Jahrgang 2002 Nummer 30

Ein heiliger Bayer auf dem Kaiserthron

Landesausstellung in Bamberg über Heinrich II. – Handschriften aus Seeon

Kaiser Heinrich und seine Gattin Kunigunde an der Adamspforte des Bamberger Doms, rechts der hl. Stephanus.

Kaiser Heinrich und seine Gattin Kunigunde an der Adamspforte des Bamberger Doms, rechts der hl. Stephanus.
Reliquiar Kaiser Heinrichs, das sich heute im Louvre in Paris befindet.

Reliquiar Kaiser Heinrichs, das sich heute im Louvre in Paris befindet.
Für das Basler Münster stiftete der Kaiser dieses herrliche Antependium (Altarrückwand). Das Kaiserpaar liegt zu Füßen Christi.

Für das Basler Münster stiftete der Kaiser dieses herrliche Antependium (Altarrückwand). Das Kaiserpaar liegt zu Füßen Christi.
Bamberg ist wie keine andere Stadt geeignet für eine Ausstellung über Kaiser Heinrich II. Der Sohn Heinrich des Zänkers von Bayern hat die Siedlung um die Burg Babenberg von Kind an geliebt, sie zum Mittelpunkt eines neuen Bistums gemacht, ihren Ausbau als sein Lebenswerk betrachtet und an der Seite seiner Gattin Kunigunde im Bamberger Dom seine letzte Ruhestätte gefunden.

Die vom Haus der Bayerischen Geschichte gestaltete Ausstellung ist auf mehrere Räume verteilt. In der Alten Hofhaltung wird der Lebensweg des Kaisers nachgezeichnet, das Diözesanmuseum präsentiert erlesene Sakralgegenstände und liturgische Gewänder, in der Staatsbibliothek kann man Prachthandschriften und im Dom die von Tilmann Riemenschneider geschaffene Grabtumba für das Kaiserpaar bewundern. Die Lebensbedingungen der einfachen Bauern und Handwerker veranschaulicht die Inszenierung eines mittelalterlichen Gehöfts am Domplatz.

Vor genau eintausend Jahren wurde Heinrich in Mainz zum ostfränkisch-deutschen König gekrönt, zwölf Jahre später setzte ihm der Papst die Kaiserkrone aufs Haupt. Die mächtigen Mitbewerber hatte er teils mit Gewalt, teils durch diplomatisches Geschick in die Schranken gewiesen. Unter seiner Herrschaft verlor das Reich den einseitig sächsischen Zug, den es unter den Ottonen angenommen hatte. Seine Personalpolitik zielte darauf ab, wichtige staatliche und kirchliche Ämter mit süddeutschen Kandidaten zu besetzen. Unter den sechzig von ihm ernannten Bischöfen stammten 24 aus seiner engsten Umgebung. Zeitweilig waren fast alle deutschen Erzbistümer in den Händen bayerischer Adliger.

Heinrichs Erlangung der Königswürde liefert ein Beispiel für seine Entschlusskraft und sein Durchsetzungsvermögen. Sein Vorgänger Otto III. war überraschend in Italien gestorben und sollte zur Beisetzung nach Aachen überführt werden. Heinrich nahm im Februar 1002 mit seinem Gefolge den toten Kaiser in Polling in Empfang und bemächtigte sich kurz entschlossen der Reichsinsignien; sie bestanden aus der Krone, dem Zepter, dem Reichsapfel, dem Schwert Karls des Großen und der violetten Dalmatika (Obergewand) aus reiner Seide. Jedoch das nach damaliger Ansicht wichtigste Herrschersymbol, die Heilige Lanze, mit welcher der römische Hauptmann Longinus dem gekreuzigten Heiland die Seite geöffnet hatte, war nicht auffindbar. Der Kölner Erzbischof Heribert, der geistliche Anführer des Leichenzuges, hatte sie heimlich fortgeschafft. In Augsburg stellte Heinrich den Bischof zur Rede und zwang ihn mit brutaler Gewalt, das Kleinod herauszugeben. Außerdem ordnete er an, die Eingeweide Ottos in der St. Afra-Kirche in Augsburg zu bestatten. Damit inszenierte er öffentlich seine Sorge um das Totengedächtnis seines Vorgängers, wie es für den legitimen Nachfolger vorgeschrieben war.

Zu einem ermürbenden Dauerkonflikt entwickelte sich Heinrichs Auseinandersetzung mit Polen, wo Herzog Boleslaw der Kühne alles versuchte, um sein Herrschaftsgebiet nach Westen auszuweiten. Er hatte bereits die Lausitz und Böhmen unter seine Botmäßigkeit gebracht. Heinrich unternahm mehrere Kriegszüge gegen Polen, die alle missglückten. Auch der Plan, sich mit den slawischen Stämmen der heidnischen Liutizen und Redarier gegen den christlichen Polenherrscher zu verbünden, blieb erfolglos, trug aber Heinrich scharfe Angriffe aus kirchlichen Reformkreisen ein, die ihn sogar als apokalyptischen Drachen bezeichneten und ihn in eine Reihe mit Herodes und Kaiser Nero stellten. Schließlich hat Heinrich resigniert, es kam zum so genannten Resignationsfrieden von Bautzen, dessen Bedingungen für den Kaiser so unbefriedigend waren, dass er gar nicht persönlich zur Unterzeichnung erschien. Aus heutiger Sicht war damit der Weg frei zur Staatsgründung Polens, die Gleichrangigkeit des Nachbarn im Osten war praktisch anerkannt.

In der Alten Hofhaltung wandern die Besucher durch gewundene Gänge mit kleinen Nischen – Symbole für Heinrichs unentwegte Reisen durch sein Land. Er regierte aus dem Sattel, hielt Reichsversammlungen und Synoden, um seine Macht zu demonstrieren und die Mitbestimmungsrechte der Fürsten auszubalanzieren. Didaktisch geschickt aufbereitete Exponate erläutern die damalige Verwaltungspraxis, das Erziehungswesen und die Handelsbeziehungen.

Zeitgenössischen Berichten zufolge war Heinrich von einem starken Sendungsbewusstsein erfüllt. Er verstand sich als Herrscher von Gottes Gnaden und als Stellvertreter Christi auf Erden. Seine Ausbildung hatte er an den Gelehrtenschulen in Regensburg und Hildesheim erhalten, er sprach perfekt Latein und übertraf seine Bischöfe an theologischer Kompetenz. Außerdem war der Kaiser ein kluger Stratege und ein leidenschaftlicher Kunstmäzen, dem jedes Mittel recht war, um in den Besitz wertvoller Schriften und Bilder zu gelangen. Da seine Ehe mit der Luxemburger Grafentochter Kunigunde kinderlos blieb, überschrieb er vor seinem Tod den ganzen Besitz aus Sorge um sein Seelenheil der Kirche von Bamberg.

Heinrich starb 1024 im Alter von 51 Jahren, gut hundert Jahre danach wurde er heilig gesprochen, wenige Jahre später auch seine Gemahlin. Sie sind das einzige heilige Herrscherpaar der Geschichte.

Die ausgestellten liturgischen Gewänder und die Prachthandschriften bezeugen die tiefe Verbundenheit Heinrichs II. mit Bamberg, seiner »einzig geliebten Stadt«. Durch viele Stiftungen wollte er hier sein Andenken »auf ewige Zeiten« erhalten wissen. Seltene Kodizes, die in alle Welt zerstreut sind, konnten für die Dauer der Ausstellung nach Bamberg zurück gebracht werden, unter anderem aus dem Vatikan, aus London, Paris, Brüssel und Wien. Zwei wichtige Handschriften stammen aus der Schreibschule des Klosters Seeon: Ein mit herrlichen Miniaturen geschmücktes Evangelienbuch sowie das »Preislied auf Bamberg«, verfasst vom Seeoner Abt Gerhard. Der Autor preist Bamberg überschwänglich als »Haupt der Welt«, den Kaiser nennt er einen »strahlenden Edelstein des Reichs, auf dessen Willen die Sicherheit der Untertanen beruht«. (Die Ausstellung geht noch bis bis 20. 10. 2002).

JB



30/2002