Jahrgang 2024 Nummer 26

Franziska Hager wäre 150 Jahre alt geworden

Der Heimatschriftstellerin wurde vor 50 Jahren in Traunstein eine Gedenktafel gesetzt

Das »Rosenschlössl« an der Ludwig-Thoma-Straße in Traunstein wurde 1873/74 von Anton Hager errichtet. Wenn Franziska Hager in Traunstein war und die Ferien verbrachte, wohnte sie in hier.
Die Schriftstellerin FranziskaHager auf einem undatierten Foto.
Eine kleine Auswahl der Bücher von Franziska Hager, die zwischen 1975 und 1988 im Rosenheimer Verlag erschienen sind. Aufbereitet hat die Texte meist der Schriftsteller und Heimatforscher Hans Heyn, der 2015 gestorben ist.
Franziska Hager mit 18 Jahren. (Foto: Archiv)
Eine Bronzetafel mit dem Kopf der Dichterin als Relief wurde 1974 zu Franziska Hagers 100. Geburtstag am Rosenschlössl enthüllt. An der Eingangsseite links (vom Betrachter) neben dem Fenster eingemauert wird sie von außen kaum wahrgenommen.
Franziska Hager als Lehrerin inmitten einer sichtlich mit Hauswirtschaft beschäftigten Mädchenklasse.

In dieser Woche jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag der Heimatschriftstellerin Franziska Hager. Sie wurde am 27. Juni 1874 in Traunstein geboren und starb 1960 in München. Sie war eine Heimatschriftstellerin aus dem Chiemgau und eine Tochter eines Dorfschulmeisters, hatte acht Geschwister und erlernte den Beruf einer Schneiderin, ehe sie in Prien Volksschullehrerin wurde. In diesem Beruf war sie später auch in Bernbeuern und München tätig. Sie war nur einige Jahre in ihrem Beruf tätig, als sie aus gesundheitlichen Gründen erst zeitweise, dann 1922 endgültig pensioniert wurde. Sie lebte als freie Schriftstellerin in München, zog dann 1904 zurück in den Landkreis Traunstein und zwar nach Waldhausen bei Schnaitsee. Das Intermezzo auf dem Lande währte nicht lange, denn schon 1905 zog es sie wieder zurück nach München.

Zunächst verfasste Franziska Hager Dramen. Später verschrieb sie sich der Heimatforschung und machte sich einen Namen als einfühlsame Erzählerin von Prosatexten, in denen es meist um den Alltag im Chiemgau ging. Ihre Texte beschrieben oft ihr eigenes Familienleben und ihr privates Umfeld. Dazu gehören die 1923 und 1929 erschienenen autobiographischen Prosatexte »Der Dorfschullehrer« und die »Schulmeisterkinder«, 1929. Rund 2000 maschinenbeschriebene DINA-4-Seiten umfasst ihre Kulturgeschichte des Chiemgaus. Diese trägt den Titel »Meine Erde«, ist aber nie als Buch erschienen. Das Original befindet sich in der Bayerischen Nationalbibliothek. Lediglich einige Kopien des umfangreichen Manuskripts sind vorhanden. Eine davon befindet sich im Traunsteiner Stadtarchiv. Fast zehn Jahre lang, bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie daran.

Franziska Hagers schriftstellerisches und heimatkundliches Schaffen fand allseits hohe Anerkennung. 1958 bekam sie das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, ein Jahr später verlieh ihr die Stadt Traunstein den Ehrenring der Stadt und drei Monate später ernannte die Marktgemeinde Prien sie zur Ehrenbürgerin. Am 17. September 1960 starb Franziska Hager in München und wurde vier Tage später im Traunsteiner Waldfriedhof beigesetzt. Oberbürgermeister Wilhelm Steger hielt die Trauerrede. Allerdings – »wichtige amtliche Stellen glänzten durch ihre Abwesenheit«, schrieb Georg Unterbuchner. Das Vergessen habe bereits eingesetzt.

Stichwort Georg Unterbuchner (1908 bis 1978): Die Aufzeichnungen über das Leben von Franziska Hager haben wir zu einem erheblichen Teil dem Traunsteiner Lyriker Georg Unterbuchner zu verdanken. Er hat sie vermutlich Ende der 1960-er Jahre auf Betreiben von Kreisheimatpfleger Dr. Paul Toepfner niedergeschrieben. 1970 stellte Toepfner nämlich den zweiten Band des Heimatbuches des Landkreises Traunstein fertig, der sich mit der Kultur- und Kunstgeschichte befasst. Auf Unterbuchners Aufzeichnungen stützt sich in Teilbereichen auch die von Stadtarchivar Franz Haselbeck verfasste Lebensbeschreibung von Franziska Hager, die im Jahr 2010 in den Chiemgau-Blättern veröffentlicht worden ist.

Georg Unterbuchner war in den 1970er Jahren ein gern gesehener Besucher in der Redaktion des Traunsteiner Wochenblatts. Immer wieder einmal brachte er ein selbst verfasstes Gedicht und bat um Abdruck. Er lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen und freute sich über jedes noch so kleine Honorar. Wenn er im Sommer oder Herbst kam, hatte er oft einen Korb mit frischen Pilzen dabei, sauber geputzt und schon fein aufgeschnitten. Einer der Redakteure, selbst leidenschaftlicher Pilzsammler, lud Unterbuchner einmal zu einer Schwammerltour ein. Fortan wusste er, warum die Pilze so fein geschnitten waren: Was da alles im Korb vom Unterbuchner-Schorsch landete…

Zurück aber zum eigentlichen Thema dieses Berichts: Dass Franziska Hagers Wirken vor allem in Prien auch zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod noch in hohem Ansehen steht, bewies die Marktgemeinde im Jahr 1979, als sie die neu gebaute Grund-, Haupt- und Förderschule nach ihr benannte. Nach der Schulreform trägt sie heute den Namen »Franziska-Hager-Grund- und Mittelschule«.

Als ihr 1959 Oberbürgermeister Josef Kößl erstmals den Ehrenring der Stadt Traunstein überreichte, würdigte er nicht nur Hagers Verdienste um Sitte und Brauchtum, sondern würdigte auch ihr kulturgeschichtliches Werk über den Chiemgau und ihre »meisterhafte Schilderung von Volk und Landschaft ihrer Heimat«. Während des Krieges trafen sich bei ihr in der Hopfenstraße Künstler, Literaten und Philosophen.

Gedenktafel an ihrem 100. Geburtstag enthüllt

Zu ihrem 100. Geburtstag am 27. Juni 1974 erfuhr die Heimatforscherin in ihrer Geburtsstadt Traunstein noch einmal eine besondere Ehrung. Am sogenannten Rosenschlössl an der Ludwig-Thoma-Straße 5, unmittelbar gegenüber bzw. neben dem Landratsamt, enthüllte Landrat Leonhard Schmucker eine Gedenktafel, die der Schriftstellerin gewidmet ist. Anton Hager ließ das Rosenschlössl, einen zweigeschoßigen Walmdachbau 1873/74 errichten. In diesem Haus hat sie immer wieder gewohnt und darin Ferienwochen verbracht. Zur Feierstunde an der Gedenktafel waren damals Verwandte von Franziska Hager und eine Reihe von Heimatfreunden gekommen. Oberbürgermeister Rudolf Wamsler legte nach dem Festakt an Hagers Grab auf dem Traunsteiner Waldfriedhof ein Blumengebinde nieder.

Leonhard Schmucker erzählte humorvoll, wie er erstmals auf die Heimatschriftstellerin aufmerksam wurde. Der Journalist Paul Mayer schilderte das im Traunsteiner Wochenblatt wie folgt: »Es war anfangs der dreißiger Jahre, als sein Vater Bartholomäus Schmucker, der Gründer des Ruhpoldinger Heimatmuseums, in einem Rundfunkinterview mit dem damaligen Bayerischen Rundfunk über Brauchtum und besonders über Faschingsbräuche sprach und hernach von Franziska Hager einen Brief erhielt, in dem sie auf manche Mängel und Unrichtigkeiten aufmerksam machte. So sei er schon sehr frühzeitig auf diese Frau aufmerksam geworden, auch wenn er als Bub ihre Bücher kaum gelesen habe. Nach dem Tode von Franziska Hager sei es der Kreisheimatpfleger Dr. Paul Toepfner gewesen, der sich dafür einsetzte, dass dieser Frau ein ehrendes Denkmal gesetzt wurde.« Leonhard Schmucker betonte, Franziska Hager habe mit ihrer Arbeit dem Chiemgau einen großen Dienst erwiesen.

 

Klaus Oberkandler

 

26/2024