Jahrgang 2023 Nummer 7

»G'spassige G'schicht'n«

Wer weiß, wer sie warum und wann einmal in sein Leerbüchlein eintrug!

Leider sind nur 24 Notizbuch-Seiten beschrieben. Die meisten blieben leer. (Fotos: Hans Gärtner)
Die Überschriften stehen in lateinischer, die Texte in deutscher deutscher Kurrentschrift.
Die G'schicht' liest sich schon wegen steonographischer Passagen schwer.
Scherzfragen wie diese waren schon immer beliebt. Man lese mal und lache!

Acht mal 13 Zentimeter ist das – wer weiß wie – alte, schwarz gebundene, mit abgerundeten Ecken versehene und im Vorsatz mit farbigem Kammzug-Papier ausgestattete Notizbüchlein groß. Es ist nicht größer als ein Kindergebetbuch. Es passte gut in jede Jackett- oder Handtasche – je nachdem, ob es einer weiblichen oder männlichen Person gehörte. Der Handschrift nach ist auf eine Dame zu tippen. Dem Inhalt nach eher auf einen Herrn. Womöglich haben sich sowohl eine Dame als auch ein Herr darin verewigt – wer weiß? Weder ein Besitzer- noch ein Verfassernoch ein Ortsname sind in dem Büchlein vermerkt. Es fehlt zudem jegliche Datierung.

»G'spassige G'schicht'n« steht, kräftig unterstrichen, exakt in der Mitte auf der ersten Seite. Titel und Inhaltsangabe zugleich. Allein der Punkt nach dem Wort »G'schicht'n« weist, wie es damals noch bei Überschriften üblich war, weit zurück, vielleicht bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Wahl zweier Schriftarten ist nicht weniger verräterisch: Die Überschriften sind lateinisch, die Texte in deutscher Kurrentschrift geschrieben. Mit einer Feder, die bald in eine violette, bald in eine blaue, bald in schwarze Tinte getaucht wurde. Auffällig ist nicht nur, wie winzig klein die Schrift, sondern auch wie korrekt die Notation ist, bis in jedes nur denkbare Auslassungszeichen hinein. Orthographisch und grammatikalisch mag es da und dort hapern. Vieles ist der Flüchtigkeit des Notierens geschuldet. Lesende, die kein bairisches Deutsch beherrschen, tun sich schwer. Beispiel: »Verschnappt«. Der Ausdruck ist heute nicht mehr gebräuchlich. Er steht für »verplappert«.

Verschnappt!

Kimmt Oana bei'n Wrt in Kuchel eini,

Und sagt: »Für mei Katz und 3 Pfenni'«

»Was z'fressn – gel aber nöt lauta Glump,«

»Und nöt gar a so sakrisch weni',« –

»Und a nöt gar so fürchterli' fett«.

»Wia's sel' vo' da voringa Wocha«,

» – da is ma fei hundsmiserabel d'rauf wor'n«,

»I hab' dö ganz' Wichs wieda brocha«.

Vermutlich wurde da Gehörtes – mit etlichen unnötigen und auch falsch verwendeten Satzzeichen – niedergeschrieben oder Gelesenes bei der Niederschrift abgewandelt. Kann sein: mit Blick auf eine Zuhörerschaft, die Freude am »G'spassig'n« hatte, frei vorgetragen oder vorgelesen in froher Familienoder Gasthausrunde.

Die lustigen bis derben Texte, von denen sich manche reimen, sind unterschiedlich lang. Es handelt sich meist um Schnurren vom Lande mit einer Pointe, die Lesende oder Zuhörende zum Schmunzeln oder Lachen bringen, manchmal ohne Punkt und Komma aneinandergereiht. Nur wenige tragen eine eigeneÜberschrift, wie die obige und die folgende:

Oa G'schicht vom Murnauer Blitzzug

Da Pfarra von Weilheim kimmt auf d' Bahn.

G'rad wia der Zug dasteht;

»Schiebn's, schiabn's! Herr Pfarra!«

»Sunst kemmas do' no' z'spät!«

»Sie fahr'n do' a mit auf Murnau aufi?«

»Na, na!«, sagt er – »heunt

pressiert's – heunt lauf'i!«

Aus einer Reihe zusammenhanglos notierter »G'schicht'n« seien ein paar weitere Kostproben, ohne dabei nicht alle Ungereimtheiten zu korrigieren, herausgegriffen. Nachträglich wurde ihnen eine Überschrift gegeben.

A harte Buaß

Beim Pfarrer beichtet ein Mann und ein altes Mutterl stellt sich auch an. Der Pfarrer fragt den Mann, was er ist? Ja, sagt der Mann, das kann ich besser vormachen als sagen, geht aus dem Beichtstuhl heraus und schlägt einen Salto mortale. Als das alte Weiberl in den Beichtstuhl kommt, bittet es: »Herr Pfarrer, bitt schön, gebn S' mir koa so a harte Buaß auf wia meim Vorgänger!«

Auf der Treppe

Mikosch bleibt in einem Landgasthaus über Nacht. Das Zimmermädchen leuchtet ihm über die Treppe hinauf voran. Da passiert Mikosch etwas Menschliches. Das Mädchen dreht sich um und sagt entrüstet: Aber so was ist mir doch noch nie passiert! Mikosch: So, ist das I h n e n passiert, hab ich gemeint, es ist m i r passiert!

Alles für die Katz

In die Apotheke kommt ein Mann und sagt: »Bitte, Herr Apotheker, geb'n S' mir was für mei Katz!« »Nehmen S' Ihnen nur was«, sagt der Apotheker. – »Ja, i woaß ja net, was hilft?« – »O«, sagt der Apotheker, »is gleich was nehman, daherinn is alls für die Katz!«

Wissen und noch nicht wissen

In der Schule fragt der Lehrer, woher die Kinder kommen. Kein Kind hebt den Finger. Endlich der kleine Franzl: »Herr Lehrer, ich weiß es!« »So, also sag's!« »Herr Lehrer, genga ma naus!« Unter der Tür bleibt der Lehrer stehen und wills wissen. Franzl bittet: »Genga ma halt ganz naus!« Draußen fragt er nachher: »Herr Lehrer, Herr Lehrer, Sie und ich wissens und die anderen, die Fratzen, die brauchens no net wissen«.

Unschuld vom Lande

Richter: »Zeugin, ist es wahr, dass der Angeklagte mit Ihnen in unerlaubtem Verkehr gestanden ist?« – Zeugin: »Na, i habs eahm scho erlaubt ghabt!«

Manches Szenarium hat sich tendenziell bis heute nicht oder kaum geändert. Einen Gegenwartsbezug kann man der folgenden, hurtig gereimten »G'schicht« gewiss nicht absprechen:

's vierte Element

»Wia viel hab'n mir Elemente?«

Fragt der Lehrer.

»Sagt's mir g'schwind!«

»Vieri! – wenn's nöt mehra san«,

is glei d' Antwort von an Kind.

»Ja, vieri«, sagt der Lehrer drauf.

»Wia hoaß'n na' dö? – Jetzt red!«

»Erde – Feuer – Luft! – san drei,

dös vierte woaß i nöt!«

»No! Wo dös viele Unglück g'schicht,

allwei – geh, b'sinn di no!«

»Jetzt woaß i's!«,

sagt der Schulbua drauf,

dös is ja d' Eisenboh'!«

Einen aktuellen Bezug kann man dieser Schul-Szene nicht absprechen. Und wer genau liest, findet, dass sich so manches in den alten »G'schicht'n« Angesprochene, freilich in abgewandelter Form, nicht verändert hat. Umso bedauerlicher ist es, dass der in das Büchlein einschreibenden Person nach 24 dicht beschrifteten Seiten die Lust am Notieren oder Erfinden »g'spaßiger G'schicht'n« vergangen zu sein scheint. Der Großteil des Büchleins unbekannter Herkunft und unbekannten Autors ist nämlich leer geblieben.

 

Hans Gärtner

 

7/2023