Des Königs schöne, kluge Favoritin
Glanzvoller Münchner Ausstellungs-Sommer: »Madame de Pompadour«

Francois Boucher. Portrait der Madame de Pompadour, 1756, Öl auf Leinwand. Sammlung der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG in der Alten Pinakothek München.

Charles-Antoine Coypel. Die Freuden der Kindheit oder Kinderspiele bei der Morgentoilette, Öl auf Leinwand. Malibu, Dr. Martin L. Cohen M.D. und Sharleen Cooper Cohen.

Etienne-Maurice Falconet. Drohender Amor, Marmor. Paris, Musée du Louvre.
»Welche Anmut! Welche Fülle! Welche Ausstattung! Der Maler der Grazien hat lediglich die Natur wiedergegeben, ohne von der Sorge geplagt zu werden, sein Modell verschönern oder ihm schmeicheln zu müssen«. So war’s im »Mercure de France«, Oktober 1757, zu lesen. Die »Correspondance littéraire« dagegen befand: »Es ist so überladen von Zierrat, Bommeln und allen Sorten von Firlefanz, dass es allen Leuten von Geschmack in den Augen schmerzt.«
Gegenstand von überschwänglichem Lob auf der einen, von Ablehnung auf der anderen Seite: Francois Bouchers Öl– auf-Leinwand-Porträt der Madame de Pompadour von 1756 vom repräsentativen Format 201 mal 157 Zentimeter. Es ist das Glanzstück einer glanzvollen Ausstellung der HypoKulturstiftung München, zugleich zeigt es die Persönlichkeit, die ihr Titel und Anziehungskraft verleiht: Frankreichs König Louis XV. berühmt gewordene, weil stilbildende und modediktierende Mätresse, die eigentlich eine Bürgerliche war (geboren 1721 als Tochter eines Pariser Verwalters), zur Herzogin ernannt und zur »überzähligen« Palastdame der Königin erhoben wurde: Jeanne-Antoinette Poisson, die alle Welt unter dem geadelten Namen Madame de Pompadour kennt, schätzt – oder ablehnt.
Lässig zurückgelehnt sitzt die grazile Gestalt, angetan mit einem türkisfarbenen, von Rosen umrankten und mit dazu fein abgestimmten Schleifen, Rüschen und Spitzen dekorierten Kleid auf einem Sofa vor einem palmengerahmten Spiegel, der die Wirkung – auch mittels des beidseitig eingefassten schweren Samtvorhangs – theaterhaft erhöht. Madame macht Lesepause und schaut versonnen – vielleicht – aus dem Fenster. Die Accessoires geben sie als Literatin, Zeichnerin, Briefschreiberin, Blumenfreundin und Hundeliebhaberin preis: Schönheit und Klugheit, Eleganz und Raffinement gehen eine rokoko-verschnörkelte Einheit ein. Kein Wunder, dass so ein »Porträt« auch die Kritiker der Zeit – es sind noch gut 30 Jahre bis zur Französischen Revolution – auf den Plan gerufen hat! Kein offizielles, ein höchst privates Konterfei einer pompös-verhätschelten, im Geld schwimmenden Höfischen, die durch ihre Anmut, ihre weiblichen Reize die Gunst des (verheirateten) Königs errungen hatte und ein Leben in Saus und Braus führen konnte. Madame de Pompadour kauft Schlösser und Hotels (und verscherbelt sie wieder). Sie wohnt in Versailles oberhalb des Großen Königs-Appartements. Sie baut dort die Eremitage, der zu ihrem Lieblingsort wird: »Hier bin ich alleine oder mit dem König und mit wenigen Menschen zusammen, so bin ich glücklich«. Das ihr 1749 zuerkannte Schloss Bellevue über der Seine (acht Jahre später an den König zurückverkauft) stattet sie kostbar aus. Ein Jahr darauf erkaltet des Königs Leidenschaft zu seiner Mätresse, und die in platonischer Liebe gelebten höfischen Jahre, die der Lungenkranken bis zu ihrem Tode 1764 noch blieben, sehen sie als Kunstliebhaberin, Auftraggeberin an verschiedene Künstler, Erwerberin, Mieterin und Verkäuferin von Schlössern.
Voltaire, den Madame de Pompadour sehr verehrte, stellte den Reim von »Pompadour« auf »amour« fest und er war es, der 1745 auf die wunderbare Frau, der Louis XV. soeben auf einem Maskenball begegnet und von Stund an verfallen war, dichtete: »Sie, Pompadour, verschönen / Den Hof und den Parnass / auch das Paradies der Liebe. / Reiz aller Herzen, Schatz des / einzigen Sterblichen. / Oh, möge doch so ein Geschick ewig sein!«
Ewigkeit – das fühlte Madame de Pompadour wohl selbst – ist nur im Jenseits zu erringen. Die lebenslustige, den König stets aufs beste unterhaltende, weltzugewandte Beautée besucht von 1756 an täglich mit der Königin die Messe – indes ist sie längst exkommuniziert. Dennoch bestattet man sie im Kapuzinerinnenkloster in Paris, nur knapp 43 Jahre alt. Was sie überdauerte, ist in der Ausstellung zu sehen. Und das alles ist aus ihrer Sammelleidenschaft und Kunstsinnigkeit hervorgegangen, aus ihrer fraulichen Initiative. Eine enorme Leistung, vor der sich die Nachwelt zu verbeugen hat. Hinzu kommt, dass diese Frau ein kluger politischer Kopf war, einflussreich und intelligent. Dass sie es schaffte, sich am Hof, der sie zunehmend ablehnte und missachtete, zu halten, kann nur einer starken Persönlichkeit zugeschrieben werden.
Möbel und Gemälde, Skulpturen und Porzellan – 1756 gab Madame de Pompadour den Anstoß zur Gründung der königlichen Porzellanmanufaktur in Sèvres – Grafik und Glyptik, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Tapisserien... – die Fülle der Gegenstände, sehr weise in Auswahl und Lockerheit platziert, gibt einen umfassenden Eindruck von der Rolle, die Madame de Pompadour in der Kunstwelt einen unangefochtenen Platz sicherte: Protektorin der Künste zu sein. Als Favoritin des Königs allein ist sie also keineswegs einzuschätzen. Dass sie gut singen konnte, ein Theater in Versailles installierte, kostbare Bücher sammelte, Stiche anfertigte, sich also umfassend künstlerisch-musisch betätigte und als Kreative gelten kann, ist in der Ausstellung nicht Nebensache.
Freilich nehmen die vielen Porträts, die Gobelin-Entwürfe, zauberhaften Porzellane, Stuhlbezüge, Gewänder und Skulpturen den durch die weitläufige Ausstellung Wandernden am meisten gefangen. Der Prachtentfaltung ist kein Ende. Nicht jedes gezeigte Stück will man sofort einordnen – es genügt durchaus auch das zu bewundernde Stück selbst. Auffallend: die zahlreichen Bezüge der Exponate zum Thema Liebe und Freundschaft. Amor-Darstellungen von Bouchardon, Saly und Falconet treten hervor. Höchstes Entzücken vermag das Gemälde »Die Einfalt« von Jean-Baptiste Greuze hervorzurufen. Charles-Antoine Coypels Bild von den »Freuden der Kindheit« bzw. »Kinderspiele bei der Morgentoilette« (1728), das seinen festen Platz in Versailles hatte, verrät die Vorliebe der Abnehmerin für kindliche Motive. In dem Bild steckt aber eine Portion Satire auf die Morgentoilette der Erwachsenen, die hier als szenisches Zeremoniell gezeigt wird.
Die in der Ausstellung gebotenen Meisterwerke der Kunst des 18. Jahrhunderts in Frankreich waren bisher in München nicht zu sehen. Wenn der stolze Hausherr, der zweifellos ein Faible dafür hat, prophezeit, die Besucher würden mit glasigem Blick die Räume verlassen, so hat er Recht. Doch sollte es bei der Verzauberung nicht bleiben. Der unglaublich profunde und alle Ausstellungsgegenstände farbig wiedergebende Katalog stößt mit seinen Beiträgen, die die Katalognummern unmittelbar einbeziehen und neueste Forschungsergebnisse berücksichtigen, mit Sicherheit auf das Interesse derer, die in die Kunst des 18. Jahrhunderts detailliert eindringen möchten. Mit 440 Seiten ist die deutsche Ausgabe nur ein Teil des Originalkatalogs der Ausstellung, die vorher im Musée National des Chateaux de Versailles et de Trianon gezeigt wurde. Einen Monat nach Ausstellungsschluss in München (15. September 2002) geht das Unternehmen an die National Gallery, London (dort bis 12. Januar 2003).
Die damals noch »Bayerische Hypotheken- und Wechselbank« genannte heutige HypoVereinsbank München war bereits vor 31 Jahren in Madame de Pompadour verknallt: Sie erwarb nämlich seinerzeit jenes Porträt von Francois Boucher, von dem eingangs die Rede war, und überantwortete es als Dauerleihgabe der Alten Pinakothek. »Allen, die 1971 dabei waren, als die von Wildenstein, New York, zugestellte Kiste in der Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München ausgepackt wurde, stockte der Atem ob der sich offenbarenden Schönheit und Meisterschaft des Bildnisses«, schreibt Johann Georg Prinz von Hohenzollern im Geleitwort. Leicht begreiflich, dass der Plan zu einer Ausstellung »rund um dieses Bildnis« schon damals reifte.
HG
31/2002
Gegenstand von überschwänglichem Lob auf der einen, von Ablehnung auf der anderen Seite: Francois Bouchers Öl– auf-Leinwand-Porträt der Madame de Pompadour von 1756 vom repräsentativen Format 201 mal 157 Zentimeter. Es ist das Glanzstück einer glanzvollen Ausstellung der HypoKulturstiftung München, zugleich zeigt es die Persönlichkeit, die ihr Titel und Anziehungskraft verleiht: Frankreichs König Louis XV. berühmt gewordene, weil stilbildende und modediktierende Mätresse, die eigentlich eine Bürgerliche war (geboren 1721 als Tochter eines Pariser Verwalters), zur Herzogin ernannt und zur »überzähligen« Palastdame der Königin erhoben wurde: Jeanne-Antoinette Poisson, die alle Welt unter dem geadelten Namen Madame de Pompadour kennt, schätzt – oder ablehnt.
Lässig zurückgelehnt sitzt die grazile Gestalt, angetan mit einem türkisfarbenen, von Rosen umrankten und mit dazu fein abgestimmten Schleifen, Rüschen und Spitzen dekorierten Kleid auf einem Sofa vor einem palmengerahmten Spiegel, der die Wirkung – auch mittels des beidseitig eingefassten schweren Samtvorhangs – theaterhaft erhöht. Madame macht Lesepause und schaut versonnen – vielleicht – aus dem Fenster. Die Accessoires geben sie als Literatin, Zeichnerin, Briefschreiberin, Blumenfreundin und Hundeliebhaberin preis: Schönheit und Klugheit, Eleganz und Raffinement gehen eine rokoko-verschnörkelte Einheit ein. Kein Wunder, dass so ein »Porträt« auch die Kritiker der Zeit – es sind noch gut 30 Jahre bis zur Französischen Revolution – auf den Plan gerufen hat! Kein offizielles, ein höchst privates Konterfei einer pompös-verhätschelten, im Geld schwimmenden Höfischen, die durch ihre Anmut, ihre weiblichen Reize die Gunst des (verheirateten) Königs errungen hatte und ein Leben in Saus und Braus führen konnte. Madame de Pompadour kauft Schlösser und Hotels (und verscherbelt sie wieder). Sie wohnt in Versailles oberhalb des Großen Königs-Appartements. Sie baut dort die Eremitage, der zu ihrem Lieblingsort wird: »Hier bin ich alleine oder mit dem König und mit wenigen Menschen zusammen, so bin ich glücklich«. Das ihr 1749 zuerkannte Schloss Bellevue über der Seine (acht Jahre später an den König zurückverkauft) stattet sie kostbar aus. Ein Jahr darauf erkaltet des Königs Leidenschaft zu seiner Mätresse, und die in platonischer Liebe gelebten höfischen Jahre, die der Lungenkranken bis zu ihrem Tode 1764 noch blieben, sehen sie als Kunstliebhaberin, Auftraggeberin an verschiedene Künstler, Erwerberin, Mieterin und Verkäuferin von Schlössern.
Voltaire, den Madame de Pompadour sehr verehrte, stellte den Reim von »Pompadour« auf »amour« fest und er war es, der 1745 auf die wunderbare Frau, der Louis XV. soeben auf einem Maskenball begegnet und von Stund an verfallen war, dichtete: »Sie, Pompadour, verschönen / Den Hof und den Parnass / auch das Paradies der Liebe. / Reiz aller Herzen, Schatz des / einzigen Sterblichen. / Oh, möge doch so ein Geschick ewig sein!«
Ewigkeit – das fühlte Madame de Pompadour wohl selbst – ist nur im Jenseits zu erringen. Die lebenslustige, den König stets aufs beste unterhaltende, weltzugewandte Beautée besucht von 1756 an täglich mit der Königin die Messe – indes ist sie längst exkommuniziert. Dennoch bestattet man sie im Kapuzinerinnenkloster in Paris, nur knapp 43 Jahre alt. Was sie überdauerte, ist in der Ausstellung zu sehen. Und das alles ist aus ihrer Sammelleidenschaft und Kunstsinnigkeit hervorgegangen, aus ihrer fraulichen Initiative. Eine enorme Leistung, vor der sich die Nachwelt zu verbeugen hat. Hinzu kommt, dass diese Frau ein kluger politischer Kopf war, einflussreich und intelligent. Dass sie es schaffte, sich am Hof, der sie zunehmend ablehnte und missachtete, zu halten, kann nur einer starken Persönlichkeit zugeschrieben werden.
Möbel und Gemälde, Skulpturen und Porzellan – 1756 gab Madame de Pompadour den Anstoß zur Gründung der königlichen Porzellanmanufaktur in Sèvres – Grafik und Glyptik, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Tapisserien... – die Fülle der Gegenstände, sehr weise in Auswahl und Lockerheit platziert, gibt einen umfassenden Eindruck von der Rolle, die Madame de Pompadour in der Kunstwelt einen unangefochtenen Platz sicherte: Protektorin der Künste zu sein. Als Favoritin des Königs allein ist sie also keineswegs einzuschätzen. Dass sie gut singen konnte, ein Theater in Versailles installierte, kostbare Bücher sammelte, Stiche anfertigte, sich also umfassend künstlerisch-musisch betätigte und als Kreative gelten kann, ist in der Ausstellung nicht Nebensache.
Freilich nehmen die vielen Porträts, die Gobelin-Entwürfe, zauberhaften Porzellane, Stuhlbezüge, Gewänder und Skulpturen den durch die weitläufige Ausstellung Wandernden am meisten gefangen. Der Prachtentfaltung ist kein Ende. Nicht jedes gezeigte Stück will man sofort einordnen – es genügt durchaus auch das zu bewundernde Stück selbst. Auffallend: die zahlreichen Bezüge der Exponate zum Thema Liebe und Freundschaft. Amor-Darstellungen von Bouchardon, Saly und Falconet treten hervor. Höchstes Entzücken vermag das Gemälde »Die Einfalt« von Jean-Baptiste Greuze hervorzurufen. Charles-Antoine Coypels Bild von den »Freuden der Kindheit« bzw. »Kinderspiele bei der Morgentoilette« (1728), das seinen festen Platz in Versailles hatte, verrät die Vorliebe der Abnehmerin für kindliche Motive. In dem Bild steckt aber eine Portion Satire auf die Morgentoilette der Erwachsenen, die hier als szenisches Zeremoniell gezeigt wird.
Die in der Ausstellung gebotenen Meisterwerke der Kunst des 18. Jahrhunderts in Frankreich waren bisher in München nicht zu sehen. Wenn der stolze Hausherr, der zweifellos ein Faible dafür hat, prophezeit, die Besucher würden mit glasigem Blick die Räume verlassen, so hat er Recht. Doch sollte es bei der Verzauberung nicht bleiben. Der unglaublich profunde und alle Ausstellungsgegenstände farbig wiedergebende Katalog stößt mit seinen Beiträgen, die die Katalognummern unmittelbar einbeziehen und neueste Forschungsergebnisse berücksichtigen, mit Sicherheit auf das Interesse derer, die in die Kunst des 18. Jahrhunderts detailliert eindringen möchten. Mit 440 Seiten ist die deutsche Ausgabe nur ein Teil des Originalkatalogs der Ausstellung, die vorher im Musée National des Chateaux de Versailles et de Trianon gezeigt wurde. Einen Monat nach Ausstellungsschluss in München (15. September 2002) geht das Unternehmen an die National Gallery, London (dort bis 12. Januar 2003).
Die damals noch »Bayerische Hypotheken- und Wechselbank« genannte heutige HypoVereinsbank München war bereits vor 31 Jahren in Madame de Pompadour verknallt: Sie erwarb nämlich seinerzeit jenes Porträt von Francois Boucher, von dem eingangs die Rede war, und überantwortete es als Dauerleihgabe der Alten Pinakothek. »Allen, die 1971 dabei waren, als die von Wildenstein, New York, zugestellte Kiste in der Direktion der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München ausgepackt wurde, stockte der Atem ob der sich offenbarenden Schönheit und Meisterschaft des Bildnisses«, schreibt Johann Georg Prinz von Hohenzollern im Geleitwort. Leicht begreiflich, dass der Plan zu einer Ausstellung »rund um dieses Bildnis« schon damals reifte.
HG
31/2002