Jahrgang 2006 Nummer 37

Die schöne Kaiserin im »Sisi«-Schlösserl

»Leben einer Legende« – Filmstar Romy Schneider zu Ehren

Eine bayerische Kreisstadt und ein regionaler Tourismusverband können jubeln: Sie haben das richtige Thema für ihre neue Jahresausstellung gefunden: »Leben einer Legende: Romy Schneider – ›Sisi‹ war ihr Schicksal«. Der Titel passt zum bayerisch-schwäbischen »Sisi«-Schloss Unterwittelsbach im Landkreis Aichach. Mit einem attraktiven Rahmenprogramm, Vorträgen und Filmpartys im Freien zieht das »Sisi«-Schlösserl Kulturbeflissene in seinen Bann.

Unter Dach und Fach, und damit wetterunabhängig, ist die Schau im erst vor wenigen Jahren renovierten Schlösschen im Dorf Unterwittelsbach – keine 70 km von München, 50 km von Ingolstadt und 30 km von Augsburg entfernt. Zwölf Räume des reizvollen ehemaligen Wohnsitzes von Sisi, der nachmaligen schönen Kaiserin von Österreich und vergötterten Königin von Ungarn, Historikern unter dem Namen Elisabeth von Bayern (1837 bis 1898) und auch dem Volk als Herzens-Dame des Prinzessinnen-Cousins Ludwig II. geläufig – sie soll (ganz gesichert ist das noch immer nicht) sieben Jahre hier gewohnt haben – wurden von einem eingeschworenen Expertenteam aus Augsburg (an der Spitze: Manfred Kosch) und Berlin (Designer-Innenarchitekt Andreas Zausch) vorzeigbar »hergerichtet«.

Grundlage der Unterwittelsbacher Ausstellung bietet die von dem inzwischen verstorbenen Künstler und Romy-Schneider-Kenner Robert Amos konzipierte Filmstar-Ausstellung für Speyer, Potsdam und Wien. Was Robert Amos den Besuchern der »Sisi«-Schau zur Vertiefung des Gesehenen bietet, ist sein reichhaltiges, kenntnisreich zusammengestelltes Buch »Mythos Romy Schneider«, das für knapp 20 Euro an der Museumskasse zu erwerben ist. Filmplakate, Fotos (offizielle wie familiäre), Medien-Exzerpte und sonstige Bilddokumente vereint der Band, den Interviews mit Regisseuren, Freunden, Nahestehenden und Mitarbeitern der 1982 im Alter von nur knapp 44 Jahren an Herzversagen in Paris gestorbenen, aus Wien stammenden Schauspielerin einleiten.

Wer die nach Lebensphasen gegliederte Nachzeichnung eines – unterm Strich – bemitleidenswerten Leidensweges sondergleichen in den drei Stockwerken von Schloss Unterwittelsbach abschreitet, wird immer wieder stillhalten. So schnell geht man nicht vorüber an all den großartigen Bildern und Objekten jener bildhaften, begabten, eigentlich weltzugewandten Frau, die ihrem »Sisi«-Klischee, das ihr seit den Ernst-Marischka-Verfilmungen des Lebens der Wittelsbacher Prinzessin Elisabeth schon im zarten Alter von 15 Jahren anhaftete, zu entraten versuchte, nach Frankreich floh, wo sie den Kollegen Alain Delon kennen und lieben lernte, dort ein großer Star wurde und dann, nach und nach, viele Männerbekanntschaften, Enttäuschungen, Entbehrungen und Verluste (ihren Sohn David, den sie mit Harry Meyen hatte) hinter sich, ins menschliche Desaster geriet. Bei älteren Besuchern werden teils herb-süße, teils peinliche Erinnerungen an den von den Medien gefeierten, oft aber auch fehlgedeuteten Star wach, der in Jugendjahren verklärt wurde, später aber einen Ausdruck bekam, der an die Großen des Genres anknüpfte, ganz und gar den Jungmädchen- »Speck« einer lieblichen »Sissi« verloren hatte und mit Darstellern und Regisseuren arbeitete, die europäische Filmgeschichte schrieben: Curd Jürgens, Michel Piccoli, Lilly Palmer, Bernhard Wicki, Orson Welles, Horst Buchholz, Peter O`Toole, Lucchino Visconti ...

Den umsichtigen und glückhaften Kuratoren gelang viel Stimmungsvolles neben dem rein Dokumentarischen – Kostümen und (Original- bzw. Repliken-) Accessoires, einem beinahe perfekt nachgebauten Swimmingpool zum gleichnamigen Film mit Delon, Videos, Plakaten – und Persönlichem, was vor allem der Mitarbeit von Romy Schneiders langjähriger Vertrauter Christiane Höllger und dem Justitiar Paul Franken zu danken ist. Sie und Robert Lebeck, berühmter »Stern«-Fotograf und Romy-Schneider-Kenner, gaben neben Robert Amos` Witwe Maria Amos der Vernissage nicht weniger Glanz als beispielsweise die in der Region heimische bekannte Historikerin Martha Schad. Ob »Sisi«-Partner Karlheinz Böhm noch in Unterwittelsbach aufkreuzt? Man wartet ab. Das abgelegene, jedoch weder kulturell noch gastronomisch hinterwäldlerische und über die B 300 (Ausfahrt Aichach-Nord) problemlos erreichbare Örtchen im alten Wittelsbacher Land braucht jede Art von Publicity-Werbung.

Die hat auch Gödöllö nötig, das operettenhaft-hinreißende ungarische »Sisi«-Schloss, 30 km von Budapest entfernt, das Königin Sisi zu ihrem Lieblingsschloss erklärt hatte. Zum Ungarischen Kulturjahr 2006 darf es mit einem Zimmer im bayerisch-schwäbischen »Pendant« Unterwittelsbach vertreten sein. Gödöllö war Elisabeths Krönungsgeschenk, als sie 1867 als Gattin Kaiser Franz Josephs von Österreich Königin von Ungarn geworden war. Aichach und Gödellö – das ist seit kurzem erst eine Städtepartnerschaft. Beide Orte liegen an der so genannten »Sisi«-Straße. Diese führt, wie noch zu wenig bekannt ist, von Augsburg bis Gödöllö und über die Alpen an die Adria.

Die Ausstellung »Leben einer Legende: Romy Schneider – ›Sisi‹ war ihr Schicksal«, Schloss Unterwittelsbach bei Aichach, ist noch bis 1. November geöffnet, und zwar Dienstag bis Freitag von 10 bis 17, Samstag, Sonn- und Feiertag 10 bis 18 Uhr. Info- Telefon 08251 / 891869. Begleitbuch »Mythos Romy Schneider« von Robert Amos, 19,95 (Marion von Schroeder Verlag, Berlin 2006)

Hans Gärtner



37/2006