Eine alte Tiroler Tradition wird auch im Chiemgau gepflegt
Fasten- und Osterkrippen erinnern an das Leiden Christi und die Auferstehung






Wer glaubt, dass die Zeit der Krippen endet, wenn an Mariä Lichtmess (2. Februar) die Weihnachtszeit auch offiziell zu Ende geht, den belehrt Rosi Bauer aus Siegsdorf eines besseren. Im Fundus ihres Krippenmuseums in Siegsdorf finden sich auch sogenannte Fasten- und Osterkrippen. Sie stellen in Bildern und Figuren das Leiden Christi bis zu seiner Auferstehung dar. Heute wird der Brauch, Osterkrippen aufzustellen, vor allem noch in Tirol und Teilen Frankens gepflegt.
Eine kleine Auswahl solcher Krippen können Passanten während der Fastenzeit bis nach Ostern anschauen. Rosi Bauer hat aus dem Erlös der Spendenkasse ihres Christkindlmuseums ein Schaufenster im Pletschacher-Haus neben dem Naturkundeund Mammutmuseum angemietet und zeigt hier bis nach Ostern eine Sammlung von Fastenkrippen, Osterobjekten und Schmuckeiern aus dem vorigen Jahrhundert. So können Menschen im Vorbeigehen fast vergessenes, feinstes Kunsthandwerk aus alter Zeit sehen und erfahren.
Bei einem Besuch in ihrer »Himmelswerkstatt«, in der sie alte Krippen und kleine sakrale Kunstwerke restauriert und ausstellt, erzählt Rosi Bauer, dass Osterkrippen heutzutage kaum noch in Kirchen aufgestellt werden und auch im privaten Gebrauch aus der Mode gekommen sind. Vereinzelt findet man Darstellungen dieser Szenen zur Passionszeit noch in Museen.Man könne aber beobachten, dass sich Holzbildhauer und andere Künstler vereinzelt wieder im Bau von Passionskrippen versuchen.
Thema solcher Krippen ist fast immer der Leidensweg Jesu, also die Zeit von Palmsonntag bis Ostern. Je nachdem, wie groß sie sind und wieviel Platz zur Verfügung steht, können in solchen Krippen auch mehrere Szenen dargestellt werden. Ihren Ursprung haben sie im Mittelalter. Vermutlich schon im 14. Jahrhundert wurden Nachbauten des Heiligen Grabes von Jerusalem als Gebetsstätten gebaut. In unserer Region sind vor allem das Heilige Grab in der Klosterkirche in Höglwörth und jenes in der Pfarrkirche in Aschau im Chiemgau bekannt. Letzteres wurde in den Jahren 1797 bis 1799 angefertigt und erstreckt sich über drei Etagen in einem fast zehn Meter hohen Aufbau. Das Heilige Grab in Höglwörth aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist mit einer Breite von fünf Metern, einer Tiefe von sechs Metern und einer Höhe von acht Metern ebenfalls sehr imposant. Es füllt das Presbyterium der Kirche komplett aus. In den Kulissen, welche die Grabeskirche in Jerusalem darstellen sollen, leuchten 81 mit gefärbtem Wasser gefüllte Glaskugeln. Die größte der Kugeln fasst 62 Liter.
Zurück zu den Fastenkrippen. Irgendwann nach den Anfängen im 14. Jahrhundert entstanden Passionsspiele, welche den Leidensweg Christi als einfaches Theaterstück darstellten. Viel früher schon wurden kleine Figuren und Abbildungen für den häuslichen Gebrauch hergestellt. Diese Figuren wurden nach und nach zu Krippen mit festen Bestandteilen drapiert. Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert waren sie sehr beliebt, um Menschen, die weder lesen noch schreiben konnten, die Leidensgeschichte und jene von der Auferstehung Christi näher zu bringen.
Auf die Idee, Fastenkrippen auszustellen, kam Rosi Bauer im Dezember letzten Jahres. Da hat sie nämlich in dem angemieteten Schaufenster eine kleine Ausstellung mit Holzspielzeug aus dem Erzgebirge präsentiert. Die Resonanz darauf war so groß, dass sie auf die Idee kam, auch in den kommenden Monaten museale Stücke auszustellen. Gezeigt werden neben anderen Objekten eine Tiroler Passionskrippe, hergestellt aus einem Ausschneidebogen, ein Andachtsbildkästchen mit der Darstellung des Heiligen Grabes auf Prägepapier aus dem 20. Jahrhundert sowie eine Fastenkrippe aus dem 19. Jahrhundert mit kleinen Figuren aus Holz, aus Wachs sowie einer Kreuzigungsgruppe aus Elfenbein. Bewundern kann man außerdem eine Fastenkrippe aus dem 19. Jahrhundert mit bemalten Schnitzfiguren aus Oberammergau sowie eine Fastenkrippe aus Oberösterreich mit sogenannten Loammandlfiguren, ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert. Eines ihrer Lieblingsexponate ist eine kleine Fastenkrippe aus Wachs im Glassturz, die sie Anfang der 1970er Jahre von Dr. Kurt Weinkamer bekam. Der betrieb in Salzburg eine Wachszieherei. Ganze Eisenbahnwaggons voll solcher Glasstürze bezog er aus Oberösterreich, um sie, bestückt mit Wachsfiguren, nach Südamerika und in den Vorderen Orient zu exportieren. Das Unternehmen war im 19. Jahrhundert im k. u. k.Gebiet führend für wächserne Wallfahrtsandenken, Krippenfiguren und kunstvoll gefertigte Ostereier. Die Firma wurde bis in die vierte Generation geführt, bevor sie 1987 aufgelöst wurde.
Rosi Bauer hofft, mit ihrer kleinen Präsentation viele Besucher anzulocken, die dann vielleicht auch in ihr Krippen-, Christkindl- und Wallfahrtsmuseum neben dem Naturkunde- und Mammutmuseum schauen. Das Schaufensterkammerl im alten Pletschacher-Bauernhof nahe dem Ortszentrum an der Ruhpoldinger Straße ist ab 9. März fertig dekoriert. Das Museum ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Klaus Oberkandler
10/2025