Jahrgang 2006 Nummer 14

Ein lieber Ostergast – der Bub aus der Stadt

Vom Palmbuschenbinden bis zum Eierfärben und »Oascheibn«

Es war im vorigen Jahr Mitte März, da lernte ich eine junge Frau kennen, erst vor kurzer Zeit ist sie mit ihrem fünfjährigen Buben, den sie alleine erzieht, aus der Nähe von Bremen kommend, in unsere Gegend gezogen. Durch Zufall hatte sie eine Anstellung in unserer Stadt bekommen und der Thomas hatte sich im hiesigen Kindergarten schon ganz gut eingewöhnt. Doch nun kam mit den Osterferien, die im vorigen Jahr ja schon im März begonnen haben, ein großes Problem auf Rosi, meine Bekannte zu, sie konnte keinen Urlaub in dieser Zeit nehmen und wusste nun nicht, wo sie den Buben gut unterbringen sollte. Ich dachte lange nach, wie ich ihr helfen konnte und noch am selben Abend kam mir ein Gedanke, ja, dachte ich bei mir, so müsste es gehen. – In den vergangenen Jahren waren in den Osterferien unsere Enkel, die sich immer freuten, wenn sie zu uns kommen durften und ich musste ihnen immer alles erzählen, wie es damals gewesen ist, als ich selbst noch ein kleines Mädchen gewesen bin. Doch warum sollte nun, da unsere Enkel schon den Kinderschuhen entwachsen sind, nicht eben gerade Thomas, dieser liebenswerte Bub, unser »Ostergast« sein und noch am selben Abend war es beschlossene Sache.

So brachte Rosi nun den kleinen Thomas mit Sack und Pack schon am Samstag vor dem Palmsonntag zu uns auf den kleinen Einödhof, und ihre anfänglichen Bedenken waren schnell dahin, als dieser freudig nickte, als mein Mann ihn fragte, ob er mit ihm zum nahen Waldrand gehen wolle, um etliche Palmkätzchen abzuschneiden. Lustig dahinhüpfend, winkte er noch kurz seiner Mutter zu und beruhigt und erleichtert, verabschiedete sie sich von mir. – Es dauerte nicht allzulange, als die Beiden mit etlichen langen Palmzweigen unter dem Arm, wieder dem Haus zukamen. Ich hatte inzwischen etliche kleine Zweiglein vom Buchsbaum abgeschnitten und so band der Opa, wie Thomas meinen Mann nun nannte, einen schönen Palmbuschen mit einem Stecken daran. Neugierig schaute der Bub zu und auf seine Frage, was das sei, erklärte ich ihm, dass er diesen Buschen morgen am Palmsonntag, in die Kirche hineintragen durfte. Am Abend, kurz vor dem Bettgehen, erzählte ich ihm dann noch von dem Brauch über den »Palmesel« und so hörten wir am Palmsonntag schon zeitig in der Früh, es war noch gar nicht ganz Tag draußen, Thomas schon im Hausgang herumlaufen. Dass er auf keinen Fall der »Palmesel« werden wolle und das gleich für ein ganzes Jahr, meinte er ganz ernst auf meine Frage, warum er denn schon so früh aufgestanden sei.

Nun konnte er es kaum noch erwarten, bis wir dann gegen 1/2 9 Uhr zusammen ins Auto stiegen, um zur Palmweihe in unsere Pfarrkirche zu fahren. Ganz aufgeregt ist er nachher mit den vielen anderen Buben, den langen, breiten Gang, fast vor bis zum Altar gegangen, wo der Herr Pfarrer die Palmbuschen mit Weihwasser bespritzte und auf den seinen, so erzählte Thomas nach der Kirche ganz stolz, hat er besonders viel draufgespritzt.

Fürs Mittagessen hatte ich einen Schweinebraten vorbereitet und entgegen meinen Bedenken betreffs meiner großen Knödel, aß er mit großem Appetit einen ganzen davon und von der reichlichen Soße blieb nichts übrig. Am Nachmittag erzählte ich ihm dann, dass mir in den vergangenen Jahren, immer meine Enkel so einen geweihten Palmbuschen, wie das bei uns in Bayern der Brauch ist, am Palmsonntagnachmittag gebracht haben. Da schaute der Bub mich eine Zeitlang fast nachdenklich an, rückte ein bisschen zu mir auf der Bank neben dem Haus, wo wir uns hingesetzt haben und meinte ganz ernst zu mir, dass ich halt in diesem Jahr von ihm den schönen, geweihten Palmbuschen bekomme.

In den folgenden drei Tagen dieser Karwoche bis zum Gründonnerstag, wurde aus dem vorösterlichen Hausputz, den ich mir eigentlich vorgenommen hatte, nicht viel, was ja eigentlich auch, so dachte ich bei mir, Nebensache ist. Am Gründonnerstag habe ich, wie ich es Thomas versprochen hatte, schon am frühen Nachmittag mit dem Eierfärben angefangen. Ich erzählte ihm, dass ich schon als ganz kleines Mädchen immer an diesem Tag mit meiner Großmutter die Eier für das Osterfest färben durfte und deshalb, so fuhr ich in meinem Erzählen fort, tue ich dies bis auf den heutigen Tag, immer am Gründonnerstag. Während ich nun die Gläser für die bunten Eierfarben herrichtete und anschließend die gesottenen Eier vorsichtig hineinlegte, ließ er keinen Blick davon ab und ganz aufgeregt und mit roten Backen drehte er, wie ich es ihm vorgemacht hatte, ganz vorsichtig jedes Ei immer von einer Seite auf die andere. Als nachher der große Küchentisch mit den auf einem Tuch ausgebreiteten, in rot, blau, grün und gelb glänzenden Eiern, voll war, da strahlte der Bub übers ganze Gesicht und meinte zu mir, dass unsere Ostereier viel schöner seien, als alle die anderen, die es überall zu kaufen gibt.

Am Karsamstag in der Früh, schaute er mir wiederum ganz neugierig und interessiert zu, wie ich unseren Küchenofen einheizte und ich erzählte ihm, wie ich damals, als ich noch nicht einmal so alt war wie er, an eben diesem heutigen Tag, immer ganz aufgeregt gewesen bin, wenn nach dem morgendlichen Amt in unserer kleinen Pfarrkirche, die Nachbarsbuben die Anhöhe zu unserem einsamen Hof heraufgelaufen sind. Schon von weitem habe ich sie jedes Jahr erspät, sie hatten nämlich das »Geweihte Feuer« dabei. In einer großen Laterne war sie drinnen, die vom Herrn Pfarrer geweihte Glut und genau habe ich aufgepasst damals, als meine Großmutter vorsichtig einige Brocken davon in das große »Ofenloch« des Küchenherdes schob.

Als ich Thomas auf sein drängen hin, weiter erzählte, dass die Nachbarsbuben für das »Gweichte Feier bringen« jedes Jahr etliche gefärbte Eier von meiner Großmutter bekommen haben, da meinte er ganz ernst, dass diese bestimmt auch so schön waren wie die unseren. Am nächsten Morgen am Ostersonntag schickten wir uns, dass wir nicht zu spät zum Osteramt in die Kirche kamen, denn wir beide wollten ja etliche von unseren Eiern vom Herrn Pfarrer weihen lassen. Als ich dem Buben ein mit grünem Ostergras ausgelegtes Körbchen mit eben diesen Ostereiern darin, in die Hand drückte und ihm dabei etwas wehmütig erzählte, dass ich damals immer ganz andächtig, mein Osterkörbchen weit vorne zum Altar gestellt habe, da hat er mit der einen Hand ganz fest die meine gehalten und mit der anderen sein Körbchen, als wir uns in der Kirche, in eine der vorderen Reihen gekniet haben. Wieder daheim, erinnerte ich mich auf einmal daran, wie lustig das früher, als wir an diesem Tag, als wir auch alle gerade von der Kirche heimgekommen sind, immer gewesen ist, denn da haben wir mit dem »Oabecken« (Eier anstoßen) angefangen, meine Mutter und die fünf Tanten und natürlich ich. Sogar mein Großvater hat mit mir »gebeckt« – »Osch an Osch« mussten die geweihten Eier zusammengestoßen werden, habe ich lachend Thomas erklärt. As daraufhin wir drei dasselbe getan haben und das Ei vom Opa als erstes »eingedetscht« war, da konnte der Bub fast mit dem Lachen nicht mehr aufhören. – Gleich nach dem Mittagessen wollte er aber nun endlich wissen, wie das denn mit dem »Oascheibn« vor sich geht, ein bisschen komisch klang dieses Wort ja schon aus seinem Mund und ich musste lächeln, als wir mitsammen hinaus vors Haus gegangen sind, wo »der Opa« schon die zwei Rechen übers Kreuz auf die Wiese gelegt hat. Ich hatte noch schnell einige Zehnerl mitgenommen und machte es ihm nun vor, wie er sein Ei von ganz oben an den Rechenstielen vorsichtig hinunterrollen lassen musste und unten im Gras angekommen, legten wir unsere Zehnerl drauf. Thomas hüpfte lustig herum vor Freude, wenn seine Eier immer wieder mal unsere beiden trafen und das Geld heruntergefallen ist. Die Zeit verging dabei wie im Fluge und als gegen vier Uhr seine Mutter kam um ihn abzuholen da waren natürlich bei unserem Spiel auch etliche Eier, die zu fest aufeinandergestoßen sind, zerbrochen. Das gehört zum »Oascheibn« dazu, erklärte das Thomas nun seiner Mutter und der »Oma« ihr Großvater, wie sie früher gesagt haben, hat ihr einmal als kleines Mädchen, ein »Legei« von einer Henne ihrem Nest, das nicht zerbrechen kann, heimlich zum »Oascheibn« gegeben, da hat sie dann immer gewonnen.

Beim Abschied musste ich dem Buben noch versprechen, dass er ganz bald wieder zu uns kommen dürfte. Und ich tauschte seine zerbrochenen Eier noch schnell in seinem Osternest durch etliche Ganze aus, damit er auch noch ein paar Ganze zum Herzeigen bei seinen Freunden hatte »wo doch die von uns beiden gefärbten Ostereier am schönsten geworden sind.«

Elisabeth Mader



14/2006