Gründonnerstag oder »Antlasstag«
Am Gründonnerstag verstummen alle Kirchenglocken und werden durch Ratschen oder Klappern ersetzt
Mit dem Gründonnerstag beginnt das Leiden des Herrn. Der Name dieses Tages, an dem Jesus auf dem Ölberg gefangen genommen wurde, geht wahrscheinlich auf das mittelhochdeutsche Wort »greinen« zurück, was soviel wie »weinen« heißt.
Sicherlich nichts zu tun hat die Bezeichnung Gründonnerstag dagegen mit Grünzeug, das an diesem Tag auf den Speisetisch kommt. Nach altem Volksglauben soll man nämlich an diesem Tag viel Grünes aus dem Garten essen, Salat, Spinat und Kresse, vor allem aber eine Suppe aus neun Kräutern. Im Bayerischen Wald sollen es sogar zwölf Kräuter sein, die die Gesundheit für das ganze Jahr garantieren und das Fieber abhalten.
In vielen Gegenden heißt der Gründonnerstag noch heute »Antlasstag«. Damit wird daran erinnert, dass am Gründonnerstag früher die öffentlichen Büßer aus der Kirchenbuße entlassen und wieder in die Kirche aufgenommen wurden. Im »Antlassei« hat sich der alte Name noch erhalten. Das ist das Ei, das am Gründonnerstag von der Henne gelegt wird. Nach altem Volksglauben ist es besonders wundertätig und verleiht Gesundheit und Lebenskraft. Antlasseier sollen auch nicht faulen. Man bewahrt sie gut auf, damit sie Haus und Hof vor Brand und Blitzschlag schützen.
Mit dem Gründonnerstag verstummen zum Zeichen der Trauer alle Kirchenglocken. Der Volksmund sagt: »Die Glocken fliegen nach Rom.« An ihre Stelle treten bis zur Osternacht die Ratschen oder Klappern. Dabei kann es sich um Hammerratschen, Walzenratschen oder Schubkarrenratschen handeln. In manchen Orten ziehen Buben am Gründonnerstag und Karfreitag mit ihren Ratschen durch die Straßen und rufen so zum Gottesdienst. Dabei wurde früher in der Oberpfalz folgender Spruch aufgesagt:
Wir ratsch'n, wir ratsch'n
den englischen Gruß,
dass jeder katholische Christ
beten muss.
Kniet nieder, kniet nieder
auf euere Knie,
bet's drei Vaterunser
und 's Ave Marie.
Im Spessart ziehen die Ratscheroder Kloppenbuben noch heute durch die Dörfer und sprechen dabei folgenden Vers:
Wir klappern um ein Ei,
wir nehmen auch zwei, drei;
sonst gehen wir in das Hinkelhaus
und holen sie all miteinander raus.
Am Karsamstag werden die Buben dann für ihren Ratschendienst mit Ostereiern oder einem kleinen Obolus belohnt. An diesem Tag endet das Ratschen und Klappern. In der Osternacht verkünden alle Glocken die Auferstehungsfreude.
Beim Letzten Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern am Gründonnerstag feierte, hat er auch an seinen Jüngern nach alter jüdischer Sitte die Fußwaschung vorgenommen. Daran erinnert die Zeremonie, die seit dem II.Vatikanischen Konzil am Gründonnerstag in Bischofs- und Klosterkirchen vollzogen wird. Damit knüpfte man an eine jahrhundertealte Tradition an, die bis ins Mittelalter zurückreicht.
Zur Zeit der Monarchie war es üblich, dass vom herzoglichenHof zwölf arme, über 85 Jahre alte Männer aus dem ganzen Land zur Fußwaschung nach München gerufen wurden, was eine hohe Ehre und Auszeichnung bedeutete. Seit den Tagen von König Ludwig I. war es Brauch, dass der Monarch selbst die Fußwaschung vornahm. Anschließend wurden die »Zwölf Apostel«, wie man die Männer nannte, zu einemMahl in der Residenz eingeladen, wobei der König persönlich bediente. Bis an ihr Lebensende erzählten sie von der großen Ehre, die ihnen zuteil wurde.Mit der Abschaffung der Monarchie im Jahre 1918 endete auch der Brauch der königlichen Fußwaschung.
Albert Bichler
14/2022