Heilige Richardis, Kaiserin
Aus dem Buch: »Illustrierte Heiligen-Legende für Schule und Haus«, erschienen im Jahre 1890

Richardis (= reich an Kraft) stammte von edlem Geschlechte im Elsass, hatte ausgezeichnete Geistesanlagen und war sehr fromm. Im Jahre 862 vermählte sie sich mit dem deutschen Kaiser Karl dem Dicken, mit welchem sie in jungfräulicher Ehe lebte. Die vortreffliche Fürstin gründete 880 das Kloster Andlau und schenkte an dasselbe ihre Stammgüter. Sie ließ in Sigolsheim eine Kirche erbauen und machte große Schenkungen an das Kloster Ebersheimmünster. Ihr Gemahl gab zu allem seine Einwilligung. Sie reisten nach Rom und wurden vom Papst Johann VIII. gekrönt. Bis zum Jahre 887 lebten sie in schönster Eintracht. Nun aber glaubte der Kaiser den Verleumdern, welche die Treue seiner Gemahlin verdächtigten. Er war im Geiste immer schwächer und befangener in seinem Urteile geworden und verließ nun die edle Frau, wiewohl sie sich zu allen Proben ihrer Unschuld und Reinheit bereit erklärte. Der Kaiser wurde noch in demselben Jahre wegen seiner Unfähigkeit auf dem Reichstage zu Tribur abgesetzt. Richardis verteilte alles was sie noch hatte, an die Armen und Klöster und zog sich in das Kloster Andlau zurück, wo sie nur mehr dem Heile ihrer Seele lebte und der Demut und dem Gebete sich hingab. Gott berief ihre Seele zu sich den 18. September 893 und verherrlichte ihr Grab durch Wunder. Im Jahre 1049 wurde durch den heiligen Papst Leo IX. ihr heiliger Leib erhoben. Diese Erhebung wurde einer Heiligsprechung gleich erachtet.
Lehre. Die heilige Richardis hatte ihre Freude am Almosengeben. Der heilige Thomas von Billanova rühmt das Almosen: »Das Almosen reinigt, das Almosen befreit, das Almosen erkauft, das Almosen erlangt, das Almosen vervollkommnet, das Almosen rechtfertigt, das Almosen erweckt zum Leben, das Almosen rettet.«
Kirchengebet. O Gott, der du deine heilige Jungfrau Richardis von den Verleumdungen der Menschen befreit und mit der ewigen Herrlichkeit gekrönt hast: wir bitten dich, verleihe uns, dass wir nach ihrem Beispiele und durch ihre Fürbitte so den Nächsten in Wort und Tat lieben, damit wir die Belohnungen der ewigen Liebe erlangen. Amen.
Die Texte unserer »Heiligen-Legende« stammen alle (wie im Titel angegeben) aus dem Jahr 1890 und geben die Ansichten der damaligen Zeit wieder. Oftmals wurden damals Beschuldigungen gegen Juden oder andere Glaubensgruppen erhoben, die nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht haltbar sind. Wir möchten daher klar stellen, dass die Texte unter diesen Gegebenheiten zu sehen sind und weisen darauf hin, dass mit der Veröffentlichung dieser Originaltexte keineswegs volksverhetzende Propaganda unsererseits betrieben werden soll.
38/2021