Die Zeichenschule in der Maxhütte Bergen
Im Jahre 1870 wurde die Handwerks-Zeichenschule in der Maxhütte gegründet




Seit 1829 gibt es eine einklassig geführte Schule in Bergen. Als Schulraum musste damals noch die Stube des sogenannten Aubinderhauses genügen. Schon bald zeigte sich, wie wichtig die Schule für die Angestellten und Arbeiter der Maxhütte war. Dies geht aus einem Gesuch der Königlichen Distriktsschulinspektion Traunstein an das Königliche Landgericht Traunstein im Jahre 1854 hervor:
»Vachendorf, 12. Mai 1854.
Die Kgl. Distriktsschulinspektion
Traunstein an das Kgl. Landgericht
Traunstein.
Die Feiertagsschule in Bergen
betreffend.
Nach einer gestern hierher gelangten Mitteilung der Kgl. Lokalschulinspektion Bergen erbietet sich der für die Förderung aller guten Zwecke sehr eifrige Bergmeister Hailer von der Maxhütte zu Bergen, den fähigen Knaben von Hüttenamtsarbeitern um sie zu diesem Berufe tüchtig zu machen, an allen Sonnund Feiertagen einen eigenen Schulunterricht erteilen zu lassen, der sie weiter fördern soll, als es durch den Besuch der Feiertagsschule Bergen möglich ist. Es soll ihnen nämlich außer dem erweiterten Unterricht in den gewöhnlichen und vorgeschriebenen Schulgegenständen, welchen Unterricht der Praktikant Waidmann leiten soll, durch 3 am Hüttenwerk beschäftigte Meister der so notwendige Zeichenunterricht erteilt werden. Dabei sollen diese Knaben ganz und gar der allgemeinen Schuldisziplin unterworfen werden, zum Besuch der Christenlehre und zur Bestehung der Prüfung verpflichtet werden, nur zum Besuch der Sonntagsschule in Bergen dispensiert, aber zur Entrichtung des Schulgeldes an den Schullehrer gehalten sein. Da über die dringend notwendige höhere technische Ausbildung von Hüttenamtsarbeitern kaum eine Meinungsverschiedenheit bestehen kann, so erscheint das Anerbieten des Bergmeisters Hailer sehr dankenswert und willkommen. – Da es nicht in der Kompetenz der Distriktsschulbehörde liegen kann, die Durchführung dieses gut gemeinten Planes zu genehmigen, so wollte man mit gegenwärtigem Bericht das Kgl. Landgericht vondemlöblichen Vorhaben desKgl. Bergmeisters Hailer in Kenntnis setzen und zugleich bitten, dasselbe möge gutachtlichen Bericht an eine höhere Regierung von Oberbayern erstatten um die hohe Genehmigung des so löblichen Vorhabens zu erwirken.
Hochachtungsvoll!
gez. Branmüller«
Schon damals erkannten die Verwalter der Maxhütte die Notwendigkeit, in einem Förderunterricht die Fähigkeiten der Formenbauer, Gießer, Schlosser und Schmiede zu verbessern. Es fällt auf, dass nur Knaben für diesen Unterricht zu berücksichtigen sind. Leider wurde von der kgl. Regierung von Oberbayern das Gesuch abgelehnt. Gründe waren im Ablehnungsvermerk nicht angeführt. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden aufgrund steigender Schülerzahlen verschiedene Erweiterungen der Bergener Schule notwendig. So wurde bald der südliche Teil des Gemeindehauses als Schule und Lehrerdienstwohnung eingerichtet und im Jahr 1871 durch einen Anbau nach Norden erweitert.
Fast gleichzeitig im Jahre 1870 wurde die Handwerks-Zeichenschule in der Maxhütte gegründet – vielleicht aus der Voraussicht, dass die reine Eisenproduktion durch Schmelzen mit dem Hochofen sich dem Ende zuneigte und die Produktion in der Maxhütte sich verstärkte auf den Guss von Gebrauchsgegenständen, Werkzeugen und Maschinenteilen, die vorwiegend in Holzbearbeitungs- und Straßenbaumaschinen eingebaut wurden. Für diese Arbeiten brauchte man kreative Handwerker, die sich auf das Herstellen und Lesen von Plänen und Konstruktionszeichnungen verstanden. Wie wichtig die Einführung der Zeichenschule war, zeigt das MuseumMaxhütte in Bergen, wo die großen Sägegatter und Schreinermaschinen ausgestellt sind, die nach Beendigung des regulären Hochofenbetriebs im April 1876 verstärkt gebaut und verkauft wurden.
Die ersten Dokumente aus der Anfangszeit finden sich für das Jahr 1876 im Archiv der Gemeinde Bergen. Als Lehrkraft wurde der Maschinenmeister Adam genannt, der 26 Schülern das Zeichnen nach dem bayernweit festgelegten Programm von 1876 für den »Unterricht an den Elementarabtheilungen der gewerblichen (Abend-)Fortbildungsschulen« beibrachte.
Finanziert wurde die Schule durch Mittel aus dem Bezirksamt (42 Mark), dem Kreisamt (42 M) und der Gemeinde (16 M), was sich über die Jahre kaum änderte. Der Unterricht fand am Anfang in der Modelschreinerei statt. Der Antrag der Gemeinde auf Zuschuss durch die Knappschaftskasse wurde abgelehnt. Später wurde der Unterricht ins Kontrolleurshaus (Kassierhaus) verlagert und dann in das sogenannte Kondukteurshaus an der Straße zum Pattenberg, wo spätestens ab 1913 im Erdgeschoß ein Zeichensaal genannt wird.
1877 wurden schon 32 Schüler in den drei vorgeschriebenen Kursen unterrichtet. Der 1. Kurs (1. Abteilung) bestand aus 16 Werktagsschülern im Alter von 8 bis 13 Jahren, die am Sonntag nach der Kirche zwei Stunden und am Donnerstag von 17.30 bis 19.30 Uhr Unterricht hatten. Der 2. Kurs mit neun Schülern (13 bis 15 Jahre) und der 3. Kurs mit sieben Schülern (16 bis 20 Jahre) wurden der 2. Abteilung der Feiertagsschüler (Arbeiter und Lehrlinge mit festen täglichen Arbeitszeiten) zugerechnet. Ihr Unterricht fand am Dienstag- und Freitagabend um 18.30 bis 20 Uhr statt. Bis zur Jahrhundertwende pendelte die Schülerzahl um 25.
Unter den angehenden, die Zeichenschule besuchenden Lehrlingen, ein Großteil aus der Maxhütte, befand sich eine Vielzahl von Berufen wie Maurer, Steinmetze, Zimmerer, Schreiner, Drechsler, Wagner, Schlosser, Schmiede, Elektriker, Mechaniker, aber auch Schuhmacher, Schneider, Bäcker und Konditoren sowie Landwirte. Jedoch war es all die Jahre bis zum Ende der Schule selbstverständlich, dass nur Buben und junge Männer die Schule besuchten.
Im Sommer 1878 fand eine Visitation durch den Rektor der Realschule Traunstein Freiherr von Hermann statt. In seinem Bericht mokierte er, »dass trotz des ziemlich fortgeschrittenen Alters des Zeichenlehrers und Maschinenmeisters Adam immerhin noch befriedigende Leistungen zu ersehen waren. In der Methodik wurde beanstandet, dass die Zeichnungen genau in denselben Größen wie die Vorlagen gefertigt wurden. Werktagsschüler dürfen erst ab dem 10. Lebensjahr am Unterricht teilnehmen. Es wurde angeordnet, sehr notwendige neue Vorlagen anzuschaffen. Auf Anregung des Bürgermeisters bezüglich einer Beitragsleistung durch das k. Bergärar wurde mit der k. General- Bergwerks- und Salinenadministration ins Benehmen getreten«. Jedoch konnte eine finanzielle Beteiligung des k. Bergärars in den »Exigenzetats«, die fast komplett im Gemeindearchiv erhalten sind, nicht festgestellt werden.
1905 machte die Bezirksregierung ihre Zuschüsse davon abhängig, dass die »gewerbliche Zeichenfortbildungsschule mit fakultativem Charakter in eine gemeindliche Anstalt mit obligatorischem Charakter mit Unterhalt auf Dauer umgewandelt wird«. Aber erst 1912 wird berichtet, dass die Umwandlung der Handwerkerzeichenschule in eine gemeindliche Fortbildungsschule in Vorbereitung ist.
Nach Beginn des 1. Weltkriegs wurden die Mittel vom Bezirk und Kreis auf Null gestrichen, sodass der damalige Zeichenlehrer Andreas Eisenbichler die Schule im März 1916 schließen musste: »Zeige hiermit der löbl. Gemeindeverwaltung ergebendst an, daß ich mit 30. April l. J. den letzten obligaten Zeichenunterricht abgehalten, u. am 1. Mai den Privatunterricht beginne, mit Ihrer und des hiesigen Amtsvorstandes Zustimmung. …«
Das k. Hüttenamt bemerkte dazu:
»… Mit 30. April hat die Zeichenschule offiziell zu bestehen aufgehört; damit ist auch die Gewährung von Mitteln aus Kreis- und Distriktsfonds eingestellt. Das Hüttenamt hat künftig mit der Sache nichts mehr zu tun. Wenn Unterricht erteilt wird, so ist das Privatangelegenheit des Eisenbichler …«
Aber schon im September 1918 wurden wieder Bezirks- und Kreiszuschüsse bewilligt, sodass die Schule weitergeführt werden konnte. Auffällig sind in den Jahren 1910 bis zum Ende 1931 die hohen Schülerzahlen um die 50 Schüler. Der Stundenplan der fachlichen Fortbildungsschule beim Hüttenamt Bergen war 1913:
»Montag: 7-9 Uhr theoretischer fachlicher Unterricht für Lehrl. der Gießerei und mechan. Werkstätte 9-12 Uhr Fachzeichnen für Gießereilehrlinge ½ 2-3 Turnen 3-6 Realunterricht
Dienstag: 1-5 Uhr Fachzeichnen für die Lehrlinge der mechan. Werkstätte.«
Eine Mappe mit Zeichnungen des Schülers und Schreinerlehrlings Sebastian Hallweger aus dem Jahre 1922 lässt erkennen, wie hoch die Qualität der technischen Zeichnungen war und einige Freizeitmaler aus Bergen können die Förderung ihres Talents durch die Zeichenschule nicht verleugnen. Die Gebrüder Hallweger, Wilhelm der Zimmerer, Vinzenz der Baumeister und Hans der Schreiner besuchten alle die Schule und besonders Hans war begabt und zeigte durch hervorragende Portraits und Landschaftsmalereien sein Können.
Schon 1927 kündigte sich das Ende der jetzt genannten Zeichenfortbildungsschule durch die Halbierung der Zuschüsse für die Personalmittel für den damaligen Zeichenlehrer Anton Endl an. 1928 ordnete die Kreisbehörde an, dass nur die 15 Zeichenfortbildungsschüler als förderwürdig gezählt werden, deshalb sind nur 2 Wochenstunden à 168 M kreiszuschusswürdig. Die 35 Volksschüler haben ihren Zeichenunterricht in der Volksschule Bergen.
Im Mai 1931 kündigt der Landkreis die Streichung der Zuschüsse an mit der Begründung: »Derartiger Zeichenunterricht kann als sog. Fachunterricht der Volksfortbildungsschule angeschlossen werden. Bei den außerordentlich knappen Mitteln, die zur Verfügung stehen, ist es unmöglich, solchen Kursveranstaltungen weiterhin Zuschüsse zu gewähren.« Auf die nochmalige Bitte der Gemeinde auf Zuschussmittel ergeht die Erwiderung: »Die Kreismittel sind derart beengt, daß es sich nicht mehr verantworten ließe, 10 gewerbliche Fortbildungsschulen zu schließen und trotzdem die gewerbliche Zeichenfortbildungsschule Bergen noch zu unterstützen. « Obwohl die Gemeinde am 1.2.1932 nochmal einen Finanzvoranschlag an die Kreisverwaltung einreichte, wurden keine Mittel mehr genehmigt: »Vom 1.1.1933 ab ist die Zeichenschule aufgehoben.«
Dr. Kristian Krammer
Quellen:
Soika C., Die Schule, in »Bergen ein Heimatbuch« 2020
Archiv der Gemeinde Bergen, Sammelakt:
Die Gewerbliche Zeichenfortbildungsschule Bergen 1876 - 1932
28/2022