Engerl oder Teifi?
Aus dem Fotoarchiv entschwebt: FJS als Schutzengel à la Horst Haitzinger


Im hauseigenen Fotoarchiv – an einem Dauerregen-Nachmittag fündig geworden zu sein, ist beglückend. Die Datei heißt »Karl Valentin« und weist Aufnahmen, 2008 noch mit der Digitalkamera, von der pfundigen Ausstellung »In memoriam FJS in der Karikatur« im Isartorturm des Valentin-Karlstadt-Musäums am Münchner Isartorplatz auf. Damals war Bayerns Ministerpräsident (1978 bis 1988) zwanzig Jahre tot. Wer ihn immer wieder karikierte: der oberösterreichische Zeichner Horst Haitzinger. Am 19. Juni feiert er seinen 85. Geburtstag. Er war, wie sein Kollege Josef Sauer vom »Simplizissimus«, bei der Ausstellungseröffnung seinerzeit anwesend und ließ sich gern fotografieren. Am liebsten, wie auf dem damals entstandenen Foto zu sehen ist, mit Franz-Josef-Strauß-Karikaturen im Hintergrund.
Haitzingers – nennen wir es halt einmal so – »Votivbild«mit der altertümlichen Fraktur-Aufschrift »Franz Josef hat geholfen! Edmund dankt!« warf die Frage hinsichtlich des übermächtig großen Schutzengels auf: Engerl oder Teifi? Beides war FJS. Das war kein Geheimnis. Der Münchner vom Jahrgang 1915 konnte es gut mit dem Herrgott, zugleich aber steckte einiges an Bosheit in ihm. Grad deshalb liebten die Karikaturisten den Franz Josef Strauß. Man fragte sich damals: Ist er jetzt im Himmel? Oder steckt er im Büßergewand? Variantenreich war FJS in der Isartorturm-Schau, die bis in den Februar 2009 hinein dauerte, hinter Glas gelegt und an die Wand gehängt. Seine ganze herzerfrischende Widersprüchlichkeit kam in der vielbesuchten Ausstellung in den, sage und schreibe, 24 »Spiegel«-Titeln, die Strauß' Konterfei auf dem Cover hatten, zum Vorschein: mal bayerisch-jovial, mal als Polit-Berserker der 70/80-er Jahre.
»Braucht einer nur lange genug am Drücker zu bleiben – schon wird er seinen Karikaturen immer ähnlicher.« So der Kommentar des Horst Haitzinger. Als er 80 war, anno 2019, verriet er der in Koblenz herauskommenden Rhein-Zeitung: »Der Strauß hat mit seinem Kopf am meisten hergegeben. Ich habe ihn als Lokomotive gezeichnet, als Vulkan, das ging alles bei ihm!« Die beiden trafen sich nicht nur einmal. »Es war immer ein lockerer Plausch«, sagte Haitzinger. »Den Theo Waigel habe ich auch immer wieder getroffen. Der war auch nicht so einfach zu zeichnen.« Auf seinem Votivbild lässt Haitzinger den damaligen Bundesfinanzminister ganz schön zappeln. Wogegen Edmund Stoiber sich der Schutzmacht des geflügelten Franz Josef Strauß auf der schwankenden Hängebrücke sicher sein konnte.
Was ist eine Karikatur? Auf Horst Haitzingers Homepage ist eine treffliche Definition zu finden als »eine kleine Bühne, auf der sich gleichnishaft ein politisches Geschehen abspielt«. Als dieser findige Kopf, vor nunmehr 85 Jahren in Eferding geboren, genug – nämlich nach mehr als 15 000 Zeichnungen – genug von der politischen Karikatur hatte, beliebte er einfach aufzuhören. Als fantastischen Realisten, der seither im Stil der Alten Meister malt, kennt ihn kaum jemand. Schade. Denn Haitzingers satte, üppige Gemälde verdienen weit mehr als lediglich einen flüchtigen Blick auf das, was er da mit Ölfarben erzählt.
Hans Gärtner
24/2024