Ludwig, ein königlicher Liebhaber
Mit Liebesgedichten und Geschenken umwarb er seine Auserwählten





Dass König Ludwig I. ein Liebhaber schöner Frauen gewesen ist, zeigt seine Schönheitengalerie im Schloss Nymphenburg. Die vom Hofmaler Joseph Stieler porträtierten Damen stammen aus allen Gesellschaftsschichten, ihr Liebreiz war das einzige Kriterium für die Auswahl. Unter den Dargestellten befinden sich auch einige seiner Favoritinnen, die er mit seiner kronprinzlichen bzw. königlichen Gunst beglückt hat. »Ludwig I. war ein Troubadour der Liebe, er brach weibliche Blüten, wo er nur konnte«, schreibt ein zeitgenössischer Beobachter. So blumig drückte man sich früher aus, wenn man beschreiben wollte, was wir heute mit der nüchternen Vokabel Sex wiedergeben.
Mit 18 Jahren besuchte Ludwig als Kronprinz zum ersten Mal Italien, das für ihn zum Schicksalsland werden sollte. An die 40 Mal reiste er seitdem für mehrere Monate in sein »irdisches Paradies«, wie er die Stadt Rom zu nennen pflegte. »Ich zählte es zu meinem zweiten Geburtstag, als ich Rom betrat – die Stadt, wo der Himmel sich der Erde öffnet«, schrieb er in sein Tagebuch. »Es ergriff mich wunderbar, es war die Macht der Kunst und die Macht der Liebe – in diesem Augenblick lag mein ganzes Leben.«
In Rom wandelte Ludwig nicht nur auf den Pfaden der antiken Kunst, sondern auch auf den Pfaden der Liebe. Mit Vorliebe verkehrte er in der deutschen Künstlerkolonie und war der Mittelpunkt bei deren feucht-fröhlichen Zusammenkünften. Mädchen und Frauen aus mehr oder weniger vornehmen Kreisen machten es ihm nicht schwer, ihre Gunst zu gewinnen. Dabei war Ludwig kein Adonis, er litt seit Kindertagen an den Folgen der Pocken mit Narben im Gesicht und an den Armen, hörte schlecht und hatte eine »schwere Zunge«. Dessen ungeachtet blieb er bis ins hohe Alter ein temperamentvoller Herzensbrecher, der seine Geliebten auf Händen trug und mit großzügigen Geschenken und selbstverfassten Gedichten umschwärmte. Harsch ging der Dichter Georg Büchner im »Hessischen Landboten« mit dem Treiben des bayerischen Prinzen in Rom ins Gericht und nannte ihn »ein Schwein, das sich in allen Lasterpfützen der Stadt wälzte«.
Ohne immer wieder neue Liebesaffären konnte Ludwig nicht leben, ansonsten ergreife ihn »eine schreckliche Herzensöde«, vertraute er seinem Tagebuch an. Heute würden wir es wohl Depression nennen. Seine Therapie bestand in immer neuen Affären mit schönen Damen. Leo Klenze, sein Hofarchitekt und Vertrauter, staunte über Ludwigs Verschleiß an Gespielinnen – »bald blond – bald braun, bald groß – bald klein, bald sanft – bald feurig«. In einem Gedicht fasste Ludwig seine Lebensphilosophie so zusammen:
Lieben will ich ewig, ewig lieben!
Liebe ist die Seele der Natur
Flammend steht sie überall geschrieben,
Alles zeiget ihre heil'ge Spur.
Deine Feuerstrahlen lass' mich saugen,
Nicht an Zukunft denken, nicht zurück,
In dein Glutenmeer entzückt mich tauchen,
Fühlen, fühlen nur in dir mein Glück.
Eine absolute Sonderstellung unter Ludwigs Herzensdamen nahm die nach Augenzeugenberichten ebenso bezaubernde wie gebildete Marchesa Marianna Florenzi aus Perugia ein. Sie war als Siebzehnjährige mit einem alten Grafen verheiratet worden und lernte im Jahr darauf Ludwig kennen, mit dem sie jahrzehntelang ein leidenschaftliches Liebesdrama verband. Die Korrespondenz der beiden umfasst 2943 Briefe von Ludwig und 1900 Antwortbriefe der Marchesa. Ihr Mann versprach sich von der Liaison möglicherweise Vorteile, jedenfalls sah er darüber hinweg, auch als Marianna ein Söhnchen bekam, dem sie den Namen Ludovico gab und für das Ludwig angeblich wie ein Vater sorgte.
Natürlich blieben die Eskapaden des Königs seiner Ehefrau Königin Therese nicht verborgen. Aber ihre Vorhaltungen und Klagen stießen bei Ludwig auf taube Ohren. Er verbat sich jede Einmischung in seine private Lebensführung und machte, was ihm passte. Dagegen hatte König Max gegen Ludwigs Eskapaden nichts einzuwenden und ließ durchblicken, dass die bürgerliche Moral für einen Regenten keine Rolle spiele. Königin Therese versagte ihrem Gatten ungeachtet seiner notorischen Untreue offensichtlich nicht die eheliche Pflicht und brachte im Laufe der 34 Ehejahre neun Kinder zur Welt.
Ludwig sah sich trotz alledem als treuen Sohn der katholischen Kirche, spürte allerdings doch Gewissensbisse wegen seiner Seitensprünge. Einfallsreich, wie er war, bemühte er sich um eine Befreiung vom sechsten Gebot. Und er fand tatsächlich bei einem gelehrten Jesuiten Verständnis für sein Anliegen. Dieser bestätigte ihm, die eheliche Treue sei bloß eine Sache des Fleisches und deshalb sei im allgemeinen eine Indulgenz (Nachsicht) für schwache Menschen und fürWeltkinder angebracht. Im Klartext hieß das: Ehebruch ist nur eine lässliche Sünde, keine Todsünde und zieht darum auch keine kirchlichen Sanktionen nach sich.
»Ich lieb' in jungen und in alten Jahren« hatte Ludwig als Kronprinz in einem Gedicht formuliert. Und in der Tat stürzte sich noch der 68-jährige König mit seiner ganzen Leidenschaft in eine Liebesbeziehung, die schließlich zu einer Staatskrise wurde und Ludwig zur Abdankung zwang. Die »Affäre Lola Montez« ist eine Geschichte für sich – und birgt in sich eine gewisse Logik. Es spricht für den Ex-König, wenn er sich kurze Zeit später über sich ärgerte und seine Handlungsweise bedauerte: »Welch ein Unglück, dass ich an solch' ein Weibsbild geraten musste... Während sie mir Liebe heuchelte, wollte sie nur Geld von mir und hat mich um zwei kostbare Dinge gebracht – um eine poetische Vision und um meinen Thron.«
Julius Bittmann
48/2021