Jahrgang 2002 Nummer 47

Die St.-Anna-Basilika in Altötting

Vor 90 Jahren wurde das Gemeinschaftswerk der bayerischen Katholiken geweiht

Die St. Anna – Basilika in Altötting ist der größte Neubau einer Kirche in Deutschland im 20. Jahrhundert. Sie wurde nach einer erstaunlich kurzen Bauzeit von zweieinhalb Jahren im Herbst 1912 feierlich eingeweiht. Mit der Basilika erhielt Altötting endlich ein würdiges, ausreichend großes Gotteshaus für die Wallfahrtsseelsorge. Bisher hatten die als Stadtpfarrkirche dienende Stiftskirche sowie die Klosterkirchen der Kapuziner, St. Magdalena und St. Anna trotz ihrer räumlichen Enge für die Gottesdienste der Pilger dienen müssen.

Der erste Versuch, das Problem der fehlenden Pilgerkirche zu lösen, wurde schon vor über dreihundert Jahren unternommen. Um das Jahr 1670 plante Kurfürst Ferdinand Maria, mitten am Altöttinger Kapellplatz einen riesigen barocken Kuppeldom zu errichten, der die achteckige Gnadenkapelle mit dem wundertätigen Bild der Muttergottes überwölben sollte, ähnlich wie die hölzerne Einsiedlerklause des hl. Franz von Assisi von der Kuppelkirche Santa Maria degli Angeli überbaut ist. Auch die Umgebung des geplanten Mariendomes sollte einheitlich umgestaltet werden. Der Baumeister des Schleißheimer Schlosses und der Türme der Münchner Theatinerkirche, Enrico Zuccali hatte die Pläne zu einem 60 Meter hohen Kuppelbau entworfen, im Jahre 1647 wurde der Grundstein durch den Kurfürsten persönlich gelegt. Der dabei benutzte silberne Hammer und eine Maurerkelle sind noch heute in der Altöttinger Schatzkammer zu bewundern.

Aber der Bau kam über die Fundamente nicht hinaus, der Tod des Kurfürsten unterbrach den Weiterbau und sein Sohn Max Emanuel hatte dafür kein Interesse, zumal die Kriege gegen die Türken und gegen Österreich viel Geld verschlangen. Als vor zwanzig Jahren unter dem Altöttinger Kapellplatz eine Tiefgarage gebaut wurde, stieß man auf die gewaltigen Grundmauern der Zuccali- Kuppelkirche. Ein hölzernes Modell des Bauwerks ist im Altöttinger Heimatmuseum ausgestellt. Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch den Anschluss an das Eisenbahnnetz die Zahl der Altötting-Wallfahrer stark, anstieg, entstand bei den für die Pilger verantwortlichen Kapuziner dringender Handlungsbedarf. Eine große Wallfahrtskirche war das Gebot der Stunde. Zunächst dachte man daran, eine der bestehenden Kirchen zu erweitern, bis sich die Idee eines völligen Neubaus durchsetzte. Den Bauplatz erwarb die Marianische Männerkongregation, die Bauleitung übernahmen die Kapuziner. Als Schirmherr war Prinz Ludwig, der spätere König Ludwig III. gewonnen worden; sein Vater, der Prinzregent Luitpold, erwies sich als großer Förderer des Projekts und stiftete den prachtvollen Hochaltar; das Altarbild krönt das bayerische Königswappen.

Ein schwieriges Problem war natürlich die Finanzierung. Nach der Vorstellung von Pater Joseph Anton Kessler, dem von den Kapuzinern beauftragten Bauherrn, sollte die Allgemeinheit die nötigen Finanzmittel aufbringen. Deshalb apellierte er im Namen des Ordens »an das gläubige bayerische Volk, aus Liebe zu seiner himmlischen Patronin, der Gottesmutter«, durch großzügige Spenden das Projekt zu unterstützen.

Den Plan für die Basilika lieferte der Münchner Architekt Johann Baptist Schott in Anlehnung an die Klosterkirche von Fürstenfeld bei Fürstenfeldbruck. Bei einer Länge von 83 Metern und einer Breite von 27 Metern bietet die Kirche Platz für rund 8000 Personen.

Für den Bau war der Abbruch eines Bauernhofes erforderlich, für die Fundamente wurden an die dreitausend Kubikmeter Beton verbraucht. Tag für Tag waren gut einhundert Arbeiter im Einsatz. Dann wuchsen schnell die Mauern in die Höhe, bis zu 14 000 Ziegel wurden täglich verbaut. Ein Meisterstück für die damalige Zeit war das Gewölbe der Basilika mit 27 Metern Spannweite; der dafür verantwortliche Maurerpolier aus Halsbach erhielt nach der Fertigstellung einen hohen kirchlichen Orden.

Der Besucher betritt die Basilika durch eine tiefgezogene Vorhalle. Über ihr liegt der Orgelchor. Der Bau ist durch eingezogene starke Pfeiler seitlich in je sechs Seitenkapellen gegliedert. Das höhere Mittelschiff weist – wie in Fürstenfeld und in Waldsassen – große Fenster in Form einer halben Ellipse auf. Links vom erhöhten Presbyterium befindet sich die Sakristei, rechts die Kapelle der Schmerzhaften Muttergottes.

Für die Innenausstattung waren vorwiegend Handwerker aus der Region tätig. Die Altarbilder schufen zu ihrer zeit bekannte, heute weitgehend vergessene Maler aus München wie W. Kolmsperger, L. Thoma, Ph. Schumacher, J. M. Schmidt und W. Schleibner sowie Licklederer (Rosenheim) und A. Veiter (Klagenfurt). Am Hochaltarbild sind Pius X., Prinzregent Luitpold von Bayern und der damalige Guardian der Kapuziner zu sehen, am Antonius-Altar Freiherr von Cramer-Klett, (Hohenaschau) der Stifter des Altars, zusammen mit dem Passauer Bischof Sigismund Felix von Ow. Das Altarbild des Franziskusaltars zeigt eine Reihe prominenter Terziaren: den heiligen König Ludwig von Frankreich, Kaiser Rudolf von Habsburg, Prinzessin Mathilde, Herzogin von Coburg, Kreszentia von Kaufbeuren, Elisabeth von Thüringen, den Pfarrer von Ars, Vinzenz von Paul, Papst Leo XIII. u. a.

Recht imposant ist die Vorderfassade der Basilika, die sich in drei Stockwerke gliedert. Im ersten Stock stehen die vier Kolossalstatuen von Adam, Abraham, Jesse und David, die Ahnherren Christi, jede vier Meter hoch, geschaffen vom Münchner Bildhauer Osterrieder. Unter dem den Giebel krönenden Kreuz ist ein Reliefbild der Kirchenpatronin St. Anna mit Maria und dem Jesuskind. Das mächtige Dach schließt rückwärts ein großer Dachreiter ab, auf dem eine in Kupfer getriebene Marienstatue »Maria von der Schutzwache« steht.

Die Idee, über dem rechten und linken Seitenportal zwei Türme wie in Fürstenfeld zu errichten und damit die etwas zu schmale Vorderfassade optisch aufzuwerten, ist aus Kostengründen nicht verwirklicht worden. Fundamente für die Türme wurden jedoch gelegt, in der Vegangenheit gab es auch verschiedene Entwürfe für ein Türmepaar, doch zur Realisierung ist es nicht gekommen.

Obwohl Bauleiter Pater Kessler immer wieder mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen hatte, wurde die Basilika am 13. Oktober 1912 termingemäß durch den Bischof von Passau in Anwesenheit von Prinz Ludwig, der wenig später den bayerischen Königsthron bestieg, eingeweiht. Immer wieder fanden sich teils bekannte, teils anonyme Gönner aus allen Teilen des Bayernlandes. Die Geldspenden trafen oft gerade dann ein, wenn der Bauherr nicht mehr ein und aus wusste. Die zwei Glocken finanzierte eine Frau aus München, eine andere Spenderin stiftete die Kolossalstatue der Muttergottes auf dem Dachreiter, eine Nachbildung des Altöttinger Gnadenbildes. So ist die Basilika tatsächlich ein Gemeinschaftswerk aller bayerischen Katholiken geworden, die daran mitwirken wollten, im größten Wallfahrtsort in Bayern eine repräsentative Pilgerkirche zu bauen.

JB



47/2002