Glühender Meteorit sorgte im Chiemgau für Aufsehen
Naturereignis vor knapp 100 Jahren hat so vermutlich gar nicht stattgefunden

Der Bauer Georg Schmid will am 19. April 1925 in Kammer einen glühenden Meteoriten gefunden haben. Das berichtete das Traunsteiner Wochenblatt vor 98 Jahren. Der Haken daran: Die Geschichte dürfte so nicht stimmen. Unser Mitarbeiter begab sich in den letzten Wochen auf die Suche nach dem mysteriösen Himmelskörper, der angeblich im Traunsteiner Heimathaus verwahrt worden sei. Dort war er allerdings nicht aufzufinden. Gespräche mit Geologen und Meteorforschern legen den Schluss nahe, dass die Geschichte so keinesfalls stimmen kann. Es als eine plumpe Falschmeldung, »Fake News«, wie man heute sagt, abzutun, wäre aber zu einfach. Was also ist dran an dem glühenden Meteoriten?
Die Meldung im Traunsteiner Wochenblatt hatte folgenden Wortlaut:
»Der am Sonntag, den 19. April nachts von dem Landwirt Schmid in Kammer beobachtete, vor seinem Wohnhause mit Feuererscheinung niedergegangene und von dem Genannten noch in glühendem Zustande auf der Straße aufgefundene Meteorit besteht aus einem porphyrartigen, etwa kindskopfgroßen, ein Kilogramm schweren, teils dunkelgrünlichgrau, teils rötlichbraun gefärbten, glasharten, scharfkantigen Stein, der auf einer Seite eine dunkelbraune, von Fließwülsten bedeckte Rinde besitzt, die erkennen läßt, daß es sich hier um ein Bruchstück eines großen kugelförmigen Meteoriten handelt, der sich, aus dem Weltenraum kommend, beim Durchfließen unserer Atmosphäre durch deren Widerstand bis zur Schmelzglut erhitzte und bereits in der Luft zerplatzte.«
Wir schickten diesen Bericht dem Geologen Dr. Robert Darga. Er ist Leiter des Siegsdorfer Naturkundemuseums und äußerte große Zweifel am Wahrheitsgehalt der Meldung. Darga schreibt: »Es ist aber offenbar, dass der Bericht nicht objektiv ist. Kein Meteorit mit einer Masse von circa einem Kilogramm kommt glühend auf der Erdoberfläche an. Im Gegenteil: er müsste (besonders wenn es sich noch dazu um ein Bruchstück handeln sollte) noch weltraum-kalt sein. Weil die Leuchterscheinung während des Hellfluges in der Atmosphäre zwar die Außenhaut im Schmelzzustand abspratzen lässt, während der Kern gar nicht die Zeit hat, sich zu erhitzen. Nach den paar Sekunden des Leuchtens beginnt bereits der Dunkelflug. Dann ist die Geschwindigkeit des Meteors bereits so gering, dass er sich nicht mehr erwärmen kann. Wenn also jemand berichtet, dass so ein herunter gefallener Stein warm oder gar glühend gewesen sei, dann ist mit größter Wahrscheinlichkeit eher was Irdisches passiert als ein Meteoritenfall.«
Robert Darga holte noch eine zweite Meinung ein, nämlich die des Meteoritenforschers Dieter Heinlein aus Augsburg. Der schrieb kurz und bündig: »Was auch immer dieser Landwirt in glühendem Zustand gefunden hat – ein Meteorit war es sicher nicht. Denn Meteorite landen auf der Erde nicht als heiße, glühende Steine, sondern sind bestenfalls lauwarm. Schade, aber das war wohl kein Meteorit.«
Wer war der Bauer Schmid? Es gab damals vor 98 Jahren in der Altgemeinde Kammer offenbar nur einen Bauer Georg Schmid. Er wurde später Bürgermeister und ist 1946 gestorben. Eine Nachfahrin berichtete der Heimatzeitung, der Opa habe ihr erzählt, dass dessen Vater Georg Schmid sehr vielseitig interessiert gewesen sei, so dass seine Beobachtung zu ihm passen würde.
Jahr für Jahr fallen in Bayern Meteoriten zu Boden – rund sieben Kilogramm, wie Forscher ermittelt haben wollen. Wie jeder Fleck der Erde sei auch der Freistaat permanent einem Bombardement aus dem All ausgesetzt. Doch meist merken wir davon nichts. Gesteinskörper, die auf die Erde fallen, werden höchstens als Sternschnuppen bestaunt, denn die meisten haben nur die Größe eines Staubkorns. Doch jährlich treffen den Erdboden rund 20 000 Meteorite, die mehr als 100 Gramm wiegen. Das macht für ganz Deutschland umgerechnet etwa zwei faustgroße Meteorite pro Jahr.
Immer wieder hört man auch den Begriff Chiemgau-Einschlag oder Chiemgau-Impakt. Es ist die Hypothese über den Einschlag eines Kometen bzw. Asteroiden, der nach dem Eindringen in die Erdatmosphäre in der Luft explodiert sein soll und dessen Trümmer angeblich im Chiemgau niedergingen. Der Einschlag soll sich zwischen 2200 und 300 vor Christus ereignet haben. Die im Jahr 2000 erstmals von Amateur- Archäologen geäußerte Vermutung des Chiemgau-Impakts wird von der Fachwelt überwiegend abgelehnt und ist nach Angaben des Bayerischen Landesamts für Umwelt widerlegt.
Klaus Oberkandler
24/2023