Jahrgang 2022 Nummer 2

Heiliger Paulus, Einsiedler

Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Paulus (= klein, bescheiden) aus Theben in Oberägypten, flüchtete beider Christenverfolgung unter Kaiser Decius (250) und hielt sich sieben Jahre verborgen; hierauf ging er tief in die Wüste hinein und fand eine passende Höhle in einem Felsen. Da lebte er nun 90 Jahre als Einsiedler, ohne ein menschliches Antlitz gesehen zu haben. Seine Nahrung bestand zwei Jahre lang aus Baumfrüchten allein; dann brachte ihm ein Rabe täglich ein halbes Brot. Niemand wusste etwas von ihm. Durch Gottes Fügung fand ihn der heilige Antonius (17. Januar) auf und der Rabe brachte ein ganzes Brot (siehe Bild!). Der 113- jährige Greis bat nun Antonius, er solle den Mantel des heiligen Athanasius holen, um seinen Leichnam in demselben zu begraben, da er bald sterben würde. Antonius eilte in sein Kloster zurück und sah die Seele des Dieners Gottes, umgeben von Engeln, Propheten und Aposteln, zum Himmel schweben. Er kehrte zurück und fand den Heiligen in knieender Stellung mit erhobenen Händen. Als er sich vom Tode desselben überzeugt hatte, wickelte er ihn in jenen Mantel und bestattete selben unter Gebet in dem Grabe, das zwei herbeigelaufene Löwen mit ihren Tatzen ausgewühlt hatten. Paulus ist das erste Beispiel und Vorbild des Einsiedlerlebens.

Lehre. Das einsame Leben scheint manchen lächerlich und unnütz zu sein. Der heilige Augustin aber sagt: »Keinem, der sich Gott ganz geweiht hat, werden die Freuden genommen, sondern in bessere verwandelt. « Fliehe, o Christ! das Menschengetümmel und halte dich möglichst fern vom Geräusche der Welt: so wirst du dich vor vielen Sünden hüten können, die Sehen, Hören und Reden veranlassen. Gänzlich aber meide den Umgang mit bösen Menschen und jede Gelegenheit zur Sünde.

Gebet. O heiliger Diener Gottes, Paulus! Der du von der Welt ganz unbeachtet und vergessen soviele Jahre Gott in der Einsamkeit gedient und die Freuden des himmlischen Trostes gekostet hast: erflehe uns von Gott die Gnade, dass auch wir das Weltgetümmel gerne fliehen und den Frieden des Herzens bewahren mögen. Amen.

 

Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.

 

2/2022