Nardini hatte rasch die Ursachen der geistigen und wirtschaftlichen Not seiner Pfarrkinder erkannt und nach Mitteln und Wegen gesucht, diese Not an der Wurzel zu bekämpfen. Er fragte nicht nach den Schuldigen, rief nicht nach dem Staat – es gab noch keine soziale Gesetzgebung – sondern packte selber an als ein Mann der Tat. Dabei kannte er keine Schonung seiner Kräfte. Wen wundert es, dass er mit vierzig Jahren verbraucht war?«
Diese eindringlichen Worte sprach die »Mallersdorfer Schwester« M. Radegund Bauer auf der Studientagung in Pirmasens vor rund einhundert Teilnehmenden aus. Radegund Bauer ist auch eine Reihe von Schriften zu Leben und Werk Nardinis, eines großen Sozialpriesters von noch unentdeckter Bedeutung für die Gegenwart, zu danken. »Caritas Christi urget nos« – der Wahlspruch der »Mallersdorfer« Kongregation (»Die Liebe Christi drängt uns«) geht auf ihren viel zu wenig bekannten Gründer zurück, der einst seinen Schwestern auftrug, »aus der Kraft eines in Liebe tätigen und in Liebe sich hinopfernden Glaubens« heraus den Armen Jesu Frohbotschaft zu verkündigen. Nichts für sich, alles für die Ihren sollten sie tun. Ein Auftrag, der die Bergpredigt in die Tat umsetzt.
HG
Seit mehr als einhundert Jahren gehören die »Mallersdorfer Schwestern« zum Stadtbild von Traunstein (wie mehrerer bayerischer Städte). Es gibt sie hier seit dem 7. November 1894 bzw. dann wieder seit dem 12. Mai 1903. Acht Schwestern arbeiten im Kindergarten, in der Kindertagesstätte und im Kinderheim an der Salinenstraße 2. – In Eisenärzt steht ein Schwesternerholungsheim. Wohn- und Altenheim war es bis vor kurzem noch, jetzt, nachdem sich wegen Sanierungsschwierigkeiten das Altenheim erübrigte, steht das Haus den »Mallersdorfer Schwestern« zur Erholung und für Urlaube zur Verfügung.
Literatur:
»Dr. Paul Josef Nardini (1821-1862). Sei Leben und Werk damals und heute«, Kehl/Rh. 1990 (Sadifa Media Verlag)
»Novene zu Dr. Paul Josef Nardini. Gründer der Mallersdorfer Schwestern«, hrsg. v. Sr. M. Radegund Bauer, Mallersdorf, Kongregation der Armen Franziskanerinnen 1989 (Don Bosco Verlag)
»Paul Josef Nardini«, Brief 4/2002 (März), hrsgl. v. Kloster Mallersdorf und dem Bischöfl. Ordinariat Speyer (Bistumsarchiv) – Hier weiteres Schrifttum zu Nardini
41/2002
Seinen frühen Tod am 27. Januar 1862 ahnte der fromme und rechtschaffene Priester schon bevor ihn eine schwere Lungenentzündung niederwarf. Wenige Tage zuvor noch ordnete er an, die Schwestern – »Arme Franziskanerinnen von der heiligen Familie«, wie sie sich nannten – sollten ein Requiem chorisch einstudieren. Er würde wohl nicht mehr aufkommen, hatte er einigen Fragenden gesagt, die seit einem knappen Jahr den allmählichen körperlichen Verfall des stark angegriffenen, hageren Mannes mit großer Sorge beobachteten. »Der sonst so helle Blick«, schreibt ein Augenzeuge, »erscheint trüb und glanzlos, die Wangen sind eingefallen, die Mundwinkel verzogen, schlaff und weit umschließt die Gewandung Brust und Schultern, nur mühsam scheint sich die Gestalt aufrecht zu halten.« Es bleibt ungeklärt, woher sich Nardini den bei ihm diagnostizierten Typhus geholt hat, vielleicht am Krankenbett eines Patienten, dem er die Sterbesakramente gespendet hatte. Er selbst empfing sie am Morgen des 24. Januar aus der Hand des seit kurzem bei ihm im Pfarrhof wohnenden Beichtvaters der Schwestern, Michael Wittmann (Großneffe des gleichnamigen ehemaligen Regensburger Weihbischofs), der über Nardinis letzte Stunden ein paar Aufzeichnungen machte. Darin ist von »inniger Andacht«, »heiterer Ruhe und Fassung«, »stillem Frieden« die Rede, der »auf seinem freundlichen Angesicht« ruhte, »in welchem sich ebenso während seiner Krankheit wie in seinem Leben ein ungetrübter Seelenfrieden mit einem seelenvollen Blick von Geist und Leben, voll Milde und Sanftmut ausprägte.« Wittmann hielt Krankenwache bei Nardini und überliefert eine »selige Verklärung«, in die der Sterbenskranke immer wieder geriet und die Trostworte, mit denen er sich von dieser Welt verabschiedete: »Es segne Euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, – mit all seinem guten Willen, und dieser Segen soll immer bleiben.«
Ein »tatenreiches, frommes, gottergebenes Leben«, so Michael Wittmann, sei beschlossen worden »mit einem ungemein rührenden, höchst erbaulichen Tod«. 32 Priester gaben dem Leichnam das Geleit. Im Alten Kloster von Pirmasens, wo Paul Josef Nardini zuletzt lebte, starb er auch. In der Klosterkapelle setzte man ihn vor dem Hochaltar bei. Was er zurückließ, war ein noch junges Werk, das er begründet hatte: die Ordensgemeinschaft, die heute unter dem Namen »Mallersdorfer Schwestern« bekannt ist, nach dem Ort in Niederbayern, wo 1869 die Schwesterngemeinschaft von Pirmasens einen Teil der 1803 säkularisierten Benediktinerabtei Mallersdorf erworben hatte, benannt. Noch heute ist hier das Mutterhaus, das sich zu einer »zentralen Ausbildungsstätte und zugleich zur einigenden Mitte der ganzen Schwesterngemeinschaft« (M. Radegund Bauer) entwickelt hat: Sitz der Ordensleitung, Novizenstätte und »Zelle« für den Ordensnachwuchs, eine vierstufige Mädchenrealschule (»Nardini-Realschule«) mit Internat, eine Sozialpädagogische Fachakademie für Erzieherinnen und ein Exerzitienhaus zur religiösen Weiterbildung der Schwestern, die hier auch ein eigenes Krankenhaus und ein Altenheim vorfinden, wo es verschiedene Betriebe gibt – von der Bäckerei über die Brauerei bis hin zu Schlachthaus und Teegarten, nicht zuletzt eine Landwirtschaft, die nach modernsten agrarischen Erkenntnissen geführt wird. Ein Riesenunternehmen. Kaum wegzudenken aus Bayern. So wie die Schwestern in ihrem schwarzen Habit mit dem weißen Kopf- und Kragenstück zum Bild so mancher bayerischen Stadt gehören.
Mit drei jungen Schwestern fing alles an. Das war vor 150 Jahren. Der damals 30-jährige, im rheinischen Germersheim geborene, in Speyer und München zum Theologen ausgebildete, 1946 (mit also erst 25 Jahren) zum »Dr. theol.« promovierte und im selben Jahr zum Priester geweihte Pfarrer im rheinpfälzischen Pirmasens Paul Josef Nardini litt unter der enormen sozialen Not und Bedrängnis seiner Diaspora-Gemeinde. Sie umfasste nicht weniger als 23 Ortschaften und Gehöfte. Im elsässischen Niederbronn, wo 1849 eine Schwesternkongregation ins Leben gerufen worden war, fand er helfende Hände, die sich den Armen, Kranken und verwahrlosten Kindern entgegen streckten. Niederbronner Schwestern nach Pirmasens zu kriegen, war schwer. Die protestantische Stadtverwaltung stemmte sich dagegen. Anlässlich einer Volksmission mit Jesuiten, die Nardini abhielt, schlug er die Gründung eines Vinzentiusvereins vor, um die Mittel für eine Schwesternstation sicher zu stellen. Und die eben bestand aus drei jungen Frauen. Altenpflege und Kinderbetreuung schwächten sie im harten Winter von 1853, der den Hungertyphus in die Stadt brachte, der auch die Helferinnen nicht verschonte. Die Niederbronner Oberin zog sie Nardini zum Teil ab. Er stand erneut vor einem Bruchwerk.
Beim Speyrer Bischof Nikolaus war ebenso wenig wie bei der Generaloberin von Niederbronn eine auch nur irgendwie geartete Unterstützung zu erwarten. Nardini vernahm eine innere Stimme, die ihm – erstmals am Weihnachtsabend 1854 vor der Krippe, dann auf dem Rückweg von Niederbronn, in einen Schneesturm geraten – die Gründung eines eigenen Mutterhauses in Pirmasens einflüsterte. Diesem unerklärlichen Drange gab der Geistliche, in Disziplin und Strebsamkeit geschult, nach. Zwei junge Damen – Barbara Schwarz und Juliane Michel – nahm er ins Schwesternhaus auf, gegen die Satzung der Niederbronner Kongregation. Doch Nardini tat, was ihm geboten schien: Er kleidete die beiden Drittordensfrauen ein und gab ihnen klösterliche Namen. Am 2. März 1855 war das. Dieses Datum gilt offiziell als das Gründungsdatum der neuen Schwesterngemeinschaft, wenn auch erst zwei Jahre später der bischöfliche »Segen« – Genehmigung der Statuten und Ordensregeln – folgte. Wieder dauerte es zwei Jahre, bis Nardini einen Kaplan, nach weiteren zwei Jahren einen zusätzlichen Mitarbeiter für die Betreuung der Ordensdamen zugesprochen erhielt. Da schreiben wir schon das Jahr 1860 – der im Volleinsatz seiner körperlichen und seelischen Kräfte gestandene Dr. Paul Josef Nardini war bereits physisch und psychisch am Ende.
Nicht aber religiös und als Seelsorger. Noch am Sterbetag schickte er seinen Mitstreiter Michael Wittmann, frühmorgens die Kinderkatechese abzuhalten. In innigster Verbindung mit dem im Jenseits-Gewiss ihn erwartenden Erlöser rief er – nach Wittmanns Bezeugung – »wohl zehnmal«, die Arme ausgespannt: »Von der Hölle, von der Hölle befreie meine Seele. Siehe dein niedrigstes, kleinstes Geschöpf. Du magst mich hart mitnehmen, du magst mich hart mitnehmen, dieses dein Geschöpf ...« Er flehte zu Maria, der Mutter der Gnade und Güte, sie möge ihn vor dem Feind beschützen und in der Todesstunde aufnehmen.
Der Speyrer Bischof Anton Schlembach setzte sich bei der »Nardini-Tagung« anlässlich des 140. Todestages am 26. Januar 2002 im Bildungshaus Maria Rosenberg nachdrücklich für die Seligsprechung Paul Josef Nardinis ein. »Nur zehn Jahre blieben Nardini Zeit, ein Werk ins Leben zu rufen, das heute noch ... besteht, ja, mit seinen Zweigen weit über Pirmasens und die Pfalz, über Bayern und Deutschland hinaus gewachsen ist und bis nach Rumänien und Afrika hineinreicht. Nardini hatte rasch die Ursachen der geistigen und wirtschaftlichen Not seiner Pfarrkinder erkannt und nach Mitteln und Wegen gesucht, diese Not an der Wurzel zu bekämpfen. Er fragte nicht nach den Schuldigen, rief nicht nach dem Staat – es gab noch keine soziale Gesetzgebung – sondern packte selber an als ein Mann der Tat. Dabei kannte er keine Schonung seiner Kräfte. Wen wundert es, dass er mit vierzig Jahren verbraucht war?«
Diese eindringlichen Worte sprach die »Mallersdorfer Schwester« M. Radegund Bauer auf der Studientagung in Pirmasens vor rund einhundert Teilnehmenden aus. Radegund Bauer ist auch eine Reihe von Schriften zu Leben und Werk Nardinis, eines großen Sozialpriesters von noch unentdeckter Bedeutung für die Gegenwart, zu danken. »Caritas Christi urget nos« – der Wahlspruch der »Mallersdorfer« Kongregation (»Die Liebe Christi drängt uns«) geht auf ihren viel zu wenig bekannten Gründer zurück, der einst seinen Schwestern auftrug, »aus der Kraft eines in Liebe tätigen und in Liebe sich hinopfernden Glaubens« heraus den Armen Jesu Frohbotschaft zu verkündigen. Nichts für sich, alles für die Ihren sollten sie tun. Ein Auftrag, der die Bergpredigt in die Tat umsetzt.
HG
Seit mehr als einhundert Jahren gehören die »Mallersdorfer Schwestern« zum Stadtbild von Traunstein (wie mehrerer bayerischer Städte). Es gibt sie hier seit dem 7. November 1894 bzw. dann wieder seit dem 12. Mai 1903. Acht Schwestern arbeiten im Kindergarten, in der Kindertagesstätte und im Kinderheim an der Salinenstraße 2. – In Eisenärzt steht ein Schwesternerholungsheim. Wohn- und Altenheim war es bis vor kurzem noch, jetzt, nachdem sich wegen Sanierungsschwierigkeiten das Altenheim erübrigte, steht das Haus den »Mallersdorfer Schwestern« zur Erholung und für Urlaube zur Verfügung.
Literatur:
»Dr. Paul Josef Nardini (1821-1862). Sei Leben und Werk damals und heute«, Kehl/Rh. 1990 (Sadifa Media Verlag)
»Novene zu Dr. Paul Josef Nardini. Gründer der Mallersdorfer Schwestern«, hrsg. v. Sr. M. Radegund Bauer, Mallersdorf, Kongregation der Armen Franziskanerinnen 1989 (Don Bosco Verlag)
»Paul Josef Nardini«, Brief 4/2002 (März), hrsgl. v. Kloster Mallersdorf und dem Bischöfl. Ordinariat Speyer (Bistumsarchiv) – Hier weiteres Schrifttum zu Nardini
41/2002