»Durch Wasser die verlorene Gesundheit wieder gewinnen«
Sebastian Kneipp, Priesterarzt und Gesundheitserzieher
Sebastian Kneipp war der Sohn armer Webersleute in dem schwäbischen Flecken Stefansried bei Otto-
beuren. Schon mit zehn Jahren musste er als Hütebub oder Gelegenheitsarbeiter zum Unterhalt der Familie beitragen und wintersüber dem Vater im feuchten Weberkeller helfen, wo er sich den Keim für sein späteres Lungenleiden holte. An seinen Herzenswunsch, Priester zu werden, war zunächst nicht zu denken. Erst als ihm ein junger Kaplan aus der Nachbarschaft Privatunterricht gab, kam er seinem Ziel näher und wurde Studiosus der Theologie in Dillingen.
Es ist überliefert, dass er dort seines immer wiederkehrenden Bluthustens wegen lange Zeit das Bett hüten und sehr häufig dem Unterricht fernbleiben musste. Oft schlich er sich nachts aus der Stadt zur nahen Donau und nahm – noch bis in den November hinein – Tauch- und Teilbäder, von deren heilkräftigen Wirkung er in einem abgegriffenen Büchlein des Wasserdoktors Hahn so viel Wunderbares gelesen hatte. 1855 wurde Kneipp nach seiner Priesterweihe in das Dominikanerinnenkloster Wörishofen als Beichtvater beordert. Sicher nahm der damals 34-jährige seine Amtsaufgaben ernst, aber ebenso sicher werden sie ihn nicht ausgefüllt haben. So begann er, die Lebensbedingungen in dem kleinen, unbedeutenden Dorf zu heben: er verbesserte die in langen Jahren der Säkularisation verwahrloste Klosterlandwirtschaft und gab damit auch Anregungen für die Bauern des Dorfes. Durch planmäßige Entwässerung, Wechselfruchtbau, Samenauswahl steigerte er die Erträge. Schon den Schulkindern erteilte er Unterricht in Obstbaumpflege und -veredelung. Er förderte die Bienenzucht und hob die Güte des Viehbestandes durch Ankauf wertvoller Zuchttiere. Seine ersten Veröffentlichungen und Bücher befassten sich denn auch mit dem Ackerbau, der Viehzucht und der Bienenpflege. Als Helfer im Stall bewährte sich der Herr Pfarrer in mancherlei Fällen. Diese Zusammenhänge sind nur wenig bekannt, und doch sind sie nötig zum Verständnis des außergewöhnlichen Mannes.
»Mich leitet kein irdisches Interesse«
Nur wenige Jahre später war er der meistbeschäftigte Heilkundige seiner Zeit. Seine Bücher waren Bestseller. Sein Bild und Namenszug verhalfen vielen Artikeln zu florierenden Umsätzen. Hochvermögende Gönner stellten ihm beträchtliche Summen zu Verfügung.
Er benutzte all dies, um der Gemeinschaft zu dienen, in der er lebte. Das Kneippianum, das Sebastianeum, vor allem sein Lieblingswerk, die Kinderheilstätte, sind gewaltige Bauten, die noch heute das Gesicht Wörishofens prägen. Als Kneipp starb, besaß er herzlich wenig an irdischen Gütern, und auch dies Wenige hatte er Bedürftigen bestimmt.
Im Vorwort zu seinem zweiten Buch »So sollt ihr leben!« schrieb er: »Mich leitet kein irdisches Interesse. Nur das Mitleid mit meinen leidenden Mitmenschen hat mich veranlasst und bewegt mich noch heute, ihnen, wo ich kann, hilfreich zur Seite zu stehen. Wenn ›Meine Wasserkur‹ (sein erstes Werk) ihren Lesern sagen wollte, wie sie durch Anwendung des Wassers und einfacher Kräuter die verlorene Gesundheit wieder gewinnen könnten, so will dieses neue Buch sie belehren, wie sie sich nähren, wie sie wohnen, schlafen und sich kleiden sollen usw., wenn sie ihre Gesundheit erhalten und Krankheiten vorbeugen wollen ...«
Kneipp zielte ganz bewusst auf die Einheit von Leib, Seele, Geist. Er ist heute hochmodern. Er hatte seine beiden großen Bücher auf Drängen seiner Freunde geschrieben, damit jeder selbst die Behandlung durchführen könne und er nicht mehr so überlaufen wäre. Das Gegenteil jedoch trat ein. Seine »Wasserkur«, das Originellste, was je auf diesem Gebiet von einem Laien geschrieben wurde, rief immer mehr Heilungssuchende nach Wörishofen, so dass dringend neue Bade- und Wohngelegenheiten gebraucht wurden.
Wallfahrt einer dankbaren Gemeinde
Kneipp hielt täglich Sprechstunde unter Vorsitz des Badearztes, häufig in Gegenwart medizinischer Kapazitäten aus allen Teilen der Welt. Es muss eine gewaltige Kraft von Worten und Gebärden dieses Mannes ausgegangen sein. Vertreter des europäischen Adels und Würdenträger aus aller Welt waren Kurgäste in Wörishofen, ohne dass ihre Anwesenheit Aufsehen erregte.
Als besondere Höhepunkte werden Kneipps Vorträge geschildert, wobei er sich als köstlicher Erzähler zeigte, der die Materie in volksnahen Worten und treffenden Vergleichen allen verständlich machen konnte. Dabei sparte er nicht mit Seitenhieben gegen Modetorheiten und Reklamerummel. Im Lauf der Jahre wurde er auch nach außerhalb zu Vortragsreisen eingeladen, von denen die Romreise mit der Audienz bei Papst Leo XIII. zum Höhepunkt werden sollte.
Das Jahrhundert ging seinem Ende zu und auch die Schaffenskraft des schier Unermüdlichen. Er selbst scheint genau gewusst zu haben, welche Zeit ihm noch zugemessen war, und so beendete er mit letzter Kraft sein »Testament für Gesunde und Kranke«. Am 17. Juni 1897 schloss Kneipp seine Augen für immer.
Das Leichenbegängnis und die dem Toten erwiesene letzte Ehre wurde von einem bekannten Blatt als fürstlich bezeichnet. Sie glich der Wallfahrt einer dankbaren Gemeinde aus allen Gegenden zum letzten Geleit des großen Meisters. Viele Zeitungen erschienen mit Trauerrand. Ununterbrochen liefen Beileidsbezeugungen ein. Die erste Kondolenz-Depesche kam vom Erzherzog Joseph von Oesterreich. Die Zahl der Kranzspenden war unvorstellbar.
Dr. Günter Dörner
30/2006
beuren. Schon mit zehn Jahren musste er als Hütebub oder Gelegenheitsarbeiter zum Unterhalt der Familie beitragen und wintersüber dem Vater im feuchten Weberkeller helfen, wo er sich den Keim für sein späteres Lungenleiden holte. An seinen Herzenswunsch, Priester zu werden, war zunächst nicht zu denken. Erst als ihm ein junger Kaplan aus der Nachbarschaft Privatunterricht gab, kam er seinem Ziel näher und wurde Studiosus der Theologie in Dillingen.
Es ist überliefert, dass er dort seines immer wiederkehrenden Bluthustens wegen lange Zeit das Bett hüten und sehr häufig dem Unterricht fernbleiben musste. Oft schlich er sich nachts aus der Stadt zur nahen Donau und nahm – noch bis in den November hinein – Tauch- und Teilbäder, von deren heilkräftigen Wirkung er in einem abgegriffenen Büchlein des Wasserdoktors Hahn so viel Wunderbares gelesen hatte. 1855 wurde Kneipp nach seiner Priesterweihe in das Dominikanerinnenkloster Wörishofen als Beichtvater beordert. Sicher nahm der damals 34-jährige seine Amtsaufgaben ernst, aber ebenso sicher werden sie ihn nicht ausgefüllt haben. So begann er, die Lebensbedingungen in dem kleinen, unbedeutenden Dorf zu heben: er verbesserte die in langen Jahren der Säkularisation verwahrloste Klosterlandwirtschaft und gab damit auch Anregungen für die Bauern des Dorfes. Durch planmäßige Entwässerung, Wechselfruchtbau, Samenauswahl steigerte er die Erträge. Schon den Schulkindern erteilte er Unterricht in Obstbaumpflege und -veredelung. Er förderte die Bienenzucht und hob die Güte des Viehbestandes durch Ankauf wertvoller Zuchttiere. Seine ersten Veröffentlichungen und Bücher befassten sich denn auch mit dem Ackerbau, der Viehzucht und der Bienenpflege. Als Helfer im Stall bewährte sich der Herr Pfarrer in mancherlei Fällen. Diese Zusammenhänge sind nur wenig bekannt, und doch sind sie nötig zum Verständnis des außergewöhnlichen Mannes.
»Mich leitet kein irdisches Interesse«
Nur wenige Jahre später war er der meistbeschäftigte Heilkundige seiner Zeit. Seine Bücher waren Bestseller. Sein Bild und Namenszug verhalfen vielen Artikeln zu florierenden Umsätzen. Hochvermögende Gönner stellten ihm beträchtliche Summen zu Verfügung.
Er benutzte all dies, um der Gemeinschaft zu dienen, in der er lebte. Das Kneippianum, das Sebastianeum, vor allem sein Lieblingswerk, die Kinderheilstätte, sind gewaltige Bauten, die noch heute das Gesicht Wörishofens prägen. Als Kneipp starb, besaß er herzlich wenig an irdischen Gütern, und auch dies Wenige hatte er Bedürftigen bestimmt.
Im Vorwort zu seinem zweiten Buch »So sollt ihr leben!« schrieb er: »Mich leitet kein irdisches Interesse. Nur das Mitleid mit meinen leidenden Mitmenschen hat mich veranlasst und bewegt mich noch heute, ihnen, wo ich kann, hilfreich zur Seite zu stehen. Wenn ›Meine Wasserkur‹ (sein erstes Werk) ihren Lesern sagen wollte, wie sie durch Anwendung des Wassers und einfacher Kräuter die verlorene Gesundheit wieder gewinnen könnten, so will dieses neue Buch sie belehren, wie sie sich nähren, wie sie wohnen, schlafen und sich kleiden sollen usw., wenn sie ihre Gesundheit erhalten und Krankheiten vorbeugen wollen ...«
Kneipp zielte ganz bewusst auf die Einheit von Leib, Seele, Geist. Er ist heute hochmodern. Er hatte seine beiden großen Bücher auf Drängen seiner Freunde geschrieben, damit jeder selbst die Behandlung durchführen könne und er nicht mehr so überlaufen wäre. Das Gegenteil jedoch trat ein. Seine »Wasserkur«, das Originellste, was je auf diesem Gebiet von einem Laien geschrieben wurde, rief immer mehr Heilungssuchende nach Wörishofen, so dass dringend neue Bade- und Wohngelegenheiten gebraucht wurden.
Wallfahrt einer dankbaren Gemeinde
Kneipp hielt täglich Sprechstunde unter Vorsitz des Badearztes, häufig in Gegenwart medizinischer Kapazitäten aus allen Teilen der Welt. Es muss eine gewaltige Kraft von Worten und Gebärden dieses Mannes ausgegangen sein. Vertreter des europäischen Adels und Würdenträger aus aller Welt waren Kurgäste in Wörishofen, ohne dass ihre Anwesenheit Aufsehen erregte.
Als besondere Höhepunkte werden Kneipps Vorträge geschildert, wobei er sich als köstlicher Erzähler zeigte, der die Materie in volksnahen Worten und treffenden Vergleichen allen verständlich machen konnte. Dabei sparte er nicht mit Seitenhieben gegen Modetorheiten und Reklamerummel. Im Lauf der Jahre wurde er auch nach außerhalb zu Vortragsreisen eingeladen, von denen die Romreise mit der Audienz bei Papst Leo XIII. zum Höhepunkt werden sollte.
Das Jahrhundert ging seinem Ende zu und auch die Schaffenskraft des schier Unermüdlichen. Er selbst scheint genau gewusst zu haben, welche Zeit ihm noch zugemessen war, und so beendete er mit letzter Kraft sein »Testament für Gesunde und Kranke«. Am 17. Juni 1897 schloss Kneipp seine Augen für immer.
Das Leichenbegängnis und die dem Toten erwiesene letzte Ehre wurde von einem bekannten Blatt als fürstlich bezeichnet. Sie glich der Wallfahrt einer dankbaren Gemeinde aus allen Gegenden zum letzten Geleit des großen Meisters. Viele Zeitungen erschienen mit Trauerrand. Ununterbrochen liefen Beileidsbezeugungen ein. Die erste Kondolenz-Depesche kam vom Erzherzog Joseph von Oesterreich. Die Zahl der Kranzspenden war unvorstellbar.
Dr. Günter Dörner
30/2006