Jahrgang 2002 Nummer 16

Moor und Mensch

Prähistorische Funde in oberbayerischen Mooren, Teil I

Bohlenweg in der Rottauer Filzen. Blick nach Südosten auf den Hochfelln und Hochgern

Bohlenweg in der Rottauer Filzen. Blick nach Südosten auf den Hochfelln und Hochgern
Beim Torfstechen im Ainringer Moos bei Freilassing fanden sich Mitte der Fünfziger Jahre wiederholt Funde, darunter Schmucknadeln, aus einer Zeit, in der hier Kelten das Land besiedelt hatten. Dr. Stefan Wingart, damals Gebietsreferent Oberbayern der Abteilung Bodendenkmalspflege des Bayer. Landesamtes für Denkmalpflege führt dazu in einem Beitrag für das Heimatbuch der Gemeinde Ainring (1990) im Wesentlichen folgendes aus: »Das Versenken von Nadeln in Mooren repräsentiert alteuropäisches Kulturverhalten, das über ein Jahrtausend den Umgang des Menschen mit seinen für uns namenlosen Göttern bezeugt. Vermutlich war dieses Brauchtum an eine Fruchtbarkeitsgottheit gebunden, der die Nadeln als Symbole des Bannens und Festmachens überantwortet wurden«.

Neben solchen urnenfelderzeitlichen Schmucknadeln wurden noch Griffdornmesser und eine Pfeilspitze mit Widerhaken gefunden. Vermutlich handelt es sich auch hier um Opfer- und Weihefunde aus dem 9. Jahrhundert vor Chr., die auf den baumfreien Flächen des Hochmoores niedergelegt wurden. Neben Flüssen und Seen waren bekanntlich Moore naturheilige Plätze, von den Kelten verehrt, und mit Weihe- oder Opfergaben bedacht. Alle diese Funde sind im Zusammenhang mit Siedlungen zu sehen, die zum Beispiel im Gebiet von Ainring durch Brandgräber vom Kreuzfeld nachgewiesen sind. Derart gesicherte Siedlungsreste fanden sich südlich des Chiemsees mit seinen weitläufigen Hochmooren allerdings nicht. Einige kleine Einzelfunde im Gebiet der heutigen Gemeinde Bernau lassen jedoch auf einen urnenfelderzeitlichen Siedlungsplatz auf dem Hitzelsberg, einem Hügel nahe der Ortsmitte, schließen. Östlich von Bernau, zur Rottauer Filzen hin, gibt es dafür einen in dieser Zeit entstandenen Bohlenweg, der fast zwei Kilometer lang im Moor verläuft. Möglicherweise zog es einst die keltischen Siedler von der Anhöhe über dem See zu einem Kultplatz mitten im Moor. Der Nachweis, dass es sich um einen Bohlenweg aus keltischer Zeit und nicht, wie früher angenommen um eine Römerstraße handelt, ist dem Moorkundler Dr. Hans Schmeidl aus Bernau zu verdanken. Auf Torffeldern der Südchemie östlich der heutigen Eichetstraße zwischen Rottau und Bernau waren wiederholt Bodenuntersuchungen vorgenommen worden, um den Verlauf des Bohlenweges festzustellen. Im März 1967 wurde schließlich unter Leitung von Professor Georg Kossack, dem damaligen Chef des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Universität München, eine große umfangreiche Grabung unternommen. Unter Einsatz eines Baggers und einiger Gefangener der Strafanstalt Bernau gelang es Dr. Schmeidl, in drei Tagen ca. 50 Meter des Weges freizulegen. Das erlaubte nun, den Untergrund und den Aufbau des Weges eingehend zu untersuchen. In einem wissenschaftlichen Beitrag von Hans Schmeidl und Georg Kossack im Jahresbericht der Bayer. Boden- und Denkmalpflege (1967/68) wird die vorgeschichtliche Tiefbaumaßnahme wie folgt beschrieben:

»Die Konstruktion des Weges war schlicht und für starke Beanspruchung unzulänglich. Als Unterbau legte man auf den nur sehr wenig zertretenen Hochmoortorf zwei gestückelte Rundholzzüge mit übergreifenden Enden in einem Abstand von durchschnittlich 1,75 Metern. Auf 50 laufende Meter waren es sieben Stangenpaare ungleicher Länge aus Birke, Tanne, Fichte und Kiefer. Da man die dünnen Stangen (5 bis 7 Zentimeter Durchmesser) im Gegensatz zu anderen Bohlenwegen hier nicht durch Pflöcke sicherte, könnten ihre unbelasteten Enden bei fortschreitendem Verlegen der Lauffläche durch das Gewicht der Bohlen und der Bauleute seitlich etwas ausgewichen sein. Ist das richtig, wäre der betreffende Bauabschnitt von West nach Ost geführt worden. Das lässt sich freilich nicht beweisen, ohne die statischen Verhältnisse auf Moorgrund geprüft zu haben.

Die Lauffläche besteht aus quer zur Wegrichtung dicht an dicht verlegten Hölzern, auf 5 Meter durchschnittlich 26 Stück, unterschiedlich lang, abweichend in der Form und aus verschiedenen Holzarten, die in wechselnden Anteilen vertreten sind. Unter 138 forstbotanisch bestimmten Hölzern herrscht die Erle mit 108 Stücken absolut vor, dann folgen Fichte und Tanne mit 13; Buche kommt dreimal vor, Kiefer nur einmal. Abgesehen von der Erle, die wohl an den Hochmoorrändern im Niedermoor geschlagen wurde, gehören Fichte, Tanne und Buche zum Bergmischwald der südlichen Moränenkuppen oder des nahen Westerbuchbergs. Diese Stämme sind also über größere Entfernungen zum Wegebau ins Moor gebracht worden, wo sie dann entweder als Rundholz (Durchmesser 10 bis 22 Zentimeter) oder als gespaltene Bohlen (Breite 14 bis 29 Zentimeter) verlegt wurden.

Die Länge der Stämme schwankt zwischen 2 m und 3,3 m. Mehr als die Hälfte hatte aber nur Werte von 230 bis 250 cm. Da die gespaltenen Bohlen bald mit der Rund- bald mit der Flachseite abgelegt wurden, und die Rundhölzer unterschiedlicher Stärke waren, ist die Lauffläche sehr ungleich. An der Unterseite der Laufhölzer sind häufig Kerben, in denen die Unterzüge liefen. Die Kerben und Enden wurden durch Beile bearbeitet, die Bohlen gespalten. Die gute Erhaltung der Hölzer erlaubte es, einiges über die Werkzeuge und Arbeitsweise auszusagen. Bei den Werkzeugen wechselten die Schneidbreiten der geschäfteten Beile zwischen 4,1 bis 6,2 cm. Auch die Qualität der Arbeit konnte beurteilt werden. Die Stangen wurden nur entastet, die Stämme nicht immer entrindet. Wenn auch Rinde und Späne unter dem Bohlenweg, zum Teil in ganzen Nestern vorhanden waren, so wurden vermutlich die Hölzer, wo sie gefällt, auch zugeschlagen und entrindet. Eine Berechnung ergab, dass für die Errichtung der uns bekannten Wegstrecke zwischen Bahn und Neumühler Bach etwa 625 Raummeter Holz notwendig waren.

Zwischen und unter den Bohlen steckten eine große Anzahl von Haselnussschalen. Sollten sie aus frischer Ernte stammen, hat man den Weg im Frühherbst gebaut.

Trotz eingehender Untersuchungen ließen sich keine Wagenspuren ausmachen, was darauf schließen lässt, dass er wahrscheinlich nur begangen und nicht befahren wurde. Auf einen schweren Unterbau hatte man verzichtet und die Stämme ziemlich unbekümmert verlegt«.

So führte der Weg in vorgeschichtlicher Zeit schnurgerade über nahezu 2 Kilometer mitten ins Moor zu einem Ziel, das für uns nicht mehr erkennbar geworden ist.

CDH

Teil 2 in den Chiemgau-Blättern Nr. 17/2002



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