Jahrgang 2025 Nummer 12

Gemüse und Brot fürs Seelenheil

Im Zisterzienserorden war Schmalhans Küchenmeister – ein Viertel Wein pro Tag einziges »Zuckerl«

Der 1897 von Eduard von Grützner gemalte Mönch hatte die strengen Regeln der Zisterzienser erfüllt mit seiner Mahlzeit aus Brot, Gemüse und einem Becher Wein. (Repros: Mittermaier)
Die Zisterzienserabtei Waldsassen – hier eine Ansicht aus dem 17. Jahrhundert – wurde 1133 gegründet. Kupferstich von Johann Ulrich Krauß.

Essen als Mittel zum Seelenheil: Heute verbindet man damit meist Schokoriegel, Kuchen und anderen Süßkram, den man sich genehmigt, wenn der Stress überhand nimmt. Bei den mittelalterlichen Zisterziensern war genau das Gegenteil der Fall: Dessen Ordensgründer Robert von Molesme war überzeugt, dass man sein Seelenheil nur mit einer konsequent kargen Ernährung erreichen konnte.

Molesme war ursprünglich Benediktinermönch in Burgund, doch in den dortigen Klöstern herrschte offenbar ein solcher Luxus, dass das Leben nicht mehr viel mit den von Benedikt von Nursia um 540 aufgestellten Regeln zu tun hatte, der Askese, Armut und Demut gepredigt hatte. Molesme beschloss deshalb, in einer von ihm angeleiteten Glaubensgemeinschaft zu den Wurzeln Benedikts zurückzukehren und gründete 1098 das Kloster Cîteaux, südlich von Dijon. Der neue Orden, der sich nach dem Mutterhaus nannte – auf Deutsch Zisterzienser, fand schnell gleichgesinnte Mitstreiter wie Bernhard von Clairvaux, der 1125 in Clairvaux eine weitere Abtei gründete und die Verbreitung der Zisterzienser in ganz Europa anleierte.

Das erste Kloster der neuen Glaubensgemeinschaft auf heute bayerischem Boden entstand 1127 in Ebrach, danach folgten unter anderem Waldsassen 1133 und Raitenhaslach 1143. Dabei handelte es sich übrigens anfangs ausnahmslos um Männerklöster. Frauenklöster folgten zwar ebenfalls der von den Zisterziensern propagierten Riten, doch die erste formale Aufnahme einer Frauengemeinschaft in den Orden ist erst um 1228 belegt, wobei die heutige Abtei in Waldsassen ein reines Frauenkloster ist.

Wie die Abteien in Frankreich folgten auch die bayerischen Zisterzienser den von Molesme initiierten strengen Ernährungsregeln, die nur Gemüse, Obst, Brot und einen Becher Wein pro Tag vorsahen. Fleisch war komplett verboten und selbst Fett – das es ja auch in Form von Pflanzen- oder Kernölen gegeben hätte – durfte nicht verwendet werden. Speisen wie Weißbrot, Fett und Met, dazu Gewürze wie Pfeffer, Ingwer, Kümmel und Salbei, die offenbar in den Benedektinerabteien auf den Tisch kamen, hätten im Refektorium nichts zu suchen, so Bernhard von Clairvaux, denn mit Fleisch und anderen üppigen Essenszutaten werde nicht die Seele, sondern allein das Fleisch – im Sinne des eigenen Körpers – gemästet. Wenn man sein Fleisch zu sehr füttere, führe das nur zum Verlangen nach fleischlichen Genüssen, womit Bernhard nicht die Lust auf mittäglichen Schweinsbraten meint, sondern sexuelle Begierden, und die waren für Ordensmitglieder ja absolut tabu.

Der strenge Mönch hatte auch noch ein Rezept parat, wie man seinen Glaubensgenossen fettlose Grütze und Gemüse schmackhaft machen kann, und zwar mit harter Arbeit: Wer gezwungen sei, sich den ganzen Tag körperlich zu plagen anstatt zu faulenzen, der habe automatisch so großen Hunger, dass selbst die fadeste Gemüsesuppe wie ein Festmahl munde. Tatsächlich mussten die Mönche auch ständig rackern, um überhaupt etwas auf den Tisch zu bekommen, denn die Abteien waren als Selbstversorger organisiert, wobei für die gröbste Arbeit auch Laienbrüder aus der Bauernschaft der Gegend rekrutiert werden konnten. Zur Produktion der Naturalien wurden Wirtschaftshöfe eingerichtet, nach deren Erträgen sich dann auch die Speisekarte der Mönche richtete.

Die Verbindung der bayerischen Zisterzienser zu ihrem Mutterhaus in Frankreich sorgte unter anderem dafür, dass sich bestimmtes Obst wie Trauben und Äpfel mit bisher nicht bekannten Sorten in blau-weißen Landen etablierten. Von den Renette-Äpfeln ist sogar bekannt, auf welchen Umwegen sie in Waldsassen landeten: Von Morimond in Frankreich gelangte die Sorte zunächst ins erste deutsche Kloster Kamp am Niederrhein, von dort nach Volkenroda in Thüringen und über Pforta in Sachsen schließlich in die Oberpfalz. Um einen möglichst hohen Ertrag gerade an Äpfeln zu sichern, wurde jeder freie Fleck auf dem Grund der Abtei bepflanzt, wodurch dann nicht nur im Kreuzgang, sondern selbst auf dem Friedhof Apfelbäumchen sprossen.

An Gemüse wurden vor allem Rüben und Hülsenfrüchte angebaut, aus denen dann die alltägliche Suppe gekocht wurde. Ein typisches Essen bei den Zisterziensern bestand lange aus Gemüseeintopf – ohne Fettzugabe zubereitet, dazu gab es das erlaubte Pfund Brot aus Gerste, Hafer oder Roggenmehl. Gegessen wurde laut Regel nur einmal am Tag, wobei im Sommer auch zwei Mahlzeiten möglich waren – eine Beschränkung, bei der man sich schon fragen muss, wie die Ordensmitglieder überhaupt in der Lage waren, körperliche Arbeit zu verrichten. Zwar gab es die Anweisung, bei harter Arbeit mehr an Nahrung zu gewähren, aber das hieß noch lange nicht, dass die Betroffenen dann auch die Kalorienmenge erhielten, die ein körperlich arbeitender Mensch eigentlich braucht, zumal das Essen lange auch sehr einseitig war.

Den überlieferten Quellen zufolge wurde das Ideal der vollkommenen Askese tatsächlich im Lauf der Zeit aufgeweicht, beispielsweise durch die Gabe sogenannter Pitanzen. Der vom Lateinischen »pietas« für Milde und Güte abgeleitete Begriff bezeichnete die Gabe zusätzlicher Lebensmittelportionen, oft in Form von Eiern, Käse, Fisch, Weizenbrot oder Wein, die an hohen Festtagen oder in der Fastenzeit gewährt wurden. Bei den Zisterziensern hatte es sich eingebürgert, dass Wohltäter besondere Lebensmittel stifteten, die in der Klosterküche gefertigt und an die Mönche ausgegeben wurden, wobei sich die Spender dafür im Gegenzug Pluspunkte für ihr Seelenheil im Jenseits erhofften. Für die Mönche war diese Praxis sehr von Vorteil, denn so erhielten sie nicht nur zusätzliche Rationen, sondern auch Speisen, die vom Ordenskapitel eigentlich verboten waren, aber dennoch gewährt wurden, weil man die Stifter nicht vor den Kopf stoßen konnte.

Zu diesen besonderen »Zuckerln« gehörten beispielsweise Semmeln aus Weizenmehl, die sie ansonsten nur zur medizinischen Stärkung bekamen, wenn sie zuvor zur Ader gelassen worden waren.

Auch eine weitere in Bayern noch heute beliebte Backware hielt spätestens im 13. Jahrhundert in Waldsassen Einzug, nämlich der Krapfen, der dann auch in Fett zubereitet werden durfte. Allerdings gab es diese Spezialität nicht ganzjährig, sondern nur zur Fastzeit oder Feiertagen. Lebkuchen aus der eigenen Klosterbäckerei blieben den Waldsassener Mönchen jedoch komplett verwehrt – es sei denn, der Abt erteilte eine Ausnahme.

Die Abtei hatte eine ansehnliche Honigproduktion und der Großteil der kostbaren Süße wurde in Lebzelten verbacken, die aber anschließend an Wohltäter und hohe Herrschaften verschenkt wurden, um sich deren Wohlwollen zu sichern. In einem Punkt profitierten die Klosterbrüder aber selbst von den Speisegewohnheiten der hohen Herrschaften: Novizen aus gesellschaftlich höherstehenden Familien taten sich oft schwer mit der für sie ungewohnt kargen Kost im Refektorium. Um die Ordensmitglieder in spe bei der Stange zu halten, wurden Essenslieferungen mit Leckerli von ihren Verwandten erlaubt, von denen dann auch die Mitbrüder profitierten.

Wahrscheinlich spielte bei der Lockerung der Ernährungssitten aber auch die Erkenntnis eine Rolle, dass die Gesundheit und damit zusammenhängend auch die Produktivität der Mönche von einer umfangreicheren Verpflegung profitierte, weshalb dann auch Fisch zu bestimmten Zeiten erlaubt war. Fisch galt in Klöstern nicht als Fleisch, denn Fische hatten keine Beine und lebten im Wasser.

Fleisch im eigentlichen Sinn war alles, was von Vierbeinern stammte – weshalb beispielsweise auch Geflügel erlaubt war. Als Fisch galt dagegen alles, was aus dem Wasser kam wie auch Krebse und Frösche. Fleisch von Vierbeinern war den Regeln des Heiligen Benedikt zufolge nur erlaubt, wenn jemand sehr krank bzw. schwach war. Allerdings hatte so mancher Mönch selbst in diesem Fall offenbar noch Skrupel, sich tatsächlich Fleischspeisen zu gönnen, wie im Waldsassener Mirakelbuch des Abtes Johannes III. Ende des 13. Jahrhunderts zu lesen ist. Der Abt musste demnach seinem klapprigen Pförtner Gerhard gegenüber zu einer List greifen, um ihm Fleisch einzuverleiben: Als sich der ältliche Mönch vehement weigerte, Fleisch zu konsumieren, fragte ihn der Klostervorsteher, ob der denn wenigstens gewillt sei, Fisch zu verzehren. Der Kranke erklärte sich dazu bereit und »sogleich ordnete ich an, dass ihm Rind- und Kalbfleisch und anderes Fleisch unter dem Namen Fisch vorgesetzt wurden. In heiliger Einfalt aß er es getrost fast einen Monat lang und glaubt fest, er habe Fische genossen«, so Johannes III.

Über ähnliche Tricksereien liest man auch in Abhandlungen zur vorösterlichenFastenzeit: Demnach sollen findige Küchenmeister nicht erlaubtes Fleisch vor der Zubereitung kurz in einenTeich oder Bach geworfen haben – um dann seelenruhig vorgeben zu können, dass es sich bei dem Braten ja um Fisch handle, denn das Fleisch dafür komme schließlich aus dem Wasser. Wie strikt die grundsätzlich strengen Regeln in der Praxis ausgelegt wurden, hing sicher auch von der Einstellung des Abtes ab, wobei es in Krankheitsfällen etwa durchaus genaueVorschriften gab, was als schwere Erkrankung und was nur als Wehwehchen galt: Im sogenannten Gebräuchebuch, in dem die Ge- und Verbote der Zisterzienser genau aufgelistet waren, steht, dass Patienten, die an einem Abszess litten oder sich eine Schnittwunde zugezogen hatten, nur als Leichterkrankte anzusehen seien: Sie hatten weder Anspruch auf Fleisch noch übrigens auf eine Matratze – und reden durften sie deswegen auch nicht, denn Sprechen war bei den Zisterziensern ebenfalls verboten, weshalb die Mönche mit Gebärden kommunizieren mussten – mit wenigen Ausnahmen, wie beispielsweise in der Arbeit, wo Reden in Maßen erlaubt war. Begründung für das Sprechverbot war, dass man nur durch äußere Stille auch zur inneren Stille kommen könne, die für ein Ordensmitglied als Voraussetzung galt, um seine ganze Aufmerksamkeit auf Gott richten zu können.

Bei den vielen Verboten blieb den Zisterziensermönchen zumindest ein Luxus – ein Viertel Wein pro Tag, der aber nur regelmäßig gewährt werden konnte, wenn das Kloster auch genügend Wein produzierte, ansonsten wurde die Menge beschränkt. Allerdings war mitunter offenbar auch das Gegenteil der Fall: das Generalkapitel, ein Gremium, in dem sich alle Äbte bestehender Zisterzienserklöster trafen,um über die Ausgestaltung des Ordenslebens zu beraten, musste sich 1237 mit einer Reihe von Alkohol bedingten Exzessen in ihren Klöstern beschäftigen und entschied, dass künftig in der Zeit zwischen dem ersten Advent und dem Ostersonntag keinerlei Wein mehr ausgeschenkt werden durfte.

Die neue Regelung war allerdings alles andere als dazu angetan, ein friedlicheres Klosterdasein zu garantieren: Es kam in etlichen Klöstern erneut zu schweren Tumulten, weil sich die Klosterbrüder nicht mit dem Wegfall ihrer täglichen Weinration zufriedengeben wollten. Der Konflikt schwelte über Jahre vor sich hin, wobei 1261 im hessischen Eberbach gar der Abt von einem Laienbruder ermordet wurde, weil Ersterer ebenfalls den Weinausschank verboten hatte.

Spätestens im 13. Jahrhundert trat der Wein dann in den heimischen Zisterzienserklöstern nach und nach zurück gegen ein anderes alkoholisches Getränk, dem Gerstensaft. Für Aldersbach ist beispielsweise 1268 erstmals ein Brauhaus erwähnt, das – seit 1803 in weltlichem Besitz – bis heute besteht.

 

Susanne Mittermaier

 

12/2025