Jahrgang 2006 Nummer 26

Die Seeschlacht von Lepanto in der Pfarrkirche von Prien

Eines der größten Deckenfreskos, gemahlt von Johann Baptist Zimmermann

Der barocke Innenraum der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Prien.

Der barocke Innenraum der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Prien.
Das Deckenfresko von Johann Baptist Zimmermann in der Pfarrkirche von Prien. Die Seeschlacht von Lepanto.

Das Deckenfresko von Johann Baptist Zimmermann in der Pfarrkirche von Prien. Die Seeschlacht von Lepanto.
Die Sieger von Lepanto Don Juan d’Austria begrüßt die Befreiten.

Die Sieger von Lepanto Don Juan d’Austria begrüßt die Befreiten.
Heute besuchen wir die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Prien am Chiemsee, wo wir das bekannte Deckenfresko von Johann Baptist Zimmermann »Die Seeschlacht von Lepanto« genauer betrachten wollen. Dass eine so martialische Vorlage wie eine Seeschlacht gerade die Decke einer Kirche ziert, wo doch gewöhnlich den Gläubigen ein Blick in den Himmel geboten wird, ist ungewöhnlich und verdient einer näheren Betrachtung.

Wenden wir uns zunächst dem Bau der Priener Pfarrkirche zu. Schon kurz vor dem Ortseingang von Prien, auf der Straße von Endorf her, ist von der Anhöhe aus die das Ortsbild von Prien beherrschende Kirchturmspitze zu sehen. Sie ist ebenso wie einige Grundmauern das Relikt der mittelalterlichen, gotischen Kirche, die 1735 bis 1738 in eine Barockkirche umgestaltet wurde. Weil man die stattliche, den Prienern vertraute Turmspitze erhalten wollte, wurde sie in einer technisch aufwendigen Aktion, unter Zuhilfenahme von Walzen, vom alten auf den neuen Turmschaft umgesetzt.

So ist eine, auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild neue, eindrucksvolle Barockkirche entstanden. Dem kreuzförmigen Kirchenschiff sind über den beiden Anbauten am Chor zwei kleinere Zwiebelhaubentürmchen aufgesetzt worden. Im Kontrast zur gotischen Geradlinigkeit des Turmes betonen sie die Verspieltheit des Barocks. Sie sind harmonisch abgestimmt auf die schon um 1500 erbaute Allerseelenkapelle, die 1723 barockisiert wurde und ebenfalls einen Zwiebelhaubenturm erhalten hat. Die Baumeister des Barocks hatten ein Gefühl für eine maßvolle Baugestaltung.

Die gotischen, nach oben strebenden Formen sind mit der barocken Beschwingtheit anderer Bauelemente an beiden Kirchen in einer geglückten Einheit verbunden. Der offene Umgang der Allerseelenkapelle wurde erst 1923 als Kriegergedächtnisstätte angebaut. Pfarrkirche und Kapelle sind, von der leider allzu verkehrsreichen Durchgangsstraße umgeben, das sakrale Zentrum von Prien geblieben. Der Ort Prien ist nach dem kleinen Flüsschen gleichen Namens benannt, das bei Schafwaschen in den Chiemsee fließt.

Die Geschichte der Priener Pfarrkirche ist mit der Ortsgeschichte von Prien eng verbunden. Am Ufer des Chiemsees, am Prienfluss, gründeten die Grafen von Falkenstein um 1158 eine Siedlung, die schon von ihrer Gründung an auf das Kloster Herrenchiemsee bezogen war. Die Falkensteiner waren die Vögte, also die Verwalter der am See gelegenen Güter des Klosters. Der Pfarrsprengel Prien gehörte zum Kloster Herrenchiemsee und wurde von den Mönchen seelsorgerisch betreut. Propst Florian Rappl von Herrenchiemsee sah den Neubau einer modernen Barockkirche an Stelle der vom Verfall bedrohten, alten gotischen Kirche als sein persönliches Anliegen. Dass das Kloster im Barock wohlhabend war und über genügend Mittel verfügte, ist auch heute noch an den von der Säkularisation verschonten Bauteilen des Inselklosters abzulesen.

So also konnte es sich der Probst mit Billigung des Klosterkonvents leisten, den schon damals berühmten Johann Baptist Zimmermann zur inneren Ausgestaltung der Priener Pfarrkirche zu gewinnen. Der Wessobrunner Meister, der im Barock nach heutigen Maßstäben als Star galt, hat der neuen Kirche seine Handschrift aufgeprägt. Johann Baptist Zimmermann schuf auf dem zeitlichen Höhepunkt barocker Kirchenbaukunst einen Festsaal, in dem Licht, Farbe und überschwängliche Formenvielfalt sich zu einem prachtvollen »theatrum sacrum«, einem heiligen Theater, vereinigen.

Die Bilder der beiden Seitenaltäre, die die hl. Katharina und rechts Maria als Rosenkranzkönigin verehren, sind in der Romantik 1843 bzw. 1866 eingefügt worden. Die über den Seitenaltären aus Stuck schwungvoll aufgesetzten Draperien sind barocke Theaterdekorationen, die von Engeln gehalten mit ihren schweren, stuckierten Stoffbahnen beinahe den ganzen Altar umrahmen. Auch hier wird die geniale Handschrift Zimmermanns und seiner Mitarbeiter erkennbar. Die beiden Seitenaltäre lenken den Blick hin zum Hochaltar, der in der von Säulen gerahmten Bühne das Altarblatt, dem Patrozinium der Kirche entsprechend, die Himmelfahrt Marias zeigt.

Das Bild ist eine Kopie des berühmten Altarbildes gleichen Themas von Peter Paul Rubens. Zwischen den Säulen stehen der hl. Joseph mit dem Jesuskind und gegenüber die Mutter Anna mit ihrer Tochter Maria. An der Spitze des Hochaltars lässt das von einem Strahlenkranz umrahmte Fenster mit dem Monogramm Marias in der Mitte die Strahlen der aufgehenden Sonne in den Kirchenraum einfließen. Das Vorbild für dieses von barocker Symbolik getragene Lichtfenster ist im Petersdom in Rom zu finden.

Nun blicken wir hinauf zur Decke, um das Bildprogramm zu bewundern. Johann Baptist Zimmermann hat es mit seinem Team, zu dem übrigens auch seine beiden Söhne gehörten, zusammen mit dem auf das Bild abgestimmten Stuckrahmen geschaffen. Das in Stuck geformte Gitter- und Bandelwerk ist vielfach mit pflanzlichen Motiven durchsetzt. Die lebendige Natur sollte zum Lobpreis Gottes in den Kirchenraum mit hineingenommen werden. Besonders beachtenswert sind die vier parallel angeordneten Dekorfelder an den seitlichen Rändern des Deckengemäldes, auf denen aus Füllhörnern Blüten hervorquellen. Die verschlossenen Vasen in der Mitte der Felder stehen symbolisch für Gefäße der Kräfte des irdischen und des geistigen Lebens (Knaurs Lexikon der Symbole). Die Rahmen für die Bilder vermeiden weitgehend gerade Linien. Sie sind vielmehr in ihrer schwungvollen Eleganz die Überleitung zum Bildinhalt.

Das Deckenbild über dem Chor ziert die Heilige Dreifaltigkeit in einer illusionistischen Flachkuppel, umrahmt von vier Kartuschen mit den Evangelisten. Das Gemälde ist so angelegt, dass dem Betrachter der Eindruck vermittelt wird, in die Tiefe eines dreidimensionalen Bildes hineinzuschauen. Auf der flachen Decke des Chores wird eine nicht vorhandene Kuppel vorgetäuscht. Bedenkt man dabei, dass der Künstler gehalten war, auf der Höhe der Decke auch aus der Sicht des Betrachters vom Boden der Kirche aus das Bild in der richtigen Perspektive zu malen. Dann wird das Maß der künstlerischen Leistung deutlich.

Wie bei allen Deckenbildern konnte der Meister nur einen kleinen, vorher bestimmten Teil des Bildes malen. Er musste, auf einem Holzgerüst am Rücken liegend, arbeiten. Auf einer vorbereiteten Schablone aus Pappkarton wurden die Umrisse der für das Bild vorgesehenen Figuren und Szenen aufgezeichnet. Die Ränder wurden mit einem Stichinstrument gelöchert. Sodann wurde die Schablone am Deckenputz angehalten, so dass die durch die Löcher vorgezeichneten Linien im Putzuntergrund eingraviert und später mit dem Pinsel nachgezogen werden konnte.

So entstand nicht nur das Bild über dem Chor, sondern auch das große, die gesamte Decke des Langhauses ausfüllende Fresko, das in mehreren Einzelszenen die Seeschlacht von Lepanto schildert. Mit einer Fläche von fast 200 m2 ist es schon seiner Größe wegen beachtlich. Das Signum des Meisters »Johann Zimmermann pinxit 1738« ist am unteren Rand in der Mitte des Bildes zu finden. Vier Szenen gestalten das Bild: Auf der rechten Längsseite erleben wir die Seeschlacht. Die siegreichen Karavellen mit dem Kreuz auf der Flagge sind den Schiffen des Halbmondes schon zahlenmäßig überlegen. Das Gemetzel der Besatzungen ist mit eindringlicher Dramatik dargestellt. Auf der gegenüberliegenden Seite grüßt der Sieger von Lepanto Don Juan d’Austria am Fuße einer orientalischen Burg die Befreiten und befindet über die Gefangenen. Auf der Stirnseite des Freskos zum Chor hin wächst ein theatralischer Triumphbogen aus dem Bildrand heraus. Ein Gewölbe mit einer Kuppel deuten eine Kirche an. In ihrer Mitte kniet vor einem Altar Papst Pius V. und betet für den Sieg der christlichen Armada. Im himmlischen Zenit thront die Himmelskönigin mit dem Jesuskind und überreicht, begleitet von einer Engelsschar, dem hl. Dominikus den Rosenkranz.

So fügen sich die Szenen aneinander: Der Papst betet für den Sieg der Christen. Maria erhört sein Gebet und überreicht mit dem Rosenkranz ein Zeichen ihrer Gnade an den hl. Dominikus. Für die Thematik des Freskos gibt es einen konkreten Anlass: 1739 feierte die von Propst Ulrich vom Kloster Herrenchiemsee für die Pfarrkirche in Prien gestiftete Rosenkranzbruderschaft ihr 100jähriges Jubiläum. Einer Legende nach ist der Sieg über die Türken von Lepanto dem Rosenkranzgebet des Papstes zu verdanken.

Nun noch eine Anmerkung zum historischen Hintergrund der Seeschlacht von Lepanto: Don Juan d’ Austria war der Sohn Kaiser Karls V., den ihm die Regensburger Bürgerstochter Barbara Blomberg geschenkt hatte. Nachdem Karl V. 1556 abgedankt hatte und sein Sohn Philipp II. spanischer König geworden war, wurde Don Juan d’Austria von diesem als Halbbruder anerkannt und erhielt den Oberbefehl über die gesamte spanische Flotte, die sich mit dem Geschwader der christlichen Verbündeten vereinigte. Papst Pius V. hatte dem Unternehmen seinen Segen gegeben und seinen eigenen Flottenverband beigesteuert. Mehr als 300 Segelschiffe, 30 000 Soldaten, 50 000 Ruderer und Matrosen aus den christlichen Anliegerstaaten des Mittelmeeres hatten sich zusammengeschlossen, um gegen die Türken, die Feinde der Christenheit, zum vernichtenden Schlag auszuholen.

Am 7. Oktober 1571 traf die christliche Flotte bei Lepanto, der griechischen Stadt Naupaktos, auf die zahlenmäßig etwa gleichstarke osmanische Flotte. Die Schlacht tobte den ganzen Tag über. Den Wendepunkt brachte die Enterung des türkischen Kommandoschiffes. Ali Pascha traf eine Kugel tödlich. Ein Soldat trennte ihm das Haupt vom Leib und streckte es Don Juan hin. Auf einer Lanze aufgespießt, wurde es allen Kämpfern zur Schau gestellt. Nach fünf Stunden war die Schlacht entschieden. Das christliche Abendland war gerettet. Der strahlende Sieger hieß Don Juan d’Austria. Sein Sieg war von gewichtiger historischer Bedeutung. Es war der Sieg der christlichen Welt über die des Islams, der auch in der Kirche von Prien die Gläubigen an dieses historische Ereignis erinnert.

Dieter Dörfler

Quellen: DuMont Kunstführer »Der Chiemgau« Dehio »München und Oberbayern.



26/2006