Glücksbringer sind zum Jahreswechsel sehr gefragt
Hufeisen, Schweindl, Schornsteinfeger, Kleeblatt und Fliegenpilz





Man ist ja nicht abergläubisch: Aber wenn einem eine schwarze Katze von rechts über den Weg läuft, spucktman doch gerne dreimal über die linke Schulter. Und wenn man einen Schornsteinfeger sieht, schüttelt man den Geldbeutel – beides schadet ja nicht. Auch Schweindl sind als Glücksbringer gefragt, ebenso wie Hufeisen, vierblättrige Kleeblätter, Pfennigmünzen, Marienkäfer und Fliegenpilze. Warum aber gelten diese Dinge ebenso wie manch andere als Glücksboten?
Beginnen wir mit dem Schwein. Der wilde Eber war für die Germanen das heilige Tier der Götter. In Japan steht das Wildschwein für Stärke und in China ist es ein Symbol der Zufriedenheit. Bei uns wurde das Schwein vermutlich im Mittelalter zum Glückssymbol. Damals bekam bei volkstümlichen Wettbewerben auf Jahrmärkten der schlechteste Teilnehmer ein Ferkel. Er musste zwar auch Hohn und Spott über sich ergehen lassen, letztlich war er aber doch der Glückliche. Schweine brauchen nämlich kein teures Futter und sind bereits nach einem halben Jahr schlachtreif. Eine gesunde Sau kann mindestens zweimal pro Jahr Nachwuchs bekommen – pro Wurf etwa zehn Ferkel. Damit kann man viele hungrige Mäuler stopfen. Auch die Formulierung »Schwein gehabt«, wenn man unerwartet oder unverdient Glück hatte, ist wohl in diesem Brauch begründet. Bei uns werden zu Neujahr Schweine aus Marzipan als Glücksbringer verschenkt, oftmit einem Pfennig oder vierblättrigen Kleeblatt im Rüssel.
Womit wir beim nächsten Glückssymbol sind, dem vierblättrigen Kleeblatt. Es soll den Träger vor Unglück schützen. Eva soll ein vierblättriges Kleeblatt als Andenken aus dem Paradies mitgenommen haben. Da die Blätter in der Natur nur sehr selten vorkommen, braucht man viel Glück, um eines zu finden. Gezüchtete Kleeblätter dagegen sollen wiederum das Pech anziehen. Das behaupten manche – vielleicht sind das Menschen, die den Gartenbaubetrieben zum Jahreswechsel nicht den zusätzlichen Umsatz mit diesen Pflanzen gönnen. Der gezüchtete Glücksklee ist zwar nicht ganz winterhart, hat man aber etwas Glück und einen grünen Daumen, dann samen sie auch bei uns im Chiemgau im Hausgarten ab und bilden neue Pflanzen.
Das Eisen, welches den Huf des Pferdes schützte, gilt ebenfalls seit der Zeit der alten Römer als Glücksbringer. Pferde symbolisierten Stärke undKraft.Wenn einBauer ein Hufeisen fand, dann wurde das früher als ein glücklicher Wink des Schicksals angesehen. Die Lage des Hufeisens erlaubt verschiedene Deutungen: Ein nach oben offenes Eisen symbolisiert sowohl Teufelshörner als auch einen Brunnen. Nach unten geöffnet kann man deuten, das Glück könne herausfallen. Ist das Eisen nach rechts offen, stellt es den Buchstaben C dar, was für Christus steht.
Als Himmelsbote der Mutter Gottes gilt der Marienkäfer. Er soll die Kinder beschützen und die Kranken heilen, wenn er ihnen zufliegt. Man darf ihn jedoch niemals abschütteln oder gar töten, denn das bringt angeblich Unglück. Marienkäfer sind für Gärtner, und Obstbauern nützlich, denn ihre Larven vertilgen bis zu 50 Blattläuse pro Tag. Die Art wird allerdings stark bedroht durch den asiatischen Marienkäfer. Der kommt heute auch bei uns vor. Weil er bis zu fünfmal soviele Blattläuse frisst wie sein bei uns heimischer Verwandter, wurde der Käfer seit den 1980er Jahren importiert und zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Zu Beginn dieses Jahrtausends wurden die ersten Tiere in freier Natur gesichtet. Die Bestände heimischer Arten gingen und gehen auch bei uns im Voralpenland drastisch zurück.
Der »Star« unter den Glückssymbolen wird im kommenden Jahr der Fliegenpilz sein. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat heuer bei ihrer Jahrestagung in Blaubeuren den Fliegenpilz zum Pilz des Jahres 2022 gekürt. Auch bei uns im Voralpenland kommt der Fliegenpilz sehr häufig vor. In diesem Herbst allerdings hat er sich rar gemacht – genauso wie die Herbst-Steinpilze, auf deren Erscheinen man bei uns fast überall vergeblich gewartet hat. Mit dem Fliegenpilz wird zum dritten Mal nach 2000 (Königs-Fliegenpilz) und 2019 (Grüner Knollenblätterpilz) ein Giftpilz aus der Gattung der Wulstlinge (Amanita) gekürt. Gleichzeitig ist es der einzige Pilz, den wohl jeder Mensch kennt, ihn als Glücksbringer schätzt und den zu verwechseln nahezu unmöglich ist.
Warum aber hat es ausgerechnet ein Giftpilz geschafft, einer der beliebtesten Glücksbringer zu sein? Angeblich ist das auf die alten Germanen zurückzuführen. Deren Krieger haben kleine Mengen des Pilzes gegessen, um im Kampf keinen Schmerz mehr zu empfinden. Das Gift des roten Pilzesmit den weißen Flecken enthält Ibotensäure. Es wirkt ähnlich wie Alkohol, also enthemmend, was die Menschen im Kampf mutiger werden ließ. Als ein Großpilz, der wegen der markanten Rot-weiß-Färbung besonders auffällt, gehört er zum Waldbild in deutschen Märchen und Mythen. Nur ein Pilz kann gemeint sein, wenn es im Märchen heißt: »Sag, wer mag das Männlein sein, das da steht im Wald allein mit dem purpurroten Käppelein?« Regenwasser, das sich in schalenartig ausgeformten Hüten älterer Pilze gesammelt hat, ist in der Dichtung »Zwergenwein«.
Für Pilzsammler hat der Pilz des Jahres 2022 eine ganz besondere Bedeutung: In der unmittelbaren Nähe von Fliegenpilzen findet man oft auch Steinpilze. Kann man den Steinpilz wegen seiner braunen Farbe leicht einmal übersehen, so sieht man den Fliegenpilz schon von weitem. Oft lohnt es sich zu ihm zu gehen und genauer nachzuschauen. Nicht selten hatman dann das Glück, in der Nähe einen der begehrten Steinpilze zu entdecken.
Vom rot-weißen Fliegenpilz zum schwarzen Mann. Wenn der Schornstein verstopft war oder schlecht zog, konnte man früher nicht mehr heizen. Es wurde kalt im Haus und man konnte kein Essen mehr zubereiten. Das war erst wieder möglich, wenn der Kaminkehrer den Rauchabzug gesäubert hatte. Dank regelmäßiger Reinigung des Kamins konnte sich der Ruß, der sich im Lauf der Zeit an die Wände des Rauchfangs angelegt hat, nicht so schnell entzünden. Das verhinderte, dass der Kamin Feuer fing und das ganze Haus in Flammen aufging. Der Schornsteinfeger wehrte somit Gefahr ab und brachte Glück ins Haus. Heute soll es auch Glück bringen, einen Schornsteinfeger zu berühren.
Wer also zum Jahreswechsel in seiner Wohnung eines dieser Glückssymbole aufstellt und davon für 2022 Glück, Gesundheit und Erfolg erhofft, der weiß nach der Lektüre dieses Beitrags, warum Menschen seit Generationen auf diese Glückssymbole setzen. Man muss nur dran glauben – denn der Glaube kann ja angeblich Berge versetzen.
Klaus Oberkandler
53/2021